Meine Zeit - Mitten im Leben ...


... oder Nachtrag zur Veranstaltung vom 11.02.2019.

So, nun ist es schon eine Woche her, dass ich meine kleine – aber feine – Vortragslesung veranstaltet habe. Ein durchweg gelungener Abend und ich freue mich riesig über die vielen Komplimente die ich bekommen habe. Mit anderen Worten, wer nicht dabei war, ist selber schuld!

Und, ich habe mal wieder viel gelernt ….
Zum einen etwas über die Erwartungen, die wir an die Welt stellen. Wir möchten immer so gerne, dass diese die dann auch erfüllt und wenn es nicht so ist, sind wir enttäuscht. So eine Enttäuschung kann verletzten – oder uns (mich) stark machen. In diesem Fall, hatte ich natürlich gehofft, dass Unmengen an Zuhörer kommen (ich hatte – ganz wie gelernt – auch eine konkrete Zahl im Kopf). Nun, es kamen letztlich etwa die Hälfte davon. Die anfängliche Enttäuschung verflog aber bald, da diese Menschen wirklich zuhörten und dabei waren, als ich sie auf meinen Camino mitgenommen habe. Eine unglaubliche (gespannte, gerührte) Stimmung. Und das hat letztlich alles wettgemacht! Erwartungen sind gut, aber sie müssen nicht erfüllt werden um ein glanzvolles Ereignis zu haben.

Zum anderen ist es der Anspruch, den wir an uns selbst stellen. Diese ist ganz sicher eine sehr treibende Kraft, die unser Leben stark beeinflusst. Klar, ist dieser Anspruch zu hoch, können wir durchaus daran zerbrechen. Und ist er zu niedrig, leben wir vielleicht ein Leben, in dem wir uns mehr Sinn, mehr Erfüllung und mehr Abenteuer wünschen. Wenn unser Anspruch an uns selbst dagegen ein etwas ehrgeiziger ist, und zwar auf eine gesunde Art, dann kann uns das beflügeln, motivieren und die Kraft geben, zu dem zu werden, der wir sein können.
Mein Anspruch an mich selbst war es im Falle meines Vortrages, dass diese 100% reibungslos verläuft und ich die Zuhörer ‚einfangen‘ kann, faszinieren und motivieren. Ehrgeizig, sicherlich. Kann ich (Konnte ich) diesem Anspruch genügen? Schön wär’s, denn ich selbst finde immer etwas, das ich hätte besser machen können. Aber – mein learning - ich bin zufrieden, wenn ich das Gefühl habe, dass ich in der richtigen Richtung unterwegs bin. Denn der Anspruch an uns selbst ist ja kein klares Ziel, das es zu erreichen gilt. Unser Selbstanspruch wirkt eher wie ein Leuchtturm, dem ich mich immer wieder zuwende. Oder man könnte auch sagen, dass unser Anspruch wie eine Messlatte ist, an der ich mein eigenes Leben messen will. Und abends vor dem Schlafen gehen kann ich mich fragen: Bin ich meinem Anspruch an mich heute gerecht geworden? Und ein klares ‚Ja‘, lässt mich friedlich ins Land der Träume entschlummern …


Nun, wie auch immer, mir gehen die Ideen ja nicht so schnell aus. Und so habe ich bei der Veranstaltung nicht nur aus meinem Buch »Manchmal muss man einfach weiterlaufen« gelesen, sondern auch Bilder ausgestellt und meine kreativen Lesezeichen feilgeboten (siehe Bild).

Außerdem gibt es ein neues Buch »Meine Zeit – Mitten im Leben«. Es enthält fast 300 kurze Texte von mir, die ich im Laufe der letzten Jahre für unser örtliches Amtsblatt geschrieben habe. Da die ‚Kolumne‘ eine Plattform für den Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe ist, handeln viele Texte natürlich von und über den Umgang mit und ohne ein Suchtmittel. Aber auch von allem anderen, was das (abstinente) Leben so ausmacht. Wer Interesse hat, einfach eine PN an mich. Kosten sind €20 plus Verpackung und Versand (€ 3).
Nachstehend eine Kostprobe:

Erwartungen
Was macht uns wirklich unglücklich? Es ist nicht der Partner und nicht der Chef. Nicht das fehlende Geld oder die laute Wohnung. Wobei dies natürlich alles Faktoren sind, die einen gewissen Unmut auslösen können. Doch die wahre Ursache für diesen ‚Stress‘ liegt woanders. Die wahre Ursache liegt in uns drin. Denn das, was uns unglücklich macht sind unsere Erwartungen. Nichts weiter.
Was mich enttäuscht ist nicht der andere Mensch, der dies und jenes nicht tut. Was mich enttäuscht ist meine Erwartung, die ich an sie oder ihn hatte und die nicht erfüllt wurden. Dies gilt im gleichen Maße für die Erwartungen, die ich an mich selbst stelle.
Was mich unzufrieden macht – in jeglicher Hinsicht – ist immer die Diskrepanz zwischen dem, was ich erwarte und dem was wirklich ist. Und wenn Du sehr hohe Erwartungen hast – egal ob an Dich selbst oder andere, dann ist es kein Wunder, wenn Du oft unglücklich, unzufrieden bist.
Deswegen: Lass Deine Erwartungen los bzw. erwarte nicht, dass etwas passiert. Das heißt es jetzt aber nicht, dass Du nur noch auf der Couch sitzen und nichts mehr tun sollst. Es ist immer noch wichtig etwas für sich zu tun und Ziele zu haben. Aber knüpfe daran keine Erwartungen. Arbeite auf etwas hin, genieße den Weg. Aber erwarte nicht, dass Dir ein anderer den roten Teppich ausrollt.
Wir, das sind Betroffene und Angehörige, rollen auch keinen roten Teppich aus, aber wir unterstützen uns gegenseitig auf dem Weg in ein abstinentes Leben. Jeder ist willkommen! (wb)


Jeder weint seine eigenen Tränen
Ich sitze beim Frisör, muss warten und blättere um mir die Zeit zu vertreiben durch die einschlägigen Zeitschriften. Ein kleiner Artikel erregt meine Aufmerksamkeit. Hier geht es um einen Menschen, der durch seinen Alkoholkonsum fast alles verloren hat und das der doch gar keinen Grund zum Saufen hatte. Warum? Es wird mehrfach erwähnt, dass dieser potentiell Suchtkranke, nicht nur ein hohes Einkommen, eine tolle Frau und ein schickes Auto hat, nein er ist auch ein Manager im höchsten Rang.
Mir kommt der Satz in den Sinn: ‚Die Sucht macht vor niemandem Halt!‘ Und mit diesen Gedanken die Frage: Ist nun die Lebensgeschichte schlimmer, von der Frau, die als Kind misshandelt wurde, in verlotterten Verhältnissen aufwuchs und dann noch einen Säufer als Ehemann hatte … bringt man hier das Verständnis auf, dass Sie drogenabhängig wurde?
Und ist der Mensch, der es eigentlich gut hatte, in einer behüteten Kindheit aufwuchs, dem es nie an finanziellen Mitteln mangelte, aber der einfach nicht mit dem Leben zurechtkam, einfach nur willensschwach, wenn er zur Flasche greift?
Er hätte doch alles haben können, die andere dagegen hatte keine Chance.
Ist der mehr krank, der schon alles verloren hat und der weniger, der zwar irgendwie den Alltag auf die Reihe kriegt, aber nicht mehr ohne Suchtmittel auskommt?
Ich glaube nicht, denn jeder von uns hat sein ganz eigenes Paket zu tragen. Muss mit seinen Lebensumständen zurechtkommen. Nicht alle Schultern sind gleich breit …
Doch ich bin davon überzeugt: Auch in der schlimmsten Situation, gibt es noch Kraft in uns. Wir müssen sie nur finden und vor allem gebrauchen. Und das beginnt in dem Moment wo wir mit dem alten Leben abschließen, uns aussöhnen. Dann hat jeder die Chance, Suchtmittelfrei und zufrieden zu leben. (wb)

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