Glauben koennen?

Was ist Dein Wunsch an Gott? – Diese Frage aus einer  Anzeige im Internet zieht meine Aufmerksamkeit auf sich und ich werde neugierig. Ein bisschen misstrauisch denke ich zunaechst, dass ist nur eine Werbemasche von irgendeiner Firma XY, die mir was verkaufen will. Um so ueberraschter stelle ich dann fest, dem ist nicht so.
Die Seite nennt sich ProChrist ( http://www.zweifeln-und-staunen.de/home ) und auf dieser  erklaeren sich Menschen verschiedener Religionen – die fest an Gott glauben – bereit fuer andere Menschen zu beten. Hm, das ist interessant, ich lese weiter. Wie soll das funktionieren? Nun, ich brauche nur in einem Feld eingeben, was ich mir wuensche, dann eine Person auswaehlen, die fuer mich diesen Wunsch bei Gott vortragen soll – also fuer mich betet. Man bekommt sogar eine Antwort, wenn gewuenscht. So einfach soll das sein?

Immer noch etwas misstrauisch frage ich mich, ist es nicht ein wenig vermessen von diesen Menschen, zu denken, sie koennen fuer mich – eine voellig Fremde – beten und das nuetzt dann auch noch was? Oder geht es gar nicht darum? Sind sie so tief verwurzelt in ihrem Glauben, dass sie genug fuer sich und andere haben?

Will man mich hier dazu bringen an Gott zu glauben, weil das der einzig richtige Weg ist und ich sonst in die Hoelle komme? Oder ist es einfach ein Akt der Naechstenliebe, weil eben nicht jeder beten kann?

Ich finde keine Antwort auf diese Fragen, aber ich bin versucht auch einen Wunsch vorzutragen. Meine eigene „Verbindung“ zu Gott ist eher neutral bis atheistisch. Ich habe zwar auf meiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg auch das eine oder andere Mal gebetet, aber so richtig tief in mir ist das nicht. Da war es eher die Gelegenheit, z.B. in einer Kirche oder Kathedrale zu sitzen, die mich dazu verleitete. Aber in meinen Alltag habe ich das nicht integriert.

Ich bin eher ein Kopfmensch und glaube daran, dass jeder Mensch seines Glueckes Schmied ist und somit fuer sich und sein Handeln, Denken und dem Erfuellen seiner Traeume selbst verantwortlich ist. Und finde irgendwie, macht man es sich zu einfach, wenn ich das auf Gott abschiebe? Ich bin dann ja nicht mehr zustaendig, weil er soll es ja nun richten. Und das ist doch nur Gefuehlsduselei  ...
Nein, ich bin die, die an ihre Ziele glauben muss, um dann alles dafuer zu tun, diese zu erreichen. Einen besseren Job bekommen, 6Kilo abnehmen, endlich ein Buch schreiben etc. Und es gibt viele Wege dahin, wie man dies beeinflussen kann. Man muss da schon aktiv werden, z.B eine Listen anlegen, Traumtagebuecher fuehren, die 72-Stunden-Regel einhalten, Mindmaps fuer Entscheidungen kreieren usw.

Aber was ist mit den nicht ganz so leicht greifbaren Wuenschen: den Mut nicht verlieren in einer schwierigen Situation? Weniger Angst haben vor einem grossen Schritt, einer Veraenderung? Geduld aufbringen, wenn es mal nicht so laeuft wie geplant? Da helfen Listen nicht besonders viel, denn ein 5-Schritte-Programm um ein Gefuehle zu aendern, stelle ich mir schwierig vor. Kann da ein Gebet helfen?

Ich weiss es nicht, aber ich beneide Menschen, die so glauben koennen und letztlich gebe ich meinen Wunsch ein. Weil schaden kann es sicher nicht. Und ich bin gespannt, ob es funktioniert ...

Hier und Jetzt



Heute weihe ich mit ein paar Gedanken zu meinem 14. Trockengeburtstag meinen neuen Blog ein:

Leben ist was passiert, während Du andere Pläne machst!

... dies sagte John Lennon einst.Ein Mensch, dessen Leben sehr viele unerwartete Wendungen genommen hat. Und sicher hatte er auch eines nicht so geplant, nämlich den Tag, als er von dem geistig verwirrten Mark Chapman erschossen wurden. Ich denke, das Zitat passt nicht nur auf ‚Leben’ sondern auch auf den Tod. Er kommt oft ohne Vorwarnung und planen kann man ihn eher selten.

So war es wohl auch bei einer jungen ehemalige Kollegin von mir, Kristie. Anfang Dezember starb sie in einem Autounfall, von einem Raser verursacht.
Ich stelle mir vor, sie ist aufgestanden, hat sich um ihre Kinder gekümmert, überlegt, was sie an diesem Tag zu erledigen hat. Frühstücken – wahrscheinlich in aller Hektik – noch schnell die Kinder bei der Mutter abliefern und zur Schule fahren. Sie hatte ihren Job bei Lowes gekündigt, um endlich das zu tun, was sie schon immer tun wollte: sich zur Krankenschwester ausbilden lassen. Sie erfüllte sich damit einen Traum, nachdem ihr Leben für lange Zeit nicht in gerade Bahnen verlaufen war. Nein, sicher hatte sie den Unfall nicht geplant. Jemand erzählte mir, sie sei gleich tot gewesen, als ob das der Trost ist, um es weniger brutal klingen zu lassen.
Ich habe sie gekannt, seit ich 2007 bei der Firma angefangen habe. Aber ich kann nicht wirklich sagen ich habe sie gekannt. Wir haben uns hin und wieder so zwischen Tür und Angel unterhalten und so gegenseitig ein bisschen aus dem jeweiligen Leben des Anderen erfahren. Aber das waren Gespräche unter Kollegen. So ist es auch nicht so, dass ich nun wirklich um sie trauere, dennoch berührt mich ihr Tod, macht mich nachdenklich. Ich muss an einen Text denken, den ich vor vielen Jahren einmal gelesen habe:

„Könnte ich mein Leben noch einmal von vorn beginnen, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.  Ich würde alberner sein, würde ganz locker werden, nur noch ganz wenige Dinge ernst nehmen.  Ich würde entschieden verrückter sein und weniger reinlich.  Ich würde mehr Gelegenheiten beim Schopfe ergreifen und öfters auf Reisen gehen. Ich würde mehr Berge ersteigen, mehr Flüsse durchschwimmen und mehr Sonnenaufgänge auf mich wirken lassen.  Ich würde mehr Schuhsohlen durchlaufen, mehr Eis und weniger Bohnen essen.  Ich würde mehr echte Probleme und weniger eingebildete Nöte haben.  Wie Sie bemerkt haben werden, bin ich eine von denen, die vorsorglich, vernünftig und gesund leben, Stunde für Stunde, Tag für Tag. Nun, ich habe meine verrückten Augenblicke, aber wenn ich noch einmal von vorn anfangen könnte, würde ich mehr verrückte Augenblicke haben - genau gesagt: Augenblicke, einen nach dem andern, und nichts mehr von Plänen zehn Jahre voraus. Wissen Sie, ich bin eine von denen, die für alle Fälle Thermometer, Wärmflasche, Gurgelwasser, Regenmantel und Fallschirm bei sich haben . Hätte ich ein zweites Leben, ich würde sie zu Hause lassen. Könnte ich mein Leben noch einmal von vorn beginnen, ich würde in aller Herrgottsfrühe barfuß in den Frühlingsmorgen laufen und als letzte sagen: Jetzt ist der Herbst dahin. Ich würde mehr Hockey spielen, und vom Karussell würden sie mich nicht mehr herunterbringen."

Ich finde diesen Text einfach herrlich ... und gleichzeitig stimmt er mich ein bisschen traurig.. Denn dieses zweite Mal gibt es nicht und wird es nicht geben. Ich merke wie oft auch mir dieses „Wenn ich doch hätte"..."man sollte eigentlich" – und ähnliche Sätze durch Herz und Hirn geistern. Aber das kann es nicht sein, nur zurückschauen auch nicht. So lässt der Tod von Kristie und dieser Text mich darüber nachdenken: was für mich Leben bedeutet. Was macht für mich Leben aus?

Und dann lasse ich  meine Gedanken doch noch einmal zurück schweifen und werfe ein Blick auf mein bisheriges Leben. Ich sehe, dass ich zwar sehr viele Umwege genommen habe, aber im Nachhinein nichts bereue. Ja, hier und da gibt es Dinge, die hätten nicht unbedingt sein müssen, aber letztlich sind auch sie es, die mich ausmachen ....

Leben ist was passiert, während Du andere Pläne machst.

Nicht nur John Lennon hat diese Erfahrung gemacht, hin und wieder das Gefühl zu haben, das läuft jetzt aber nicht so wie ich mir das mal gedacht hatte. Ich glaube jeder von uns kann diesen Satz unterschreiben.

Es ist mein 14. Trockengeburtstag. 14 Jahre seit ich den letzten Schluck getrunken habe und mich gegen die Sucht und für das Leben entschied. Und ich habe viel gelebt in diesen 14 Jahren. Nicht immer war ich nur zufrieden und glücklich, nicht immer war ich mir mir selbst einverstanden, habe manche Entscheidung in Frage gestellt. Und sehr oft ist es nicht so gelaufen, wie ich es geplant hatte. „Schuld“ daran hatten in seltensten Fällen die Umstände. Meist war es eher so, dass meine Kopf einen ‚Plan’ hatte und dann mein Gefühl mich ganz woanders hinführte.
Doch stelle ich mir auch die Frage: Wie oft habe ich auf mein Kopf gehört anstatt auf das Gefühl? – Es fängt ja schon bei den ganz kleinen Dingen an,  z.B. (wer meine Geschichte kennt kann das vielleicht nachvollziehen) habe ich einfach Lust darauf ein grosses Eis mit Sahne zu essen. Aber dann tue ich es nicht, weil der Verstand sich einschaltet und sagt: das sind aber mindestens 800 Kalorien.  ... Oder das Gefühl sagt: die Schuhe sind klasse, die will ich. Da schaltet sich der Kopf ein und rechnet wir ganz sachlich vor, dass ich sie vielleicht dreimal im Jahr tragen werde und sie dafür viel zu teuer sind – und ich kaufe die billigeren .. und ziehe sie kein einziges Mal an!
Manches Mal habe ich den Mund aufgemacht wo ich hätte schweigen sollen oder habe geschwiegen, wo ein Gespraech wichtig gewesen waere.
Oder ich bin gegangen wo ich hätte bleiben sollen oder geblieben, wo beim Bauch schon lange sagte: geh!

Wie oft tun wir das, was wir wirklich wollen?

Nun Leben passiert und ist vor allem Veränderung. Es scheint mir oft wie ein Hase, der vor der Flucht seines Jägers immer wieder Haken schlägt. Unerwartet die Richtung ändert, sich ab und an in einem Erdloch verkriecht und nur in aller letzter Sekunde entkommt ... oder auch nicht.

Das Jahr 2013 steht vor der Tür und ja, ich habe Pläne dafür. Ich gebe zu, sehr ausgereift sind sie noch nicht alle, aber es wird ein Anfang von etwas Neuem sein. Das zuende gehende Jahr war für mich ein Jahr des Aufbruchs – in vieler Hinsicht. Ironischer Weise das gerade nach dem ich sozusagen von einem ganz realen Weggehen zurück gekommen bin. Doch irgendwie ist es auch nicht verwunderlich. Wer einmal 3 Monate fast nur mit sich selbst verbringt (und manch einer braucht vielleicht nicht einmal so lange), wird verstehen dass ganz viel mit einem passiert. Sich reflektieren. Dann die Konsequenz daraus ziehen – auch wenn es, wie bei mir, eine Weile gedauert hat.

Mancher, der mich bzw. uns kennt, wird vielleicht ungläubig den Kopf schütteln, nicht verstehen, doch es ist nicht immer alles so, wie es nach aussen scheint. Und all jenen sei gesagt: Leben ist was passiert ... in diesem Falle, ist es ein Ende einer Aera und ein Beginn einer neuen. Ich war schon immer davon überzeugt, dass nichts für ewig ist und das gilt auch für eine Ehe. Solange man in die gleiche Richtung schaut und das Zusammensein als  Wachstum empfindet, und die überwiegende Zeit der Tage gut ist, funktioniert es. Doch wenn das nicht mehr so ist, dann ist es Zeit, dass jeder seinen eigenen Weg geht. Da wir das schon in 2011 getan haben, ist es vielleicht gar nicht so erstaunlich, dass das letztliche Resultat daraus eine endgültige Trennung ist. Dies in Freundschaft und ohne Rosenkrieg, ein Privileg.

Ich habe für mich entschieden – aus ganz verschiedenen Gründen – zurück nach Deutschland zu gehen. Die Entscheidung dafür ist gefallen und ich mache – wie ich schon erwähnte – Pläne. Nein, nicht jeden Tag bin ich überzeugt, dass es Alles richtig ist was ich tue. Nicht immer kann ich den Glauben finden, dass ich es schaffe, was da vor mir liegt. Nicht immer sehe ich den Weg. Nicht immer fühle ich mich wohl ... Die Zweifel kommen vor allem dann, wenn mein Kopf sich einschaltet. Doch ich möchte ab jetzt gerne mehr auf meinen Bauch hören, auf mein Herz. Und da fühle ich, dass eine spannende Zukunft auf mich wartet!

Ich denke noch einmal an Kristie und ihren unerwarteten Tod und an den Text der mir einfiel ... Wie kann ich dazu beitragen, dass mein Leben ein erfülltes und nicht nur abgehaktes oder dahin geplätschertes Leben ist? Was vorbei ist, ist vorbei. Aber für die Zeit die mir noch bleibt, ganz gleich wie alt ich bin, ist heute ein neuer Tag. Heute gilt es, heute habe ich wieder eine neue Chance etwas von dem, was für mich Leben ausmacht nicht nur zu erträumen, sondern in die Tat umzusetzen. Und ich will dabei meinem Herzen folgen.

Alles wird gut!

Endlich


habe den ersten Schritt
getan
zu meinem eigenen ich
alte Zwaenge abgelegt
und sehe endlich
mich

Von meinem Lieblingslyriker!

Erich Fried: Kleines Beispiel

Auch ungelebtes Leben
geht zu Ende
zwar vielleicht langsamer
wie eine Batterie
in einer Taschenlampe
die keiner benutzt

Aber das hilft nicht viel:
Wenn man
(sagen wir einmal)
diese Taschenlampe
nach so- und sovielen Jahren
anknipsen will
kommt kein Atemzug Licht mehr heraus
und wenn du sie aufmachst
findest du nur deine Knochen
und falls du Pech hast
auch diese
schon ganz zerfressen

Da haettest du
genauso gut
leuchten koennen!