Ein neuer Anfang ...

Das Gestern ist Geschichte,
das Morgen ist noch ein Geheimnis,
das Heute ist ein Geschenk.

Es ist Karfreitag. Endlich scheint mal wieder so richtig die Sonne und eigentlich sollte ich raus, aber irgendwie kann ich mich zu nichts aufraffen. Ich wurschtel ein wenig vor mich hin, aber größere Arbeiten fallen aus, da heute Feiertag ist. Ich glaube nicht, dass meine Nachbarn begeistert wären, wenn ich morgens um 7 anfange zu saugen ...

So klappere ich ein bisschen auf der Tastatur meines Laptops, räume ein paar Kleinigkeiten hier und da, aber so wirklich motiviert kann man das nicht nennen. Irgendwann falle ich etwas matt aufs Sofa und schalte den Fernseher ein, lasse mich ein wenig berieseln. Und da wäre ich wohl sitzen geblieben, hätte mein Vater nicht angerufen und gefragt ob ich mitkommen will, eine Runde herum fahren. Das nehme ich als Anstoß. Ein kurzer Blick in Spiegel - ah geht - scheuche Clyde hoch und leine ihn an und wir laufen zu Fuß in 10 Minuten rüber in die Buchenwaldstraße zur Wohnung meiner Eltern.
Von da fahren wir los. Clyde liebt Auto fahren. Alle sind in der Nähe, es ruckelt und brummt leise vor sich hin. Er legt sich auf seinen Platz und döst weg.
Auf die Autobahn - wo wir uns erst mal stockend durch den Osterverkehr quälen. Aber Dad hat sich in den Kopf gesetzt Richtung Norden zu fahren - da sollte das Wetter schön sein. Zum Glück ist es ab dem Leonberger Dreieck wieder frei und bei Schwieberdingen biegen wir so oder so auf die Bundesstraße.

Ich schaue aus dem Fenster und während draußen die Landschaft vorbeifliegt, lasse ich die letzten 6 Wochen noch einmal Revue passieren ...

6 Wochen ... erst 6 Wochen? Ich rechne nach, denn irgendwie kann es kaum glauben, dass ich erst so kurze Zeit hier bin. Irgendwie kommt es mir viel länger vor. Ich überlege woran das liegen kann. Nun, vielleicht, weil ich in diesen 6 Wochen schon so viel getan und erreicht habe? Oder weil ich hier nicht in die Fremde kam. Ich habe Freunde, Familie, wurde 'Willkommen' geheißen. Weil ich mich auskenne? ... Doch dann wird mir klar, es ist schlicht, weil ich mich wohl fühle. Es geht mir gut und ich spüre ich bin ganz ich und - so überheblich sich das anhören mag - frei.

Es hat ja schon gut angefangen, denn meine lieben Freunde Edda und Hubert haben Clyde und mich in Frankfurt am Flughafen abgeholt. Da fühlte ich mich sofort willkommen und - ganz praktisch - ersparte es uns eine mühselige Fahrt mit der Bahn (der Hund, seine Box, zwei Koffer und ich - keine sehr prickelnde Aussicht). Die Fahrt nach Stuttgart verläuft in angenehmer Atmosphäre und durch winterliches Wetter über die Autobahn. Wir plaudern über dies und das und fast zu schnell sind wir in Leinfelden angekommen. Edda und Hubert fahren gleich weiter nach Hause. Etwas übernächtigt, wie das nach langen Flügen oft der Fall ist, tue ich an diesem Tag nicht mehr viel, sondern versuche erst mal anzukommen.

Für den nächsten Tag steht dann schon Einiges auf dem Programm. Naturgemäß bin ich früh wach. Alles ist noch etwas umständlich, denn ich muss erst noch herausfinden, wie ich Clydes morgendliche Routine von 'einfach schnell in den Garten raus lassen' zu 'Spaziergang im Dunkeln' ändere. Denn genau das ist es noch und mein kleiner Angsthase fühlt sich da nicht sehr wohl. Der Weg und der Wald sind tief verschneit, doch das wiederum scheint ihm nichts auszumachen. Mir übrigens auch nicht und ich bin sicher, wir werden uns daran gewöhnen.

Gegen elf kommt mein Bruder Jens mit seiner Frau Sanni und Tochter Luise (8) aus Karlsruhe. Meine Nichte hatte sich schon die ganze Woche auf den Hund gefreut (ihre Katze, die sie ihr Leben lang kannte war erst vor wenigen Wochen an Altersschwäche gestorben und Luise hatte ein 'Haustierdefizit' wie ihre Mutter schmunzelnd meinte). Clyde ist allerdings von dem langen Flug ein bisschen traumatisiert und noch etwas durch den Wind. So ist ihm die Aufregung fast ein bisschen viel. Dennoch lasse ich ihn in der Wohnung bei den Anderen zurück, in der Hoffnung es geht gut und ziehe alleine mit meinem Bruder los.

Schon in USA hatte ich mir vorgenommen, das ich als allererstes einen neuen Laptop benötige. Mein Alter funktioniert noch, aber es ist ein amerikanischer und hat eine entsprechende Tastatur (z.B. ist das y und das z an anderer Stelle). Auch hat die deutsche Sprache doch recht viele äs und ös und üs und diese immer als Sonderzeichen einzufügen ist umständlich und zeitintensiv. Und da ich vorhabe, hier wieder in einem Büro zu arbeiten, ganz zu schweigen davon, dass ich zunächst Bewerbungen schreiben sollte, hielt ich es für eine wichtige Investition.

Jens hat schlicht mehr Ahnung, was Computer angeht und eben leider nur dieses Wochenende Zeit. So fahren wir zum Euronics und schauen ein paar Geräte an. Ich bin froh, dass er dabei ist, denn ich wäre doch ziemlich verloren gewesen, bei Begriffen "Intel Core i5-3210M (2,5 GHz) mit 3 MB Intel Smart Cache" weiss ich nicht ob das gut oder schlecht ist - ganz davon abgesehen, ob mir das nützt ....

Die Geschäftigkeit meines ersten Tages in Deutschland ist noch nicht vorbei, denn mittags habe ich schon einen ersten Wohnungsbesichtigungstermin in Leinfelden. Auch hier hatte ich schon von Texas aus einschlägige Portale im Internet studiert und mehrere Makler kontaktiert um einen möglichst guten Start zu haben. Es lebe das Internet.

Ich hätte zufuß gehen können, aber irgendwie bin ich heute noch etwas schlapp und so fährt mein Vater mich ans andere Ende vom Ort. Ungeübt und etwas gestresst, wird die Besichtigung dann aber anstrengend. Ich habe überhaupt keinen Plan, wie das in der Regel so abläuft. Als die Maklerin kommt, dürfen alle Interessenten (es sind 'nur' 6) in die Wohnung und werden von Zimmer zu Zimmer geführt. Bei zwei Zimmer mit Küche und Bad dauert das natürlich nicht sehr lange. Ich bin ehrlich nicht sehr begeistert, vor allem dass das Bad kein Fenster hat und man immer durch die Küche muss um hinein zu gelangen ... das gefällt mir nicht, wobei das sicher auch an meinem Allgemeinzustand liegt, der mich nicht wirklich aufnahmefähig macht. So verlassen ich Schauplatz fast fluchtartig.

Nachdem wir noch beim Griechen essen waren und einen kleinen Spaziergang mit Hund gemacht haben, fahren die drei zurück nach Hause und wir anderen lassen den Tag etwas erschöpft ausklingen.

Die nächsten zwei Tage gewöhnen wir uns ein. Und das gilt nicht nur für Clyde und mich, auch meine Eltern müssen sich nun doch etwas einschränken. Der Platz in der Wohnung ist begrenzt und auch wenn ich wenig Gepäck habe, macht sich eine dritte Person bemerkbar. Weniger Platz und mehr 'Unruhe'. Ich schlafen im Büro auf einem Liegenbett. Sehr bequem, aber ich muss es - aus besagten Platzgründen - jeden Abend auf- und jeden Morgen wieder abbauen. Einen Teil meiner Sachen verlagere ich gleich in den Keller (ein Koffer bleibt gänzlich unausgepackt).

Schnell haben wir in unserer vorübergehenden Wohngemeinschaft ein bisschen Routine entwickelt und der Tagesablauf funktioniert gut. Ich stelle fest, ich muss morgens gar nicht als allererstes mit Clyde raus, sondern kann ihn erst füttern und einen Kaffee trinken. Macht den Morgen etwas weniger hektisch. Anschließend sitze ich dann eine Weile am Laptop bis Mami und Daddy aufstehen - da sie (fast) Rentner sind, schlafen sie gerne ein wenig länger. Ich, als notorische Frühaufsteherin bin dann schon fit und mache das Frühstück ...
An diesem Dienstag allerdings nur für meine Mutter und mich, da mein Vater zur Arbeit ist (ein- bis zweimal pro Woche geht er etwas Geld verdienen). Nachmittags machen wir uns zufuß auf nach Echterdingen wo ich wieder einen Termin für eine Wohnungsbesichtigung habe. Es sind nur ca. 20 min zu laufen und so sind wir eine viertel Stunde zu früh in der Martin-Luther Straße. Da es kalt ist gehen wir noch ein bisschen auf und ab und als wir wieder am Eck zur MLS- Kanalstaße sind, erwartet uns eine Überraschung. Mein Vater steht da mit dem Auto. Er hatte etwas früher Feierabend gemacht und wollte uns abholen. Schön.

Die Wohnung ist prinzipiell nicht schlecht, vor allem mit einem tollen großen Garten. Dieser ist sogar eingezäunt und Clyde würde das sicher gerne ausnutzen. Aber leider sind die zwei Zimmer ziemlich klein, ebenso die Küche. Die wenigen Möbel die habe würden kaum passen, ganz zu schweigen von meinen Büchern. Dennoch verabrede ich mit der Maklerin (nachdem ich den Selbstauskunftsbogen ausgefüllt habe), dass ich es mir bis morgen überlege.

Neben der Wohnungssuche hatte ich mich - wie erwähnt - von Livingston aus auch schon mit der Jobsuche beschäftigt. Aber aus der Ferne ist das natürlich nicht so ganz einfach. Nun fange ich an, mich etwas intensiver darum zu bemühen. Ich kenne inzwischen die meisten Internetportale zum Thema und kann auch etwas gezielter suchen. Richtig gut finde ich, das heutzutage das Meiste per Mail oder online direkt auf der Homepage des jeweiligen Unternehmens läuft. Das macht es wesentlich einfacher. Mit jedem Mal verfeinere ich mein Anschreiben und überarbeite meinen Lebenslauf. Ich lerne dazu. Ich bin mir noch nicht ganz sicher was genau ich machen will und so schreibe ich auf ganz verschiedene Stellenanzeigen. Allerdings konzentriere ich mich auf den Großraum um den Stuttgarter Flughafen, genau wie bei der Wohnungssuche.

Meine Eltern haben natürlich ein Haustelefon, aber irgendwie fühle ich mich doch so ein bisschen 'nackt' und unerreichbar und so ist meine nächste Anschaffung ein Handy. Nach einigem Hin- und Herüberlegen habe ich beschlossen mir erstmal ein billiges Prepaid zuzulegen. Später kann ich das dann immer noch ändern. Gesagt getan, wieder einmal suche ich den Euronics in Echterdingen auf. Hier in der Umgebung der einzige große Elektronikladen. Heute lernte ich gleich die vielbeschimpfte 'Servicewüste Deutschland' kennen. Ich musste eine halbe Ewigkeit warten, bis ich jemanden fand, dem ich eine Frage stellen konnte. Und das war dann der, der eigentlich nicht für diese Abteilung zuständig ist. Hätte ich nicht so dringend ein Mobiltelefon gewollt, wäre ich wahrscheinlich wieder gegangen. Aber letztlich verließ ich den Laden mit Beute.

Als ich an diesem Donnerstag aufwache, kann ich es kaum glauben, dass ich noch keine Woche wieder in Deutschland bin. Die Zeit vergeht schnell und ist doch so intensiv, dass es sich viel länger anfühlt. Clyde und ich stehen immer recht früh auf - gleichwohl er eigentlich doch viel lieber noch liegen bleiben würde. Er teilt meine Vorliebe für die Morgenstunden nicht so recht. Aber da unser Spazierweg direkt an der Schule vorbeiführt, ist es weniger stressig, wenn wir vor den Schulkindern unterwegs sind. Clyde soll sich natürlich schon daran gewöhnen, dass hier einfach mehr Menschen unterwegs sind, diese uns auf dem Weg entgegenkommen - und auch mal einen Hund dabei haben. Aber es muss ja nicht alles auf einmal sein.

Heute war erstmal eine andere Übung dran. Am Vormittag bin ich alleine zum Marktkauf gelaufen und habe Clyde bei meinem Vater gelassen. Seit wir wieder in Deutschland sind, war er noch kein mal von mir getrennt, aber das ist ja kein Dauerzustand. In der Hoffnung er hat sein Flugtrauma inzwischen überwunden, teste ich also heute mal wie es geht. Und es geht einigermaßen. Er hat nicht gejault, aber wohl die ganze Zeit bei der Tür gesessen. Nun, auch hier gilt Übung macht den Meister und Hunde sind schließlich gut zu trainieren.

Am Abend probieren wir das dann gleich noch mal, da ich mal wieder eine Wohnungsbesichtigung habe. Genau genommen sind es zwei Wohnungen im gleichen Haus. Dies liegt direkt im Ortszentrum von Leinfelden - ein idealer Standort gleich bei der S-Bahn und gegenüber vom Bäcker. So langsam bin ich Experte im lesen der Anzeigen und habe auch eine ungefähre Ahnung davon gekriegt, wie unterschiedlich die Mieten sind. Diese Wohnungen nun sind für die Lage im Stadtkern relativ günstig. So bin gespannt, was mich erwartet. Aber alleine das es direkt im Zentrum liegt ist ein Pluspunkt. So stimme ich mich auf dem Weg ganz positiv ein und bitte das Universum um Unterstützung.

Ich war die Erste und ein bisschen früh, aber so konnte ich in aller Ruhe ganz alleine rumschauen. Ein sehr netter Makler und eine Frau - etwa in meinem Alter - die ich für seine Assistentin hielt. Oder vielleicht die Vormieterin. Aber auch sehr nett.

Das Haus ist ganz eindeutig schon etwas älter und die Wohnungen liegen unterm Dach (3. Stock). Aber gerade das finde ich gut. Die 2-Zimmer-Wohnung ist modernisiert und hat eine komplette Einbauküche. Aber die Zimmer haben relativ viel 'Schräge' was für Bücherregale eher unpraktisch ist. Die 3-Zimmer-Wohnung bezeichnet der Makler als 'etwas rustikaler' womit er meint, dass viele Wände und die Decke Holzvertäfelt sind. Ich finde sie hat Charme , auch wenn mir beim Anblick der grelllila und knallgrün angemalten Wände in 2 der Zimmer gleich klar wird, hier ist (Maler)Handlungsbedarf. Aber das so genannte Durchgangszimmer wäre ideal als Bibliothek und - obwohl Dachgeschoss - gibt es fast keine Schräge auf dieser Seite des Gebäudes. Jedes Zimmer hat Fenster und es gibt sogar einen Balkon. Gar nicht so schlecht.

Wir verbleiben - wie immer in solchen Fällen - das wir über Nacht darüber nachdenken. Ich verspreche bis morgen den Fragebogen auszufüllen. Inzwischen bin ich ja schon etwas schlauer geworden und weiß worauf am Meisten geachtet wird (Einkommen) und wie ich das - ohne direkt zu lügen - umgehen kann.

Eine Woche Deutschland. Ich bin wie immer früh wach und mache mir Gedanken zu den Wohnungen, ob ich diese möchte oder nicht. Bewerben werde ich mich, ich weiß ja nicht, ob ich überhaupt genommen werde. Und klar, sie sind Altbau und werden mit Gas beheizt (was ich immer so ein bisschen 'unangenehm' finde). Auch sind sie im dritten Stock, wobei die letzte Treppe extrem steil ist und Clyde diese weder hoch noch runtergehen wird. Das würde ein bisschen umständlich werden - gleichwohl auch das nur Gewohnheitssache ist. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, so gerne ich bei meinen Eltern bin, dass ich doch gerne eine Platz für mich alleine hätte. Ich möchte irgendwo ankommen ...

Ich habe an diesem Morgen ein kleines Tief. Ich bin mir auf einmal gar nicht mehr sicher, ob ich das alles so hinkriege, wie ich mir das vorstelle. Das mit Clyde wird wohl komplizierter bzw. umständlicher als gedacht. Oder mache ich mir den Stress selber? Aber ich will die Hoffnung noch nicht aufgeben. "Es ist unerhört schwer, neue Wege wirklich zu gehen, nicht bloß neue Gedanken auszusprechen. "

Nachdem ich den Vormittag mit Bewerbung schreiben verbracht habe (ich sage immer, das ist wie mit Schrott schießen, irgendwann trifft ein Kügelchen), kommt mein Freund Hubert mich abholen. Er hatte mir einen Vorschlag gemacht, den ich nicht ablehnen konnte. Über seine kleine Firma hat er natürlich auch Firmenwagen. Durch eine Umstrukturierung auf Grund der Auftragslage, musste er sich ein zusätzliches Auto zulegen und hat nun sozusagen zu viele. 'Überflüssig' ist ein kleiner KIA und den kann ich nun vorerst fahren. Wir haben vereinbart, dass ich ihm die monatlichen Kosten erstatte, der Wagen aber auf ihn gemeldet bleibt. Ganz davon abgesehen, dass ich ja noch keinen Wohnsitz zur Anmeldung habe, erspart es mir die umständliche Suche nach einen Auto und Versicherung. Was wäre der Mensch ohne gute Freunde!

Da das Wetter immer noch winterlich ist und der KIA nur Sommerreifen hat, fällt die Probefahrt etwas kürzer aus. Aber ich bin begeistert. Klein, handlich, sparsam. Genau was ich brauche und nun bin ich mobil ... und das alles in der ersten Woche!

... Fortsetzung folgt ....

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen