»Ey, es wär' schön
blöd, nicht an Wunder zu glauben…«
Seit ich den Song von Wincent Weiss heute Morgen im Radio
gehört habe, gehen mir diese Liedzeilen nicht mehr aus dem Kopf. An Wunder
glauben …
Denken wir nicht alle hin und wieder mal: Ach, jetzt ein
Wunder – und dann ist alles gut! Aber ist – genau betrachtet - nicht schon
alles gut (also bis auf unsere alltäglichen Herausforderungen)?
Ich frage mich, was ist eigentlich ein Wunder?
Nun, zunächst denken wir da vielleicht an die in der
Bibel beschriebenen "Wunder", so etwas wie die Speisung der 5000. Wer
sich besser in besagtem Buch auskennt, dem fallen sicher noch mehr ein. Aber
mir ist das ein wenig zu realitätsfern.
Also bemühe ich den Duden. Hier steht: außergewöhnliches,
den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der
unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlichen Kräften
zugeschriebenes Geschehen, Ereignis, das Staunen erregt.
Und die etymologische, also vom Wortstamm des Begriffes
ausgehende Deutung des Wortes Wunder (althochdeutsch wuntar) gehört vielleicht
zu indogermanisch "uen" (verlangen). "Wunder" wäre dann
verwandt mit "Wunsch"…
»Die Zeit, die wir
damit verbringen, auf Wunder zu warten, sollten wir dazu nutzen, ihnen den Weg
zu bereiten.« (Lilli U. Kreßner)
Ich merke, ich bin doch sehr Realist und eher ein
Vertreter der These: Jeder ist seines Glückes Schmied! – Also, nimm es selbst
in die Hand. Das heißt dann, nicht hinsetzten und auf Wunder warten, sondern
tun. Hm. Klingt bisschen unromantisch, oder?
Und wenn ich ehrlich bin, so tief in mir drin, steckt ja
eine Romantikerin und die möchte schon gerne an Wunder glauben …
Aber was verstehe ich nun darunter? Und wie würde ein
solches Wunder für mich aussehen? Dass plötzlich ein Sack voll Geld vom Himmel
fällt oder ich im Lotto gewinne? Ich plötzlich einen aufregenden Job habe, der
auch noch Spaß macht, gut bezahlt ist und mit wenig Arbeitsstunden? Oder doch
eher, dass ich meinen Traumprinzen finde, der mit mir auf seinem weißen Pferd
davonreitet?
Woran würde ich denn überhaupt erkennen, dass über Nacht
ein Wunder geschehen ist (Wunder haben das ja so an sich, dass sie ganz
plötzlich da sind)? Woran würden die
anderen erkennen, dass sich für mich das Wunder ereignet hat? Ich meine hier
natürlich kein Fußball-Wunder, Wirtschafts- oder Weltwunder, sondern ein ganz
persönliches, für mich. Was würden meine Freunde zu mir sagen, wenn das Wunder
eingetreten ist, ein Problem gelöst ist? Was wäre anders, wenn das Wunder
geschehen wäre?
Ich glaube an dieser Stelle lohnt es sich doch nochmal
darüber nachzudenken, dem nachzuspüren, was denn ein ganz persönliches Wunder
wäre. »Etwas, was in seiner Art, durch sein Maß an Vollkommenheit das Gewohnte,
Übliche so weit übertrifft, dass es große Bewunderung, großes Staunen erregt.«
Wünsche habe ich schon ein paar. Aber das sind – wenn ich
es genau betrachte – alles Dinge, die ich mit etwas Anstrengung hinbekommen
kann – ohne dass ein Wunder geschehen müsste.
Brauche ich da Wunder überhaupt? Oder wäre es das Wunder,
wenn ich meine Ziele erreiche ohne mich groß anstrengen zu müssen? Aber würde
sich das Erreichen dann noch gut anfühlen? Gleichwohl, so ein bisschen
einfacher dürfte es sich hin und wieder schon gestalten.
So möchte ich doch gerne davon überzeugt sein, dass es
Wunder gibt, dass Wunder geschehen...
Ich glaube, um Wunder zu erleben, muss man auch nicht
besonders wundergläubig sein. Aus heiterem Himmel kann man Wunder erleben,
überraschend, man hat überhaupt nicht damit gerechnet, es lag nicht im Bereich
des Wahrscheinlichen. Doch ein Wunder über Nacht?
Veränderungen finden oft sprunghaft statt. Um sie nicht
nur zu erleiden, wie zum Beispiel ein "blaues Wunder", lohnt es, sich
Gedanken zu machen, was denn anders sein könnte, anders sein sollte. Und zwar
nicht nur vage und als Traum, Utopie oder unerfüllbarer, unrealistischer
Wunsch.
Vielleicht kann mir die Wunderfrage einfach dabei helfen,
meine Ziele noch klarer zu erkennen. Dann weiß ich, wo ich hin will. Dann ist
mir klar, wie die Welt um mich herum sein sollte. Es fällt leichter zu
entscheiden, was wichtig(er) ist. Unter dem Aspekt wäre es schon möglich an
Wunder zu glauben
Leben heißt, Entscheidungen treffen. In jedem Augenblick.
Wir sind frei, auf die Zukunft hin zu handeln, die wir uns wünschen. Die
meisten von uns sind Realisten genug, dass diese Wünsche nicht himmelblau oder
rosarot sind. Und vieles regelt sich von selbst, wenn wir die nötige Geduld
aufbringen. Aber wenn sich etwas nicht von selbst zum Guten wendet, müssen wir
die Initiative ergreifen. Es liegt auch an uns, etwas Gutes daraus zu machen.
Da kommt mir der Spruch in den Sinn: »Gott, gib mir die
Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu
ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, dass eine vom anderen zu
unterscheiden.« Ich denke, dann können auch Wunder geschehen...
Ja, wir wären schön blöd, nicht an Wunder zu glauben …
Hilde Domin hat in einem schönen Gedicht davon
geschrieben, dass wir auch bereit sein müssen, dafür das Wunder kommen …
meiner Stärke und
Kraft
da setzte ich mich
zu
meiner Angst und
Verwirrung
meinem Neid und
Hass
meiner Armut und
Verzweiflung
meinen Wunden und
Tränen
und versuchte sie
anzusehen und
hineinzuspüren und
auszuhalten und
zu verstehen
und manchmal zeigte
ich
ein wenig von
meiner Angst oder
Verwirrung
meinem Neid oder
Hass
oder
ich sprach von
meiner Armut oder
Verzweiflung
meinen Wunden oder
Tränen
du bist stark
wiederholten sie
du hast viel Kraft
wiederholten sie
und ganz
langsam
fing ich an
zu begreifen
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten
In diesem Sinn, wünsche ich einen Wunder-vollen Tag.
As always, thank you for your time.
Wiebke
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