Es gibt Dinge, von denen sagt man - manchmal
leichtfertig - man würde sie irgendwann gerne mal tun ... Oft bleibt es bei
dieser Aussage bis es zu spät ist. Erst ist man vielleicht zu jung oder hat
kein Geld oder das alltägliche Leben kommt einfach immer dazwischen. Und dann
ist man plötzlich zu alt oder zu krank … oder hat den Wunsch vergessen.
Manchmal wird so ein Wunsch auch
Wirklichkeit. Dann stellt man bei Erfüllung fest, dass es doch nicht so toll
war, naja, Haken dran nie wieder.
Aber es gibt auch diese anderen Wünsche …
Als ich nach meiner Therapie den Weg
einschlug, meine Persönlichkeit zu stärken und neue Wege zu leben suchte,
besuchte ich viele Seminare. Las Bücher, sprach mit Menschen, die es schon weiter
gebracht hatte im Leben. Und hier meine ich nun nicht eine Karriere im
klassischen Sinn, sondern eher in Ihrer persönlichen Entwicklung. Ich lernte
sehr viel darüber, wie ich meinem Leben Sinn geben kann.
Ein Thema tauchte da immer wieder auf: sich
Ziele setzen. Die Herangehensweise an eben diese ist ganz unterschiedlich, je
nachdem um was für ein Ziel es sich handelt. In diesem Zusammenhang lernte ich
auch, was eine sogenannte Bucketlist ist. Auf Deutsch, eine Löffelliste. Auf
diese schreibt man all die Dinge, die man eben gerne noch tun würde, sich
wünscht, bevor man den Löffel abgibt - sprich stirbt.
Natürlich legte auch ich mir eine solche
Bucketlist zu. Und penibel wie ich manchmal bin, gleich eine, auf der ich
relative gut definierte ‚was‘ und ‚bis wann tun?‘.
Nun, das Leben geht weiter und ich gebe zu,
ich pflegte die Liste nicht wirklich. Aber sie existierte. Und als ich kürzlich
auf meine Löffelliste von 2005 schaute, staunte ich. Ich stellte fest, dass ich
doch schon einiges davon ‚abgearbeitet‘ habe., z.B. nach USA auswandern, meine
Pilgerreise, ein Buch schreiben und viele kleinere Wünsch/Ziele.
»Ein Wunsch
ändert nichts, eine Entscheidung ändert alles.«
Es gibt Dinge, die man sich wünscht, aber
irgendwie glaubt man selber nicht so recht daran, dass sie je in Erfüllung
gehen oder das man es wirklich tun wird. Es gibt andere Dinge - zumindest bei
mir - von denen ich überzeugt bin, sie irgendwann einmal zu tun. Zur letzteren
Kategorie gehört ein Tandemfallschirmsprung (https://de.wikipedia.org/wiki/Tandemsprung).
Etwas wovor ich den größten Respekt hatte (und immer noch habe), aber es
durchaus für machbar hielt. Aber ich gebe zu, so richtig angegangen das in die
Tat umzusetzen bin ich nie. So ein 'Traum' noch vor sich zu haben, hat ja auch
etwas - nämlich als ein Ziel auf das man zugehen kann.
Mein Freund Helmut hatte diesen Wunsch auch
auf seiner Liste. Und er beschloss, es nun einfach zu tun. Als er mir davon
erzählte war ich ehrlich gesagt ziemlich neidisch. War doch auch einer meiner
Wünsche. Ich mach das auch irgendwann mal … Zum Glück hat Helmut nicht
vergessen, dass auch ich immer diesen Wunsch hatte und so hat er, als er einen
Gutschein für einen ermäßigten Sprung erhielt, mir diesen überlassen. Eine
Chance, die ich mir nicht entgehen lassen konnte. Und ich griff beherzt zu.
Nun war es an mir, einen Termin festzulegen.
Am liebsten gleich und doch erst in späterer Zukunft. Letzteres weil ich doch
auch schon ein bisschen Angst davor hatte. Nun, meine gesundheitlichen Probleme
im Frühling dieses Jahrs bremsten mich erstmal etwas aus. Aber als ich das
Gefühl hatte, nun geht es mir wieder gut genug, buchte ich mir einen Termin:
18.8.18. Ein schönes Datum für solch ein Vorhaben!
Doch wieder einmal kam das Leben dazwischen. An
diesem speziellen Samstag musste ich zuhause bleiben und Krankenschwester für
meinen Hund Clyde sein. Der hatte kurz vorher eine größere Zahnoperation und
war noch völlig durch den Wind. Aber ein Anruf beim Veranstalter - Skydive Bad
Saulgau - und ein nettes Gespräch mit Juliane, die dort das Büro verwaltet,
klärten das schnell. Ich konnte den Termin problemlos auf den nächsten Samstag
verschieben. Super.
Vor dem ersten Termin hatte ich überhaupt
keine Zeit darüber nachzudenken, da ich damit beschäftigt war, mich um meinen
Hund zu kümmern. Aber jetzt ging es ihm wieder gut. Im Büro herrscht
Sommerflaute und auch sonst gibt es wenig Ablenkung. Also dachte ich mit
ziemlichem Herzklopfen immer wieder an Samstag. Was wohl auf mich zukommt? Wird
das Wetter gut genug sein, dass der Sprung klappt (ich habe in der Woche
gefühlte tausendmal auf die WetterApp am Handy geschaut). Werde ich mich
letztlich trauen?
Immerhin hatte meine Freundin Sabine zugesagt
mitzukommen und ich war froh ein wenig moralische Unterstützung zu bekommen.
Die Nacht ist eher unruhig, wie sich der
geneigte Leser sicher vorstellen kann. Nicht das ich mir irgendwelche
Schreckensszenarien ausmale - ich bin schlicht aufgeregt. Clyde spürt das immer
gleich und prompt muss er zweimal spucken. Toll.
Der Samstag kommt. Clyde geht es am Morgen
besser und so steht meinem Ausflug nach Bad Saulgau nichts mehr im Weg. Nachdem
ich den Kleinen bei meinen Eltern abgeliefert habe, halte ich auf dem Weg noch
beim Bäcker an. In der Früh hatte ich nichts essen können und auch jetzt kriege
ich keine Bissen runter. Aber später vielleicht.
Erstmal nach Plattenhart um Sabine abzuholen.
Die hat vor lauter ‚ich muss pünktlich am
Treffpunkt sein‘, ihr Handy in der
Wohnung liegen lassen und muss erst nochmal zurück. Aber wir sind – wie es eben
meine Art ist - wirklich zeitig dran und somit alles gut.
Auf der eineinhalb stündigen Fahrt bin ich
froh, dass sie dabei ist. Wir quatschten die ganze Zeit, was mich von der Vor-Aufregung
ablenkt – zum Glück nicht vom Fahren. Und so
kommen wir gegen 8.20 am Flugfeld
an. Schnell stellen wir fest, es ist noch nicht viel los - gerade erst trudelt
das Personal ein. Also stehen wir erstmal bisschen planlos rum, bis wir Juliane
im Büro entdecken. Die Nervosität steigt. Ich muss noch einen Zettel mit meinen
Daten ausfüllen und unterschreiben, dass ich mir über die Risiken bewusst bin.
Sabine steht neben mir und sagt lapidar (und unbedacht): ‚Ach ich hätte das
auch mit dir planen sollen und springen.‘ Juliane daraufhin: ‚Wir haben noch
einen Platzt frei, wenn du möchtest.‘ Oh. Sabine wird erstmal etwas blass um
die Nase. Ich: ‚Klar, mach‘ doch, ist die Gelegenheit.‘ Sabine zögert, was ich
nachvollziehen kann. Das überfordert einen erstmal total. Juliane meint: ‚Nimm
dir fünf Minuten zum drüber nachdenken.‘
Wir erstmal aufs Clo – und sprechen darüber.
Sabine würgt recht schnell ihre eigenen Ausreden ab, und wir kommen zu der
(nicht sehr fernliegenden) Erkenntnis: Wann bekommt man so eine Gelegenheit
wieder? Allerdings ist da ja auch die Sache mit den Kosten. So fragt Sabine
nach dem Preis und Juliane macht ein gutes Angebot. ‚Okay, ich mach's ... ‚ – gesagt,
getan.
Nicht nur ich beneide Sabine in dem Moment,
dass sie im Prinzip keine Zeit gehabt hat, sich großartig Gedanken zu machen
(ich erinnere an meine tagelange Nervosität). Die umherstehenden anderen
Passagiere nicken zustimmend, als ich ihr das sage.
Jetzt wird es ernst. Zunächst eine Einweisung
von Boonie - seines Zeichens Tandemmaster. Er erklärt uns genau den Ablauf, was
passiert und was wir zu tun haben (wir dürfen auf dem Bauch liegend schon mal
üben). Anschließend werden wir einem Tandemmaster zugeteilt, dann in einen
Overall eingekleidet. Und letztlich dann das Gurtzeug angeschnallt, mit dem wir
später am Tandemmaster festgehakt werden sollen. Alles richtig gut festgezurrt
und schon geht es in Richtung Flugzeug. Ein hübsches buntes Ding mit dem Namen FINA.
Eine treue Seele, wie mir mein Tandemmaster Boonie versichert. Nun, ich bin ja
schon oft geflogen und auch in kleineren Maschinen, aber es ist doch immer
wieder ein Erlebnis, wenn diese abheben.
Wir sitzen auf einer Art Bank, Tandemmaster –
Passagier hintereinander, schön aufgereiht. Höher und höher geht es hinauf.
Netterweise redet Boonie die ganze Zeit mit mir, so, dass ich nicht großartig
dazu komme, darüber nachzudenken was mir bevorsteht. Da der Tag eher wolkig und
ein wenig trüb daher kommt, können wir zwar den Bodensee, aber nicht die Alpen
sehen. Aber wen interessieren die Alpen, wenn man vor einem Sprung aus einem
Flugzeug steht (bzw. sitzt) …
Halbzeit auf dem 15-minütigen Weg auf 4000 m
Höhe. Ich bekomme nochmal den Ablauf erklärt und was ich tun muss. Dann werde
ich festgehakt - am Tandemmaster. Kappe aufsetzen, Schutzbrille und schon
rutscht das erste Doppel zum kleinen Rolltor. Gleich darauf wird es geöffnet
und ein heftiger Luftzug ist zu spüren. Oje, auf was habe ich mich da bloß
eingelassen?
Keine Zeit zum Nachdenken, schon sind die
ersten zwei draußen und wir an der Reihe. Zum Tor rutschen… und ehe ich so
richtig begreife was passiert, fliege ich. Wahnsinn!
Unter mir nur eine dünne Wolke. Ich spüre den
Regen wie kleine Eiskristalle im Gesicht ... und schon sind wir durch. Vor uns –
bzw. unter uns - die weite Landschaft. Wow. Ein Schrei, glaube ich, aber den
hört hier oben eh niemand. In diesem Moment - das wird mir hinterher klar -
fühle ich die absolute Freiheit. Arme ausbreiten und fliegen. Eine Minute
freier Fall. Unbeschreiblich!
Schon klopft mir Boonie auf die Schultern,
das Zeichen die Hände wieder an den Gurt zu legen. Ein kleiner ruck - den ich
mir ehrlich gesagt viel heftiger vorgestellt hatte - und wir schweben. Herrlich
dieser Anblick auf die Welt von oben. Aus einem Flugzeug ist das ja schon
faszinierend, aber so frei in der Luft hängend - nochmal eine ganz andere
Sache. Alles erscheint klein und nichtig und nur der eine Augenblick zählt. Was
für ein Geschenk!!!
Natürlich darf ich auch mal 'lenken' und ein
paar Kurven fliegen (Achterbahn ist nix dagegen). Absolut faszinierend. Doch
wirklich beschreiben, was da in mir – und mit mir - passiert, fällt schwer. Das
muss man einfach selbst erleben…
Viel zu schnell kommt der Boden näher. Nein,
nicht das wir stürzen, aber ich könnte ewig so weiterfliegen! Doch schon gibt
Boonie das Kommando die Knie anzuwinkeln und die Beine auszustrecken - die
Position zur Landung. Sanft kommen wir auf dem Boden auf. Total begeistert kann
ich gar nicht aufhören zu sagen wie genial das war und bedanke mich bestimmt 20-mal
bei meinem Tandemmaster. Noch in Montur macht Juliane ein Erinnerungsfoto, das
später auf die Urkunde kommt.
Dann heißt es schon entgurten und den Overall
ausziehen. Aber irgendwie bin ich in Gedanken noch gar nicht wieder am Boden. Und
das Adrenalin pumpt noch fleißig durch meine Adern. Total geflashed!
Auch Sabine kommt heil unten an und ihr geht
es genauso. Es dauert eine Weile, bis das System so halbwegs wieder im
Normalmodus ist - wobei ich das Gefühl habe, das wird es irgendwie nie mehr so
ganz. Zumindest ist es nicht wie vorher. Wieviel in fünf Minuten doch passieren
kann.
Realisieren kann ich das Ganze sowieso erst
so richtig im Nachhinein.
Interessant auch, wie schnell ich mich den
Menschen dort irgendwie „verbunden“ fühle. Ich glaube das liegt daran, da dies
ein so intensives Erlebnis ist. Und ich hatte von Anfang an volles Vertrauen zu
meinem Tandemmaster - was auch nötig ist.
Sicher ist: ich werde es wieder tun, wieder
springen. Dieses Gefühl ist mit nichts zu vergleichen, das ich je erlebt habe.
Mit Abstand. Das Erlebnis hat wohl etwas in mir geweckt. Eine Sehnsucht vielleicht…
Danke an dieser Stelle an das Team von
Skydive Bad Saulgau (http://www.skydive-saulgau.de), die uns dieses ermöglicht
haben! Ich komme wieder, bald!
Nachgedanke … viel zu oft schieben wir unsere
‚ich würde gerne mal‘ auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt. Wir
entschuldigen dies vor uns selbst damit, dass das Leben eben gerade mal dazwischenkommt
und finden genug Ausreden, um es vor uns selbst glaubhaft zu machen. Aber so
ist es nicht. Ich habe mal wieder gelernt, das Leben ist jetzt. Und so ein
Erlebnis kann mir keiner mehr nehmen. Es vergammelt nicht oder rostet, es geht nicht
verloren. Es bleibt. Und davon gibt es nicht so viel, oder?
»Wer
immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.« (Henry
Ford)
As always
thank you for your time
Wiebke
PS: ah ja, da ich ja nun einen Punkt auf
meiner Bucketliste abhaken kann, kommt ein neuer drauf: ein Solospung ;-)
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