(V)Erklaerung …

You are never given a dream without also being given the power to make it true. You may have to work for it, however. (Richard Bach)

Heute ist es auf den Tag genau 1 Jahr her, dass ich in Santiago in Spanien angekommen bin. Es scheint eine Ewigkeit und doch als war es erst gestern. Der Weg ist in mir lebendiger denn je – in ganz verschiedener Form. Als Erinnerung an das Erlebte und als Vorfreude auf das naechste Mal. Als die Erfahrungen, die ich machen durfte und als die Herausforderung die vor mir liegt. Als Bild und Text, als Gespraech und Versprechen.
Es ist viel passiert in diesem Jahr. Um mich herum und mit mir. Und Vieles ist noch offen und unabgeschlossen, was auf dem Weg begann – und sei es nur als Gedanke oder Gefuehl.


Mir wird bewusst, es gab nicht einen einzigen Tag in diesem Jahr, an dem ich nicht an meine Pilgerreise dachte. War es entweder weil ich an meinem Blog gearbeitet habe (die englische Version ist immer noch nicht ganz fertig) oder weil ich mal wieder ein Gefuehl nach „Weg oder weg“ hatte. War es weil ich ein wenig im Pilgerforum gestoebert habe oder weil mein Bildschirmschoner einsetzte, der mit der Fotodatei ‚Jakobsweg“ verknuepft ist. Manchmal fragt mich auch jemand nach meiner Wanderung (erstaunlich, dass nicht nur ich mich nach ‚so langer Zeit’ erinnere) und ein paar mal habe ich Filme gesehen, die entweder direkt oder indirekt mit Pilger oder dem Jakobsweg oder einfach Unterwegssein zu tun hatten.


Nein, ich bin kein Mensch der in der Vergangenheit lebt,  aber eine lebendige Erinnerung zu schaetzen weiss. Ich merke, ich lasse mich gerne verfuehren, von der Sehnsucht, die diese Dinge mit sich bringen.


Doch dann wiederum, wenn ich so meine Aufschriebe lese (und natuerlich auch die von anderen Pilgern verfassten Berichte  und Blogs) und dort von Blasen und Fussweh, Erkaeltung und harten schmutzigen Betten, schlechtem Essen und unangenehmen Zeitgenossen die Rede ist, frage ich mich ernsthaft: sehe ich meine Pilgerreise im Nachhinein in einem zu guten Licht?  Verklaere ich es, durch die rosa Brille betrachtet?

Irgendwie sind all die Momente verblasst, als ich aufgeben wollte (die erste Krise hatte ich schon am zweiten Tag und ich war noch nicht mal ueber die deutsche Grenze). Die Schmerzen in Beinen und Schultern, aber auch die seelischen Unebenheiten die eine Pilgerreise mit sich bringt. Vergessen? Nein, dass nicht. Aber dadurch, dass ich immer wieder weiter gelaufen bin – bis ans Ziel; dass ich gewachsen bin an den Herausforderungen; dass ich ein Teil der Gemeinschaft sein durfte und darf, die Begeisterung fuer das Pilgern auf- und mitbringen ... dass laesst sie vergessen, die kleinen und grossen Krisen. Oder zumindest erscheinen sie in einem milderen Licht ...

Ich bemerke, dass ich viele Dinge anders angehe, anders sehe. Immer wieder gibt es Situationen im Leben, die denen auf dem Jakobsweg aehneln und ich kann die „Loesung“ fast direkt uebertragen. Ich bin gewachsen. Es ist eben nicht nur einfach von einem Ort zum anderen gehen. Nicht nur Kilometer runterreissen und wer ist als erstes da. Es ist ein Meditieren im Laufen. Ein Erleben mit allen Sinnen. Pilgern wo schon tausende andere pilgerten, seit Jahrhunderten. Teil von etwas sein, dass viel groesser ist ... Ich jedenfalls habe noch von keinem Pilger gelesen oder gehoert, den der Weg nicht beruehrte in der einen oder anderen Weise. .... (okay, es mag Welche geben, die wandern einfach nur und vergessen dann ...). Doch das ist es wohl auch, was den Pilger von dem Wanderer unterscheidet.

Fuer mich steht fest, ich bin noch lange nicht fertig mit ihm, dem Weg. Ich werde wieder pilgern. Werde die damit verbundenen Anstrengungen gerne in Kauf nehmen und wieder ein Stueck wachsen.  Ich weiss auch schon wo ich pilgern moechte und wie ...  nur dass Wann, das steht noch in den Sternen.  Doch da vertraue ich einfach dem Pilger in mir. Denn so wie meine erste Pilgerreise genau zum richtigen Zeitpunkt stattfand, werde ich wissen, wann es wieder soweit ist ... Und bis dahin, bleibt mir ja jeden Tag mein kleines Stueck Jakobsweg.