In Memoriam an Clyde


Nicht nichts ohne dich aber nicht dasselbe
Nicht nichts ohne dich aber vielleicht weniger
Nicht nichts aber weniger und weniger
Vielleicht nicht nichts ohne dich aber nicht mehr viel (Erich Fried)

Dieses Gedicht von Erich Fried begleitet mich durch diese schweren Tage. Du bist gegangen mein geliebter kleiner Freund. Für immer.
Die Sprachlosigkeit, die Lähmung zu überwinden, die mich erfasst hat seit Du nicht mehr da bist, ist ein Kraftakt, den ich fast nicht hinbekomme - denn dann ist es so endgültig. Doch Du hast sie verdient, die Worte, den Nachhall … auch wenn Du schon lange Dein Denkmal in meinem Herzen gesetzt hast.
Ich bin unendlich traurig und Du fehlst in jeder Minute. Und natürlich stelle ich mir die Frage, war es der richtige Zeitpunkt und natürlich habe ich keine Antwort. Ich kann nur darauf vertrauen, dass – was oder wer auch immer unsere Wege lenkt – auch hier die richtigen Schilder gesetzt hat.

 
Ich lasse an dem Gedicht meine Gedanken entlang wandern. Ich denke an Dich, mein kleiner Clyde, ohne den ich zwar nicht nichts bin, aber ganz sicher nicht dieselbe. Du hast mich durch Deine Art und Liebe geprägt. Durch Dich bin ich anders geworden … ich hoffe menschlich reifer, vielleicht feinfühliger und verständiger, auf jeden Fall glücklicher. Ohne Dich als meinen Weggefährten bin ich zwar nicht nichts, aber vielleicht weniger, gewiss weniger. Viele Seiten im Buch meines Lebens wären nicht aufgeschlagen worden; manche Fähigkeiten unentdeckt geblieben; die Art und Weise das Leben zu sehen, wäre mit Sicherheit um einiges einseitiger. Weniger bin ich ohne den Halt und die Heimat, die Du mir geschenkt hast. Du bist gegangen und ich bin nicht mehr dieselbe.




(…)
Er war mein Nord, mein Süd, mein Ost und West,
Meine Arbeitswoche und mein Sonntagsfest,
Mein Gespräch, mein Lied, mein Tag, meine Nacht,
Ich dachte, Liebe währet ewig: Falsch gedacht. (aus der ‚Totenklage‘ von W. H. Auden)

Abschied tut weh. Selten hat man sich im Griff, wenn es ans Loslassen geht. Doch keiner kann sich vor Abschieden schützen. Ebenso wenig vor dem Loslassen müssen. Nun musste auch ich Abschied nehmen von Dir.

Nein, nicht nichts ohne Dich – aber viel weniger!


Mit dem Hund an einem herrlichen Nachmittag an einem Hang zu sitzen, kommt dem Garten Eden nahe, wo Nichtstun nicht Langweile war – sondern Frieden. (Milan Kundera)

 Eines der besten Dinge, die mir im Leben passiert sind, war als Du ausgerechnet mich ausgesucht hast, Dein Leben mit mir zu teilen. Und noch schaffe ich es nicht mir selbst glaubhaft zu versichern, dass ich dem immer gerecht geworden bin.
Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung, da warst Du gerade mal wenige Wochen alt. Deine Brüder waren kleine Rabauken, während Du schüchtern in einer Ecke gesessen hast und mich mit Deinen großen wundervollen Kulleraugen anschautest. Es war sofort um mich geschehen – Liebe auf den ersten Blick. 
Eine Woche später durften wir Dich dann abholen… und ganz schnell hast Du Dich an uns gewöhnt und Dich wohl gefühlt.
… und bist dann über 16 Jahre bei mir geblieben. Ein langes und - so denke ich - auch erfülltes Leben. Das tröstet mich.

Viele Abenteuer hast Du in Deinem Leben bestanden, vielleicht mehr als andere Hunde. Klar bei einem so langen Leben. Und weitergereist, also so mancher Mensch; zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Flugzeug.
Immer hast Du alles tapfer mitgemacht, solange dein Frauchen nur bei Dir war …

Und dann all jene Momente, in denen du die Welt durch Deine Anwesenheit zu einem besseren Platz gemacht hast.



Die letzten Jahre hattest Du es nicht gerade leicht, einen Kreuzbandriss-OP, letztes Jahr eine Zahn-OP, Medikamente für alle möglichen größeren und kleineren Leiden … aber Du hast Dich immer wieder aufgerappelt. Ein Kämpfer bis zum Schluss. Aber Dein kleines (so großes und großzügiges) Herz und weitere Organe versagten einfach nach und nach ihren Dienst – bis Du diesen letzten Kampf verloren hast …


Und Du warst ein Kämpfer – viel mehr als ich. Mutiger, großzügiger mit deiner Liebe und Geduld – vor allem mit mir. Dein Vertrauen zu mir hat mich geadelt. Du hast nie an mir gezweifelt, mich in Frage gestellt. Und wenn ich mal das Gefühl hatte, Gott und die Welt haben mich verlassen, dann kamst Du mit Deiner kleinen Hundeschnauze, hast Dich dicht an mich gekuschelt und ich wusste: alles ist gut.

Dass mir mein Hund das Liebste sein, sagst Du oh Mensch sei Sünde. Der Hund ist mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde. (Franz von Assisi)

Ja, Du hattest – wie wir alle – auch so Deine liebenswerten Macken: Du mochtest es nicht gerne, wenn ich am Computer saß, da war ich zu abgelenkt; Du liebtest Rasen oder Wiesen; für ein Stückchen Steak hättest Du alles getan – vor allem das „olle“ Hundefutter stehenlassen; aber Joghurt ging immer; andere Hunde musstest Du immer erstmal anbellen – bevor Du freudig mit dem Schwanz wedelnd auf sie zugegangen bist; „Menschenmassen“ waren Dir unheimlich – außer Du durftest auf Frauchens Arm sein; Wasser war definitiv nicht Dein Element, am Strand herum tollen dagegen die pure Lebenslust …
 
Über die Liebe
Die Liebe ist langmütig und freundlich,
die Liebe beneidet nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf.
Sie verletzt nicht, sie sucht nicht ihren eigenen Vorteil,
sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht an.
Sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber über die Wahrheit.
Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
(1. Korintherbrief, Kapitel 13)

Doch viel mehr noch warst Du mein großer Lehrmeister. Du hast mir beigebracht, wieviel die Liebe eines Hundes wert ist und dass diese unerschütterlich ist. Dass Augen, die einen so treu ansehen, auch treu bleiben. Dass das Leben im Jetzt stattfindet und nicht gestern oder morgen. Nur der Augenblick zählt. Dass es wichtig ist eine eigene Persönlichkeit zu haben und zu behalten. Dass Mitgefühl einfach da sein heißt. Schutz suchen etwas Natürliches ist, wenn man Angst hat. Das nachtragend sein keine Option ist und immer Zeit und Platz für eine Pause sein muss. Wie wertvoll ungeteilte Aufmerksamkeit ist… und Du konntest das Alles so viel besser als ich!
Ich habe gelernt, warum es gut ist einen Hund an seiner Seite zu haben. Sie freuen sich immer Dich zu sehen, auch wenn man mal spät dran ist. Sie sind loyal und maulen nicht. Es ist ihnen egal wie du aussiehst. Und für einen Hund bist du immer gut genug. Und wenn ich mal schlecht drauf war, warst Du einfach da; hast nie Fragen nach dem Grund gestellt. Du wusstest, wie man ein gutes Leben lebt - wie man alle die ganze Zeit liebt und nett zu ihnen ist. Du hattest all die Tugenden der Menschen ohne ihre Laster … und noch viel mehr.


Und Deine letzte Lektion ist wohl diese, über das Sterben … Alles im Leben ist unsicher – außer unser Sterben. Darauf können wir uns verlassen. Doch wir haben oft viel Angst davor und verdrängen die Gedanken daran. So verlieren wir tragischer Weise den Kontakt zu der einzig sicheren Konstante. Wir suchen dann Halt (und/oder Orientierung) in vergänglichen Dingen wie Arbeit, Geld oder auch Freundschaften und Familie. Doch Seelenfrieden bringen uns diese Dinge nur zeitlich begrenzt oder gar nicht, wenn die Tatsache unserer Sterblichkeit, der Vergänglichkeit aller Form, in ihnen keinen Raum bekommt.
Wir alle werden irgendwann sterben - das ist sicher. Und nur, wenn wir darauf bauen, ist unser Lebenshaus stabil! Wenn wir unsere Sterblichkeit wirklich in unser alltägliches Leben integrieren, wird sich im Laufe der Zeit eine Entspannung einstellen, die eine völlig neue Tiefe und Qualität entstehen lässt. In der Tiefe unseres Seins wissen wir, dass das Sterben kein Problem ist, und je tiefer der Kontakt zu uns selber ist je besser sind wir in der Lage uns liebevoll um die Ängste unseres Körpers zu kümmern und uns auf diese Weise selber zu beruhigen. Alle Lebenssituationen, in denen wir aufgefordert sind loszulassen und die Vergänglichkeit wahrzunehmen, können uns dazu dienen das Sterben zu lernen, und das Leben zu lernen. Denn wenn wir loslassen können, was gehen will können wir empfangen, was kommen will. Und wenn wir im Leben lernen das Sterben zu üben können wir,  wenn unsere Zeit gekommen ist, vielleicht völlig entspannt  und voller Vertrauen auch unseren Körper  gehen lassen.

Johann Wolfgang von Goethe meinte: Mich lässt der Gedanke an den Tod in völliger Ruhe, denn ich habe die feste Überzeugung, dass unser Geist ein Wesen ist von ganz unzerstörbarer Natur: es ist ein fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Es ist der Sonne ähnlich, die bloß unseren irdischen Augen unterzugehen scheint, die aber eigentlich nie untergeht, sondern unaufhörlich fortleuchtet.

Viele Tränen und Du hast jede einzelne davon verdient. Ich weiß, Du hattest eine gute Reise über die Regenbogenbrücke. Du wirst glücklich sein dort im Hundehimmel, da bin ich sicher. Ich sehe Dich, wie Du über die grünen Wiesen mit Bonny um die Wette läufst … Und ich weiß, Deine Seele ist nicht tot, nur dieser irdische Körper, der altersbedingt seinen Dienst versagte … Das Leid ist nicht für immer - die Liebe ist es!

Ich bin unendlich traurig, aber auch unendlich dankbar. Zum Beispiel dafür, dass ich die letzten Monate fast jede Minute mit Dir verbringen durfte. Die wertvollste Zeit.

Danke für all die Regenspaziergänge.
Danke für Deine bedingungslose Liebe.
Danke für Deine Treue.
Danke, dass Du mich immer einfach so genommen hast, wie ich bin.
Danke, dass Du mich immer begleitet hast.
Danke, dass Du nie aufgegeben hast.
Danke für Deine Eigenheiten und Lehrstücke.
Danke für so viel mehr ...
Danke, dass es Dich in meinem Leben gab!

Rest in peace and run free little dog!