Das Glück einfangen



Einen Cartoon zu beschreiben ist ungefähr so lustig wie einen Witz zu erklären. Ich versuch’s trotzdem, also: Da ist ein Mädchen, das barfuß in der Nacht steht und die Schürze aufhält. Genau wie im Märchen von den Sterntalern, eine Goldmarie also. Und aus dem Nachthimmel fallen tatsächlich goldene Sterne. So weit, so bekannt.
Aber dann kommt der Unterschied, der das Ganze kippen lässt: Die Goldstücke fallen eben nicht in die Schürze, sondern – daneben. Und was tut das Mädchen? Statt ganz schnell einen großen Schritt zur Seite zu machen, um die goldenen Sterne aufzufangen, bleibt sie stehen wie aus Marmor und schaut nur völlig frustriert zur Seite, dorthin, wo sie nicht ist, während es Gold regnet.
Der Zeichner Peter Gaymann hat das bekannte Märchen so verfremdet, dass es etwas zu lachen gibt, und ich amüsiere mich gern über diese Idee. Und wie bei jedem guten Witz lache ich dabei auch ein bisschen über mich selbst. Das ungeschickte Sterntalermädchen, das nicht sieht, worin sein Glück liegt, ich kenne es persönlich. Ich kenne die Unfähigkeit, einen Plan, der sich dann doch nicht verwirklichen lässt, aufzugeben. Ich kenne die innere Lähmung, die mich daran hindert, mich zu verändern und weiter zu gehen, wenn es Zeit ist. Und ich kenne die beleidigte Bockigkeit, wenn ich meine, ich hätte eigentlich etwas Besseres verdient als das, was das Leben mir gerade so bietet. 


Das Märchen von den Sterntalern will sagen: Hab keine Angst, du bekommst schon genug. Und der Zeichner ergänzt, gleichsam mit einem Augenzwinkern: Aber du musst schon auch bereit sein, dort zu suchen, wo die Schätze vom Himmel fallen. Und du musst sehen lernen, dass es tatsächlich Taler des Glücks sind, auch wenn du’s ihnen nicht unbedingt gleich ansiehst.
Meine Aufgabe heißt da: das Leben zu den Bedingungen des Lebens annehmen – und nicht meinen, ich könnte dem Leben meine Bedingungen diktieren. Was ich aber durchaus kann, ist aus den Bedingungen, die ich bekomme, das Beste für mich herauszuholen. Und dies nicht in dem ich stehe und warte, sondern dafür auch mal ein Schritt zur Seite tue.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen