Was tut man wenn man nichts tut? ... Teil III

Ich sprach nicht mit der Lehrerin, aber ich reiste auch nicht ab. Mir wurde sehr bewusst, dass es eine wichtige Stufe auf der Leiter zum naechsten „Level“ ist. Was waere das Leben denn ohne neue Erfahrungen, auch wenn diese nicht immer besonders angenehm sind. Denn genau daran wachsen wir doch. Ich dachte an meine Wanderung, da hatte ich auch ganz schoene Durchhaenger. Dort sagte ich mir, heute laufe ich mal ein paar Kilometer und morgen sehe ich weiter. Ganz im Augenblick. Der Unterschied ist, dass ich auf der Wanderung, wenn ich einen solchen Durchhaenger hatte, die Moeglichkeit hatte z.B. mit Helmut zu telefonieren. Der hat mich dann aufgemuntert. Hier bin ich mit mir alleine, aber ich erkenne, das ist gut so!
Mir fiel noch eine Parallele zu meiner Pilgerreise auf, meine Traeume sind auch hier sehr intensiv. Fast noch realistischer gewisser Weise oder genauer gesagt, sie scheinen mehr mit der Realitaet zu tun zu haben. Vielleicht einfach, weil ich hier eben keine Ablenkungen habe und sich die Welt des Moments einfach nur um meine ureigene Achse dreht. So kommen dann auch die Bilder nur aus mir selbst heraus, bezugnehmend auf die Dinge die mich bewusst oder unbewusst beschaeftigen.

Zum Beispiel traeumte ich zwei Naechte hintereinander davon, dass ich ein „Ermittler“ sei. Im Traum war es natuerlich ein wenig konfus, aber als ich hinterher daruber nachdachte, machte es durchaus Sinn. Ich meine, die „Arbeit“ die ich hier tue ist auch eine Art ‚Ermittlung’; ich finde etwas heraus – ueber mich.

Oder (in Kurzfassung) ich traeumte, dass ich auf eine Party ging. Diese hatte das Motto schwarz/weiss, aber davon wusste ich nichts. Also kam ich mit einem knallbunten Kleid an. Sofort fuehlte ich mich komplett fehl am Platz und gab dem Gastgeber die Schuld, mich nicht richtig informiert zu haben .... Als ich nach diesem Traum aufwachte, fiel mir ein, was in mir vorging als ich die Broschuere des Vipassana Meditation Retreat Centers gestern noch mal durchgelesen hatte (dieselbe, die ich schon online mindestens zwanzig mal studiert hatte). Naemlich, das es mir schien, als stuenden nun Dinge drin, die vorher nicht dort standen. Was natuerlich nicht stimmt, ich habe sie aber wohl nicht so sehen wollen. Ich hatte ein Vorstellung von dem was mich hier erwartet und eben diese habe ich dort heinein gelesen (hatte im Traum das Kleid fuer die Party gekauft, ohne mal nachzufragen, ja sogar ohne es vorher anzuprobieren ...) ...

Nun, es kam Tag sieben. Und mit diesem Tag mein persoenlicher ‚Durchbruch’: ich glaube ich war noch nie oder sehr selten in meinem Leben so ich.

Meditationshalle
Bevor die morgendliche Meditationsstunde began, stand ich noch einen Moment am Pond und liess den Wind durch mich durchblasen. Ich genoss einfach den Moment, der – wie mir nun auch gefuehlsmaessig klar wird – nie wieder kommt. So verharrend, kamen mir Textstuecke des Songs ‚Unwritten’ in den Kopf: <> … und mir stiegen die Traenen in die Augen. Aber es waren willkommmenen Traenen, da mir bewusst wurde, nicht im Verstand, sondern im Gefuehl: Alles ist gut! Und – so abgedroschen dies auch klingen mag – als die Sitzung begann, fuehlte ich mich „eins“ mit mir und meiner Welt. Ploetzlich erkannte, fuehlte, ich meinen Weg. Den, den ich schon zurueck gelegt hatte. Wie weit ich doch schon gekommen bin; und der Weg, der vor mir liegt, vieles noch im Dunkeln aber trotzdem klar erkennbar. Was ich tun moechte in Zukunft ... So klar stand es vor mir, dass ich es anfassen konnte. Dann dieser jetzige Moment – vergaenglich wie alle, aber wichtig – ich bin. Und dann wusste ich, das ich aus meinem Schatten getreten bin.

Und meine Rueckenschmerzen? Wie weggeblasen. Reinigung, Kartasis, Synthese. Jetzt verstehe ich was damit gemeint ist!

Nein, ich behaupte nun nicht ich bin erleuchtet und ich werde auch kein Buddhist. Und nein, ich bin immer noch kein Fan von Meditation – obgleich ich es faszinierend finde und inzwischen noch viel mehr Respekt davor habe (vor allem vor der Vipassana Technik). Und ich bin jetzt auch nicht ploetzlich ein besserer Mensch. Aber ich denken, glaube – fuehle – ich bin wieder ein ganzes Stueck gewachsen, ich bin ein bisschen eine bessere Wiebke.

Eine gewisse Ruhe oder eher Gelassenheit, trug dazu bei, dass ich nun viel mehr Freiraum hatte. Vor allem in meinem Kopf. Die Gedanken hoeren naemlich nicht auf. Immer noch war ich mit mir alleine und entsprechend viele davon kamen und gingen.

Zum Beispiel als ich meine mittaeglichen Spazierrunde machte (bei der mir zunaechst einmal ganz bewusst auffiel, das ich viel langsamer ging, viel weniger „getrieben“). Ich sinnierte darueber nach, dass ich, wenn ich wieder zuhause bin, wieder arbeiten gehen darf. Und ich weiss, dass ich aufgrund der Personalsituation mehr Stunden haben werde, was prinzipiell ob des besseren Verdienstes ja nich schlecht ist. Und hier? Hier tue ich den ganzen Tag nichts. Welch ein Luxus! Ich sitze auf meinem Baumstamm und beobachte die Natur, ich laufe meine Runden, ich meditiere. Ich schreiben ein wenig, aber ich habe – geniesse – den Luxus des Nichts tun. Und stelle fest, wie schwer das sein kann. Frage mich dann gleichzeitig: warum um alles in der Welt sollte ich hier weg wollen? Vor allem nachdem ich jetzt an dem Punkt bin, wo ich mir einen eigenen Rythmus goenne, ist es doch schon viel besser. Ich meine, keiner „zwingt“ mich hier zu etwas. Natuerlich gibt es Regeln, aber ich fuege mich ja freiwillig der Disziplin. Und solange ich niemanden stoere, stoert es niemanden! Wie sagt der Lehrer: ‚Learning to see things as they are!’ heisst: ich bin jetzt hier und so ist es. Nicht alles passt mir, aber wann im Leben tut es das schon...
Dies brachte mich auch dazu ueber die Tierwelt hier zu philosophieren; z.B. die Wildkatze, die ich gesehen hatte. Sie lebt absolut im Moment. Sie denkt nicht an das Jagen oder Faulenzen von gestern oder an das Jagen und Faulenzen von Morgen; sie lebt jetzt und „denkt“ an das Jagen und Faulenzen jetzt.
Oder der Erpel, der hier am Teich wohnt. Vorhin beobachtete ich ihn, wie er sich das Gefieder putzte. Bestimmt 15 Minuten lang und er liess sich durch nichts dabei stoeren. In dem Moment gab es scheinbar nichts wichtigeres als das ... beneidenswert.
Beneidenswert sind auch die Schildkroeten. Sie koennen den ganzen Tag ueber regungslos in der Sonne sitzen. Stillsitzen. Der Mensch bemerkt es im Normalfall nicht, aber im Prinzip sitzt man nie wirklich still. Das Unterbewusstsein reagiert auf bestimmte Reize (z.B. Jucken) ganz automatisch. So ist es nicht verwunderlich, wie schwer es einem Menschen faellt, tatsaechlich still zu sitzen. Will sagen, ohne auf diese Reize zu reagieren. Man wuerde meinen eine Stunde sei nicht viel, doch sie kann ziemlich endlos werden. Wer mag kann als kleinen Selbsttest einmal versuchen 10 Minuten vollkommen still zu sitzen. Nur atmen und schlucken, sonst nichts. Ausser man ist passionierter Meditierender, werdet ihr feststellen, das ist gar nicht so einfach. Und dann das mal sechs multiplizieren ...

Nun, mir faellt es inzwischen wirklich wesentlich leichter, auch die Konzentration, das Fokkussieren auf die Technik. Nicht immer, aber es ist gut, das im Tagesablauf feste ‚Uebungsstunden’ sind. Ansonsten ist es naemlich mit meiner Disziplin nicht so weit her.

Aber – zu meinem Trost – bemerke ich, dass es auch anderen nicht immer leicht faellt, still zu sitzen. Waehrend wir in der Halle sind, hoert man – da ja sonst keine Geraeusche sind - immer wieder, wie jemand seine Sitzposition veraendert. Nun, Goenka sagt, man soll sich nicht mit den anderen Studenten vergleichen. Da wir nicht reden und uns auch nicht beachten sollen, ist das nicht schwer. Gleichwohl man die anderen dennoch wahrnimmt, ich zumindest. Aber, ich fuer mich, beneide keinen von ihnen. Weiss ich doch, dass jeder sein Paket zu tragen hat. Ich stelle fuer mich fest, es ist wie immer, wenn ueberhaupt, bin ich selber mein groesster Feind.

Auch dies sagt Goenka: ... nur Du alleine kannst Deinen Weg gehen. Das macht schon auch klarer – fuer mich nun fuehlbarer – was er meinte mit: wenn Du nur um Erleuchtung betest, wird nichts passieren; Du musst selbst die Erfahrung machen, es kann nicht von aussen kommen ... Und wenn es mal nicht klappt, sei nicht verdrossen darueber. Nichts ist wie es bleibt. Alles ist permanent im Fluss und verwandelt sich. Das Leben ist kein in Stein gemeisseltes Wort, das unabaenderlich waere. Nein, es fliesst und veraendert sich stetig. Alles ist vergaenglich im positiven Sinn. Annicca! Darin liegt viel Trost und Hoffnung. Die erlebte Erkenntnis dessen, das alles vergaenglich ist, fliesst, legt mir einen Tuch von Gelassenheit um ....

Ich fuehle mich „erschoepft“ im Sinne von etwas geleistet und „belebt“ im Sinnen von Erkenntnis zugleich.

... Fortsetzung (letzter Teil – wie ich wieder sprechen lernte) folgt ...

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