Von der Angst zum Mut.



»Damit unser Leben schöner werden kann, müssen wir manchmal eine große Angst durchqueren. Aber wenn wir all unseren Mut zusammennehmen und Schritt für Schritt hindurchgehen, werden wir wachsen. Wie eine Blume der Sonne entgegenwächst.« (Jochen Mariss)

 „Man muss stark und unerschrocken durchs Leben gehen. Wer Angst hat, ist ein Feigling.“ Lange Zeit glaubte ich das. Als Kind bzw. Jugendliche, war es ein schlechtes Gefühl, wenn ich an die Grenze meiner Angst geriet, wenn ich einsehen musste: Du bist eben doch ein Angsthase. Mutproben sind da wirksame ‚Spiele‘, um dies schnell herauszufinden. Sozusagen Angstdetektoren. Wurde meine Angst entdeckt, war mir das äußerst peinlich.

Heute weiß ich: das Ideal von der Angstfreiheit ist erstens eine Selbsttäuschung und zweitens eine Lüge. Ich jedenfalls kenne keinen Menschen, der von sich ehrlich behaupten könnte, er sei ganz und gar angstfrei. Die Angst gehört zum Mensch-Sein dazu. Sie ist sogar sehr wichtig. Sie zeigt mir meine Grenzen auf; die Angst sagt mir, wie weit ich gehen darf; wann ein Risiko zu groß wird. Wer diese Stimme nicht hört und versteht, begibt sich leicht in Lebensgefahr.

Natürlich hat die Angst auch eine gefährliche und zerstörerische Seite. Sie kann mich handlungsunfähig machen, lähmen. Zum Beispiel kann sich eine so weit steigern, dass die Prüfung wirklich in einem Desaster endet. Dann ist es gut, wenn ich die Angst in den Griff kriege. Wenn ich ihr etwas entgegensetzen kann.

Ich nehme meine Angst wahr und will sie auch nicht herunterspielen. Doch bemühe ich mich, ihr auch etwas entgegen zu halten.

Das Gegenteil von Angst ist für mich der Mut. Mut nicht im Sinne von Waghalsigkeit, sondern der Bereitschaft zum Handeln. Mut bedeutet: Ich sehe die Gefahr, das Risiko, aber ich weiß, dass ich die Herausforderung bewältigen kann.


Und ich bin überzeugt: Nur wer es versucht, kann es auch schaffen. – Doch wie oft höre ich von Freunden, von Kollegen oder von meinen Lesern:  „Toll gemacht, aber ich kann das nicht“.  Manchmal höre ich diesen Satz sogar von mir selbst.

Doch oft stellt sich dann heraus, dass aus dem „Ich kann das nicht“ mit ein bisschen Mühe und Durchhaltevermögen ein „Ich hab`s geschafft“ wird. „Ich kann das nicht“ ist so schnell gesagt. Und häufig stimmt es gar nicht, weil ich einfach behaupte etwas nicht zu können, ohne es überhaupt probiert zu haben. Vielleicht, weil es einfacher ist, als zuzugeben Angst davor zu haben.
Weil ich genau sehe, dass die Aufgabe, vor der ich stehe nicht leicht ist. Dass es mich einiges an Kraft, Einsatz und Willensstärke – und auch Überwindung - kosten wird, das zu meistern. Da ist es doch viel leichter zu sagen: Ich kann das nicht, als sich der Angst zu stellen, es zu versuchen und dann vielleicht doch zu scheitern.

Doch wie so oft im Leben ist einfacher nicht immer auch besser. Wie viele Dinge in meinem Leben habe ich nicht geschafft, weil ich schon vorher überzeugt war, dass es nicht klappen kann. Wie viele Erfahrungen habe ich mir entgehen lassen. Wie viele Meinungen nicht ausgesprochen und wie viele Gelegenheiten nicht genutzt. Nur, weil ich Angst davor hatte, zu scheitern und Angst vor der eigenen Courage. Ich kann das nicht, ist auch eine sehr einfache Art, sich vor einer Herausforderung zu drücken.

Sicher, wenn ich es versuche und es klappt nicht, dann werde ich enttäuscht sein. Aber vielleicht kann ich aus dieser Enttäuschung auch lernen. Und vielleicht klappt es ja doch. Vielleicht nicht sofort, vielleicht nicht perfekt, aber geschafft ist geschafft. In einer alten Volksweisheit heißt es: Es wäre sehr still in den Wäldern, wenn nur die Vögel singen würden, die es am besten können.

Und wie komme ich nun von der Angst zum Mut des Handels? Von der Verzagtheit zur Tatkraft?

In  Situationen, in denen es eng wird, brauche ich manchmal Ermutigung, das heißt jemanden, der mir Mut zuspricht. Der mich und meine Angst kennt und respektiert, nicht ins Lächerliche zieht, sondern mir ehrlich darin begegnet, mich aufbaut.

Was ich aber vor allem brauche, ist das Vertrauen in mich selbst und meine Entscheidungen.

Es braucht gar nicht perfekt sein. Vielleicht klappt es nur teilweise oder sogar gar nicht. Aber wenigstens habe ich es versucht.

Denn es wäre sehr still in den Wäldern, wenn nur die Vögel singen würden, die es am besten können.

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