die Schwachstelle

Je mehr sich die Dinge aendern, um so mehr bleiben sie sich gleich. – Ich bin mir nicht sicher, wer dies zuerst gesagt hat. Wahrscheinlich Shakespeare ... oder vielleicht Sting. Aber egal wie, es ist der beste Satz um meine tragische Schwachstelle zu beschreiben: die Unfaehigkeit zu veraendern. Ich glaube auch nicht, dass ich damit alleine bin. Je mehr Menschen ich kennenlernen oder besser je mehr ich die Menschen kennenlerne, um so mehr erkenne ich, dass dies irgendwie jedermans Schwachstelle ist.

Immer ganz genau gleich bleiben, solange wie moeglich. Perfect still stehen – dass ist irgendwie leichter. Und wenn man leidet – nun dieser Schmerz ist wenigstens bekannt.

Weil, wenn man diesen Sprung ins Ungewisse wagt, aus seiner vertrauten Ecke, der Komfortzone tritt – wer weiss schon welche anderen Muehen und Schmerzen dort auf einen warten. Es besteht eine gute Chance, dass sie schlimmer sein koennten.

So behaelt man den Status quo, nimmt die Strasse die man immer genommen hat – und es erscheint gar nicht so schlecht. Ich meine, wenn es um Schwachstellen geht: Ich nehme keinen Drogen oder bringe jemanden um – ausser vielleicht mich selber, jeden Tag ein bisschen.

Und wenn wir uns dann endlich veraendern, geschieht dies – so meine Erfahrung – nicht wie ein Erdbeben oder eine Explosion und wir sind auf einmal diese voellig andere Person.

Nein, es ist viel kleiner als das. Es ist so etwas, dass die meisten Menschen um einen herum gar nicht bemerken – ausser sie schauen wirklich ganz ganz genau (was sie zum Glueck meist nicht tun).

Aber ich selber merke es. Innen drinnen fuehlt es sich wie eine ganz neue Welt an. Und ich hoffe, dass ist es dann auch, denn das ist jetzt die Person, die ich fuer den Rest meines Lebens bin. So als wuerde ich nie mehr veraendern muessen ....

Ein Glueckspilz wer ihn gefunden ...

The Thousandth Man

One man in a thousand, Solomon says
Will stick more close than a brother.
And it’s worth while seeking him half your days
If you find him before the other.
Nine hundred and ninety-nine depend
On what the world sees in you,
But the Thousandth Man will stand your friend
With the whole round world agin you.

‘Tis neither promise nor prayer nor show
Will settle the finding for ‘ee
Nine hundred and ninety-nine of ‘em go
By your looks, or your acts, or your glory.
But if he finds you and you find him,
The rest of the world don’t matter;
For the Thousandth Man will sink or swim
With you in any water.

You can use his purse with no more talkThan he use yours for his spendings,
And laugh and meet in your daily walk
As though there had been no lendings.
Nine hundred and ninety-nine of ‘em call
For silver and gold in their dealings;
But the Thousandth Man he’s worth ‘em all,
Because you can show him your feelings.


His wrong’s your wrong, and rights your right,
In season or out of season.
Stand up and back it in all men’s sight –
With that for you only reason!
Nine hundred and ninety-nine can’t bide
The shame or mocking or laughter,
But theTthousandth Man will stand by your side
To the gallows-foot – and after!

(Rudyard Kipling)

die beste Stunde des Tages ... eine Vision

Ich sitze auf meiner Terrasse und schaue ueber das Wasser. Es glaenzt, als haette jemand die ganze Nacht damit verbracht es zu polieren. Der Himmel und das Meer haben die gleichen Farben: alle nur erdenklichen Blautoene wechseln sich ab. Um diese morgendliche Stunde mischt sich an der einen oder anderen Stelle rosa hinein.  Der letzte Dunst, der noch ueber dem Horizont haengt, zeigt sich in sanfter Lila-Faerbung.

In der Ferne sehe ich ein einzelnes Schiff dessen schneeweisse Segel locker in der leichten Brise flattern. Leise kleine Wellen plaetschern an den leeren Strand. Behutsam, als wollte das Meer zu viel Laerm vermeiden um die Vollkommenheit die dieser ruhige Moment auszustrahlen scheint nicht zu stoeren. Nur die Moewen sind schon munter und suchen kreischend nach einem Fruehstueck ...


Es ist erst 6 Uhr frueh, aber die Luft schon angenehm mild. Ich gehe in die Kueche und schenke mir noch eine Tasse heissen Kaffee ein. Der aromatische Duft alleine belebt meine Sinne. Im Vorbeigehen streichle ich meinem Hund ueber den Kopf.  Er schaut mich an, wedelt mit der Rute und ich versichere ihm dass er spaeter ganz sicher seinen Spaziergang bekommt. Er scheint zu verstehen und schliesst beruhigt wieder die Augen.

Fuer eine kleine Weile moechte ich sie noch geniesen, diese beste Zeit. Ich liebe diese Stunde, wenn der Tag erwacht. Sie hat etwas von neu geboren werden. Immer wieder. Der Tag liegt vor mir und es scheint mir stehen noch alle Moeglichkeiten offen. Es ist an mir wie ich ihn fuelle, mit positiver oder negativer Energie; an mir was ich daraus mache, meine Entscheidung ‚ja’ dazu zu sagen. Ein Hauch von grenzenloser Freiheit erfasst mich. Irgendwie wuenschte ich der Morgen wuerde den ganzenTag anhalten. Obwohl, waere sie dann noch besonders, diese Stunde bevor mich der Tag einfaengt in Stunden der Geschaeftigkeit? Hier und jetzt darf ich einfach sein. Keine Verpflichtung kein Muss ... sie gehoert mir allein, diese beste Stunde. Ein Versprechen, dem ich swchwer wiederstehen kann.


Kurz schweifen meine Gedanken dann doch an den vor mir liegenden Tag:
Nachher werde ich mich an dern Schreibtisch setzen, meinen Laptop aufklappen und schreiben. Es will im Moment nicht so recht klappen. Ich habe fuer den zweiten Teil meines autobiogrfischen Romans irgendwie noch nicht den richtigen Felsen gefunden, von dem aus ich mich, meine Kreativitaetsfluegel ausspannend, in die Tiefen der Woerterschlucht stuerzen kann.
Spaeter am Vormittag habe ich eine Verabredung mit meinem Verleger. Ich soll heute den neuen Uebersetzer treffen. Ich werde ein wenig traurig wenn ich daran denke. Bisher haben meine Eltern fuer mich die Uebersetzungen gemacht, aber aus Altergruenden ist es ihnen nun nicht mehr moeglich. Die Wendigkeit des Gehirns  und das perfekte Augenlicht sind vergaenglich, wie die von mir so geschaetzte Morgendstunde.
Anschliessend werde ich in die Stadt fahren um ein paar Nachforschungen in der Biblothek zu betreiben. Ich bin da wohl ein wenig altmodisch, denn auch wenn ich ohne meinen Computer und das Internet nicht sein moechte, so gibt es nichts inspirierenderes als Regale voller Buecher und der unverwechselbare Geruch von Papierstaub und Leim.
Dann habe ich ein telefonisches Interview mit einem ehemaligen Schulkameraden vereinbart, der mir – da er Schuelersprecher war – ein paar Details zum Thema Lehrer versprochen hat.
Nachmittags bin ich im Lycee eingeladen um eine Lesung zu halten. Wie immer freue ich mich jetzt schon auf die sicher entstehende Diskussion, ein unerschoepflicher Quell von Ideen. Auch erstaunt mich jedesmal wieder die Buntheit der Sprache der Schueler, ein gelebter Thesaurus.
Am Abend dann habe ich mich mit Freunden zum Essen verabredet. Wir wollen unbedingt das neue Restaurant „Le Dorade“ ausprobieren. Nauterlich Meeresfruechte.


Doch noch scheint all das weit weg, wenn ich hier auf meiner Terrasse sitze und und auf das Meer schaue. Die salzige Luft einatme, jede Faser meines Ichs spuere, das Nichts-tun lebe als sei es das einzig wichtige auf der Welt, eins sein mit der unendlichen Sehnsucht des Ozeans ... Und wieder einmal bin ich dankbar fuer diese beste Stunde des Tages ...