Die Wunderfrage


Woran würdest Du heute merken, dass über Nacht ein Wunder geschehen ist? Woran würden die anderen erkennen, dass sich für Dich das Wunder ereignet hat? Ich meine kein riesiges Weihnachts-Wunder, Wirtschafts- oder Weltwunder, sondern ein ganz persönliches. Was würden Deine Freunde, Deine Nachbarn zu Dir sagen, wenn das Wunder eingetreten ist, z.B. ein Problem gelöst ist? Was wäre anders, wenn das Wunder geschehen wäre?
Ich finde, es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken, dem nachzuspüren, was ein ganz persönliches Wunder wäre.

 Dass es Wunder gibt, daran besteht für mich kein Zweifel. Wunder geschehen... Und um Wunder zu erleben, muss man auch nicht besonders wundergläubig sein. Ich denke, dass man Wunder aus heiterem Himmel erleben kann, überraschend, man hat überhaupt nicht damit gerechnet, es lag nicht im Bereich des Wahrscheinlichen (was wir Realisten ja gerne mal zur ‚Vorhersage‘ nutzen).


Ein Wunder über Nacht?

Was ist überhaupt ein ‚Wunder‘? Der Duden sagt: außergewöhnliches, den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Geschehen, Ereignis, das Staunen erregt. Etwas, was in seiner Art, durch sein Maß an Vollkommenheit das Gewohnte, Übliche so weit übertrifft, dass es große Bewunderung, großes Staunen erregt.
Synonyme dafür sind: Ausnahmeerscheinung, Geheimnis, Hexenwerk, Hexerei, Magie, Merkwürdigkeit, Rätsel, übernatürliche Erscheinung, wunderbare Begebenheit, Wundererscheinung, Zauberei, Zeichen; (gehoben) Mirakel; (bildungssprachlich) Mysterium, Phänomen

Soweit die Theorie. Ich stimme in einem Punkt voll und ganz damit überein, nämlich: etwas, das in seiner Art das Gewohnte, das Übliche übertrifft, dass es mich zum Staunen bringt.
Und solche Dinge geschehen – im Großen und im Kleinen. Doch ich muss sie auch sehen wollen!
Ein ‚Wunder‘ bewirkt immer eine Veränderung. Und diese finden oft sehr sprunghaft statt.

Um sie nun nicht nur zu erleiden, wie zum Beispiel ein ‚blaues Wunder‘, lohnt es, sich Gedanken zu machen, was denn anders sein könnte, anders sein sollte, wo ein Wunder geschehen kann (und das nicht nur vage und als Traum, Utopie oder unerfüllbarer, unrealistischer Wunsch). Und es muss nicht immer gleich der Lottogewinn sein:

Ich stecke in einer gedanklichen Sackgasse. Und plötzlich meldet sich da ein Freund von dem ich ewig nichts gehört habe. Und in der Unterhaltung öffnen sich mir Wege aus meinem Problem…
Oder: Ich habe einen miesen Tag, bin mit dem linken Bein aufgestanden. Nichts scheint zu klappen. Da kommt die Kollegin ins Büro, mit einem strahlenden Lächeln, und wünscht mir einfach so einen wundervollen Tag…
Oder: den ganzen Tag schon regnet es ununterbrochen. Doch es nütz nix, der Hund muss Gassi. Also Regenjacke an und raus. Und just in diesem Moment hört es auf – genau für die Zeitspanne, die ich draußen unterwegs bin …

All das können solche Wunder sein.
(Womit ich nicht sagen will, dass es nicht auch ganz große Wunder gibt!!)

Ich finde, die Wunderfrage hat es in sich. Wenn ich sie für mich kläre – also was könnte ein solches Wunder sein? – dann lasse ich auch zu, dass es passiert. Ich öffne die Tür zu den erstaunlichen Begebenheiten, zu Unvorhergesehenem.

Leben heißt, Entscheidungen treffen. In jedem Augenblick. Wir sind frei, auf die Zukunft hin zu handeln, die wir uns wünschen. Die meisten von uns sind Realisten genug, dass diese Wünsche nicht himmelblau oder rosarot sind. Und vieles regelt sich ja auch von selbst, wenn wir die nötige Geduld aufbringen – auch die, mal auf ein Wunder zu warten! Und wenn sich etwas nicht ganz oder gleich von selbst zum Guten wendet, müssen wir eben die Initiative ergreifen. Es liegt auch an uns, etwas daraus zu machen, aus unserem Leben und den Wundern, die uns jeden Tag begegnen. Geduld …

Da fällt mir dann immer der Gelassenheitsspruch der Anonymen Alkoholiker ein: »Gott (oder das Universum oder Buddha oder woran auch immer ich glaube) gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden. Gott gebe mir Geduld mit Veränderungen, die ihre Zeit brauchen, und Wertschätzung für alles, was ich habe, Toleranz gegenüber jenen mit anderen Schwierigkeiten und die Kraft, aufzustehen und es wieder zu versuchen, nur für heute.«

Dann können Wunder geschehen!

In diesem Sinne wünsche ich Euch Wunder-Volle Feiertage!

Life is a journey not a destination


(Das Leben ist eine Reise, kein Zielpunkt)

Es gibt sie, diese Tage, die sich besonders gut dafür eignen einen Blick zurück zu werfen. Einmal hinschauen, wo komme ich her? Wie war das? Nein, ich meine nicht Silvester (auch wenn das natürlich klassisch ist). Für mich ist so ein Tag immer mein ‚Trockengeburtstag‘, d.h. der Tag seit dem ich keinen Alkohol mehr trinke.

Wenn sie auf ihr Leben zurückblicken, denken viele Menschen oft, es hätte besser sein sollen - aber sie denken selten, es hätte schlimmer kommen können! Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Mein Trockengeburtstag ist für mich ein Tag an dem mir das sehr bewusst wird. Denn es hätte sehr viel schlimmer kommen können! Wenn ich einen Blick zurückwerfe, auf den Weg der hinter mir liegt, habe ich in manch‘ vermeintlichem Unglück sehr viel Glück gehabt. Ja, der Weg ist mal bunt, mal grau, mal gerade aus, mal kurvig, mal bergig, mal flach. Leben eben. Ich schaue auf das was war. Eine ziemliche Berg- und Talfahrt durch die Zeit allemal.

Die schlechten Zeiten, die sich tief eingegraben haben in meine Seele. Die Zeiten, als ich die falschen Dinge – und Menschen – in mein Leben gelassen habe. Dunkelgraue Welt, die ohne Hoffnung schien.
Mein Schutzengel hatte ziemlich viel zu tun, mich durch all diese Unwegsamkeit zu bringen – ohne dass ich allzu großen Schaden davongetragen hätte. Und es gab Zeiten, da wäre ich ohne ihn wohl verrück geworden. Wie weit kann man denn schon mit gebrochenen Flügeln fliegen?
Ich verlor den Halt und knallte mit voller Wucht auf dem Boden der Tatsachen auf. Ich war so müde und am Ende, dass der Tod die einzige Option schien. Ich dachte ich könnte einfach so gehen, aus meinem Leben, aber die Tür blieb verschlossen. Ich war noch nicht dran.

Vieles ging in die Brüche. Manches davon konnte irgendwann wieder geklebt, repariert werden. Anderes nicht. Verletzungen, die zugefügten und ausgeteilten, heilten meist im Laufe der Zeit. Die anderen habe ich akzeptiert und lernen dürfen damit zu leben – oder sie loszulassen. Und Manches, dass ich bereut habe, erscheinen heute als ein Segen, an dem ich wachsen durfte. Vieles startete verheißungsvoll, ich habe mich hineingestürzt, meist viel zu schnell, ohne nachdenken. So dass mir letztlich nicht nur das Geld wie Sand durch die Finger rannte. Freunde, die keine blieben, Menschen, die mich enttäuschten. Ich hatte da wohl kein gutes Händchen. Doch wer sich selbst nicht wirklich kennt und wahrnimmt, der kann auch andere nicht einschätzen. Nun, letztlich hat mich jeder von Ihnen etwas gelehrt – dafür bin ich dankbar.
Manchen Rat, der gut gemeint war, habe ich geflissentlich überhört. Lieber meinen Dickkopf durchgesetzt (oder in Unvernunft gehandelt) und dann die Rechnung bekommen. Ich habe mich aber selten darum gedrückt, dann auch die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Warum ändern wir eigentlich so oft nichts, wenn etwas in unserem Leben in Schieflage geraten ist? Wohl aus Angst vor den Konsequenzen oder vor der Veränderung. Manchmal ist es vielleicht auch einfach nur Bequemlichkeit. Aber es ist auch ganz oft eine andere Sache: Wir lenken uns selbst so erfolgreich vom Schmerz der Schieflage ab, dass wir denken, es wäre gar nicht so schlimm. Ab und zu in klaren Momenten kommt es dann hoch und wir erkennen, dass wir etwas ändern müssen. Aber sehr schnell sind unsere Verdrängungs- und Schutzmechanismen wieder da und wir überdecken den Schmerz. Doch was ist die Lösung?

Ich denke: Ehrlich mit sich selbst sein. Nicht nur einmal, sondern jeden Tag. Erkennen, was mich schmerzt, was eben diesen Schmerz verursacht und inwieweit ich mir selbst damit schade. So ehrlich mit sich sein, dass es einem die Eingeweide zusammenzieht. Denn genau diesen Schmerz braucht es, um ins Handeln zu kommen. Und sich dies jeden Tag ins Gedächtnis rufen. Wieder und wieder. Bis man endlich genug Energie aufbringen kannst, etwas zu ändern. Und dann nicht aufhören, sich mit der Wirklichkeit zu konfrontieren, dass es diesen Schmerz gibt. Denn oft hören wir auf, sobald wir erste Schritte gemacht haben. Noch bevor wir das Problem langfristig gelöst haben. Wegen der Anstrengung. Oder weil der Schmerz ja schon ein bisschen kleiner geworden ist. Dabei ist dieser Schmerz etwas Gutes – wenn wir ihn nutzen um etwas zu ändern.
 
Bei mir war dieser Schmerz irgendwann so groß, dass sie wirklich kam, die Wende. Nach langem
Kriechen, lernte ich wieder aufrecht zu gehen. Ich lernte, dass ich ohne Betäubung leben kann. Ich lernte, dass ich wertvoll bin. Natürlich war es nicht einfach und ich habe mehrere Anläufe gebraucht. Erst die Langzeittherapie machte den Weg in ein abstinentes Leben frei.

20 Jahre sind seither vergangen und ich bin sicher ein kleines bisschen weiser geworden. Ich weiß, dass ich aufkommende Herausforderungen begegnen kann. Indem ich nachdenke und versuche zu verstehen. Indem ich ausprobiere und flexibel bleibe. Und am wichtigsten von allem: Indem ich nicht aufgebe.
Ich bemühe mich, nicht gegen meine eigene Natur zu kämpfen, erkennen, dass ich bin, wie ich bin. Auch wenn meine Erwartungen an mich selbst oft hinderlich sind. Doch ich verstehe immer besser,
wer ich wirklich bin. Was meine Stärken und Schwächen sind. Und mit jedem Punkt, den ich verstanden habe, kämpfe ich weniger gegen mich selbst. Selbsterkenntnis und Selbstakzeptanz machen es einfacher mit den kleinen und großen Herausforderungen umzugehen.

Ich wünschte, das hätte mir jemand gesagt, als ich 20 oder 30 war. Aber da hätte ich wahrscheinlich nicht zugehört. Manche Dinge musste ich auf die harte Tour lernen.

Und heute? Heute beginnt der Rest meines Lebens - nicht irgendwann. Dieser Tag ist immer auch ein guter Tag nach vorne zu schauen. Was habe ich noch für Träume, was habe ich noch für Ziele. Ich weiß, dass trotz Wegweiser sicher noch ein paar Umwege vor mir liegen. Das Unerwartetes geschieht und mancher Geröllhaufen überwunden werden muss.
Doch ich möchte weiterhin die Freiheit wagen. Ich möchte das Glück erfassen statt es nur zu suchen. Ich möchte über die Trägheit siegen, mich nicht verbiegen lassen. Ein Hoch auf das Echte, das Unverfälschte, das Lebendige, das Wahre. Ich wünsche mir, dass ich mich immer traue, so zu sein, wie ich bin – und andere lassen kann, wie sie sind.

Jeden Tag, denn wir wissen nicht, was morgen kommt. Heute Morgen bekam ich da wieder eine kleine Lektion. Gerade noch bin ich in bester Stimmung auf dem Weg ins Büro, als ich vor mir Blaulicht sehe – ein Unfall. Langsam fahre ich näher heran und vorbei. Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen, es sieht richtig schlimm aus.
In solchen Momenten komme ich ins Nachdenken. Über die Endlichkeit meines Lebens. Darüber, dass schlimme Dinge passieren können. Am Ende solcher Gedanken lande ich aber immer wieder am gleichen Punkt: Im Grunde kannst du nur eines machen, heute leben. Das Leben voll auskosten. Danke sagen für das, was du hast. Deine Träume heute verwirklichen. Nichts verschieben. Morgen kann dir der sprichwörtliche Ziegelstein auf den Kopf fallen. Oder du bist zur falschen Zeit am falschen Ort…

Heute, ein Tag, der mich einlädt, das Beste daraus zu machen, aus diesem zweiten Leben, dass ich bekommen habe. Auch wenn es oft harte Arbeit war, bis hierher. Nur trocken sein, macht die Welt nicht rosarot. Herausforderungen gibt es immer noch, doch sie sind das Salz in der Lebenssuppe.

Dankbar schaue ich noch einmal kurz zurück um dann den Blick wieder der Sonne zuzuwenden.

It's Amazing, With the blink of an eye you finally see the light
It's Amazing, When the moment arrives that you know you'll be alright
It's Amazing, And I'm sayin' a prayer for the desperate hearts tonight (Ozzy Osborne)

Eine Minute Freiheit ...


Es gibt Dinge, von denen sagt man - manchmal leichtfertig - man würde sie irgendwann gerne mal tun ... Oft bleibt es bei dieser Aussage bis es zu spät ist. Erst ist man vielleicht zu jung oder hat kein Geld oder das alltägliche Leben kommt einfach immer dazwischen. Und dann ist man plötzlich zu alt oder zu krank … oder hat den Wunsch vergessen.
Manchmal wird so ein Wunsch auch Wirklichkeit. Dann stellt man bei Erfüllung fest, dass es doch nicht so toll war, naja, Haken dran nie wieder.
Aber es gibt auch diese anderen Wünsche …

Als ich nach meiner Therapie den Weg einschlug, meine Persönlichkeit zu stärken und neue Wege zu leben suchte, besuchte ich viele Seminare. Las Bücher, sprach mit Menschen, die es schon weiter gebracht hatte im Leben. Und hier meine ich nun nicht eine Karriere im klassischen Sinn, sondern eher in Ihrer persönlichen Entwicklung. Ich lernte sehr viel darüber, wie ich meinem Leben Sinn geben kann.
Ein Thema tauchte da immer wieder auf: sich Ziele setzen. Die Herangehensweise an eben diese ist ganz unterschiedlich, je nachdem um was für ein Ziel es sich handelt. In diesem Zusammenhang lernte ich auch, was eine sogenannte Bucketlist ist. Auf Deutsch, eine Löffelliste. Auf diese schreibt man all die Dinge, die man eben gerne noch tun würde, sich wünscht, bevor man den Löffel abgibt - sprich stirbt.

Natürlich legte auch ich mir eine solche Bucketlist zu. Und penibel wie ich manchmal bin, gleich eine, auf der ich relative gut definierte ‚was‘ und ‚bis wann tun?‘.

Nun, das Leben geht weiter und ich gebe zu, ich pflegte die Liste nicht wirklich. Aber sie existierte. Und als ich kürzlich auf meine Löffelliste von 2005 schaute, staunte ich. Ich stellte fest, dass ich doch schon einiges davon ‚abgearbeitet‘ habe., z.B. nach USA auswandern, meine Pilgerreise, ein Buch schreiben und viele kleinere Wünsch/Ziele.

»Ein Wunsch ändert nichts, eine Entscheidung ändert alles.«

Es gibt Dinge, die man sich wünscht, aber irgendwie glaubt man selber nicht so recht daran, dass sie je in Erfüllung gehen oder das man es wirklich tun wird. Es gibt andere Dinge - zumindest bei mir - von denen ich überzeugt bin, sie irgendwann einmal zu tun. Zur letzteren Kategorie gehört ein Tandemfallschirmsprung (https://de.wikipedia.org/wiki/Tandemsprung). Etwas wovor ich den größten Respekt hatte (und immer noch habe), aber es durchaus für machbar hielt. Aber ich gebe zu, so richtig angegangen das in die Tat umzusetzen bin ich nie. So ein 'Traum' noch vor sich zu haben, hat ja auch etwas - nämlich als ein Ziel auf das man zugehen kann.

Mein Freund Helmut hatte diesen Wunsch auch auf seiner Liste. Und er beschloss, es nun einfach zu tun. Als er mir davon erzählte war ich ehrlich gesagt ziemlich neidisch. War doch auch einer meiner Wünsche. Ich mach das auch irgendwann mal … Zum Glück hat Helmut nicht vergessen, dass auch ich immer diesen Wunsch hatte und so hat er, als er einen Gutschein für einen ermäßigten Sprung erhielt, mir diesen überlassen. Eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen konnte. Und ich griff beherzt zu.
Nun war es an mir, einen Termin festzulegen. Am liebsten gleich und doch erst in späterer Zukunft. Letzteres weil ich doch auch schon ein bisschen Angst davor hatte. Nun, meine gesundheitlichen Probleme im Frühling dieses Jahrs bremsten mich erstmal etwas aus. Aber als ich das Gefühl hatte, nun geht es mir wieder gut genug, buchte ich mir einen Termin: 18.8.18. Ein schönes Datum für solch ein Vorhaben!
Doch wieder einmal kam das Leben dazwischen. An diesem speziellen Samstag musste ich zuhause bleiben und Krankenschwester für meinen Hund Clyde sein. Der hatte kurz vorher eine größere Zahnoperation und war noch völlig durch den Wind. Aber ein Anruf beim Veranstalter - Skydive Bad Saulgau - und ein nettes Gespräch mit Juliane, die dort das Büro verwaltet, klärten das schnell. Ich konnte den Termin problemlos auf den nächsten Samstag verschieben. Super.

Vor dem ersten Termin hatte ich überhaupt keine Zeit darüber nachzudenken, da ich damit beschäftigt war, mich um meinen Hund zu kümmern. Aber jetzt ging es ihm wieder gut. Im Büro herrscht Sommerflaute und auch sonst gibt es wenig Ablenkung. Also dachte ich mit ziemlichem Herzklopfen immer wieder an Samstag. Was wohl auf mich zukommt? Wird das Wetter gut genug sein, dass der Sprung klappt (ich habe in der Woche gefühlte tausendmal auf die WetterApp am Handy geschaut). Werde ich mich letztlich trauen?
Immerhin hatte meine Freundin Sabine zugesagt mitzukommen und ich war froh ein wenig moralische Unterstützung zu bekommen.

Die Nacht ist eher unruhig, wie sich der geneigte Leser sicher vorstellen kann. Nicht das ich mir irgendwelche Schreckensszenarien ausmale - ich bin schlicht aufgeregt. Clyde spürt das immer gleich und prompt muss er zweimal spucken. Toll.
Der Samstag kommt. Clyde geht es am Morgen besser und so steht meinem Ausflug nach Bad Saulgau nichts mehr im Weg. Nachdem ich den Kleinen bei meinen Eltern abgeliefert habe, halte ich auf dem Weg noch beim Bäcker an. In der Früh hatte ich nichts essen können und auch jetzt kriege ich keine Bissen runter. Aber später vielleicht.

Erstmal nach Plattenhart um Sabine abzuholen. Die hat vor lauter ‚ich muss pünktlich am
Treffpunkt sein‘, ihr Handy in der Wohnung liegen lassen und muss erst nochmal zurück. Aber wir sind – wie es eben meine Art ist - wirklich zeitig dran und somit alles gut.

Auf der eineinhalb stündigen Fahrt bin ich froh, dass sie dabei ist. Wir quatschten die ganze Zeit, was mich von der Vor-Aufregung ablenkt – zum Glück nicht vom Fahren. Und so
kommen wir gegen 8.20 am Flugfeld an. Schnell stellen wir fest, es ist noch nicht viel los - gerade erst trudelt das Personal ein. Also stehen wir erstmal bisschen planlos rum, bis wir Juliane im Büro entdecken. Die Nervosität steigt. Ich muss noch einen Zettel mit meinen Daten ausfüllen und unterschreiben, dass ich mir über die Risiken bewusst bin. Sabine steht neben mir und sagt lapidar (und unbedacht): ‚Ach ich hätte das auch mit dir planen sollen und springen.‘ Juliane daraufhin: ‚Wir haben noch einen Platzt frei, wenn du möchtest.‘ Oh. Sabine wird erstmal etwas blass um die Nase. Ich: ‚Klar, mach‘ doch, ist die Gelegenheit.‘ Sabine zögert, was ich nachvollziehen kann. Das überfordert einen erstmal total. Juliane meint: ‚Nimm dir fünf Minuten zum drüber nachdenken.‘
Wir erstmal aufs Clo – und sprechen darüber. Sabine würgt recht schnell ihre eigenen Ausreden ab, und wir kommen zu der (nicht sehr fernliegenden) Erkenntnis: Wann bekommt man so eine Gelegenheit wieder? Allerdings ist da ja auch die Sache mit den Kosten. So fragt Sabine nach dem Preis und Juliane macht ein gutes Angebot. ‚Okay, ich mach's ... ‚ – gesagt, getan.
Nicht nur ich beneide Sabine in dem Moment, dass sie im Prinzip keine Zeit gehabt hat, sich großartig Gedanken zu machen (ich erinnere an meine tagelange Nervosität). Die umherstehenden anderen Passagiere nicken zustimmend, als ich ihr das sage.

Jetzt wird es ernst. Zunächst eine Einweisung von Boonie - seines Zeichens Tandemmaster. Er erklärt uns genau den Ablauf, was passiert und was wir zu tun haben (wir dürfen auf dem Bauch liegend schon mal üben). Anschließend werden wir einem Tandemmaster zugeteilt, dann in einen Overall eingekleidet. Und letztlich dann das Gurtzeug angeschnallt, mit dem wir später am Tandemmaster festgehakt werden sollen. Alles richtig gut festgezurrt und schon geht es in Richtung Flugzeug. Ein hübsches buntes Ding mit dem Namen FINA. Eine treue Seele, wie mir mein Tandemmaster Boonie versichert. Nun, ich bin ja schon oft geflogen und auch in kleineren Maschinen, aber es ist doch immer wieder ein Erlebnis, wenn diese abheben.

Wir sitzen auf einer Art Bank, Tandemmaster – Passagier hintereinander, schön aufgereiht. Höher und höher geht es hinauf. Netterweise redet Boonie die ganze Zeit mit mir, so, dass ich nicht großartig dazu komme, darüber nachzudenken was mir bevorsteht. Da der Tag eher wolkig und ein wenig trüb daher kommt, können wir zwar den Bodensee, aber nicht die Alpen sehen. Aber wen interessieren die Alpen, wenn man vor einem Sprung aus einem Flugzeug steht (bzw. sitzt) …
Halbzeit auf dem 15-minütigen Weg auf 4000 m Höhe. Ich bekomme nochmal den Ablauf erklärt und was ich tun muss. Dann werde ich festgehakt - am Tandemmaster. Kappe aufsetzen, Schutzbrille und schon rutscht das erste Doppel zum kleinen Rolltor. Gleich darauf wird es geöffnet und ein heftiger Luftzug ist zu spüren. Oje, auf was habe ich mich da bloß eingelassen?
Keine Zeit zum Nachdenken, schon sind die ersten zwei draußen und wir an der Reihe. Zum Tor rutschen… und ehe ich so richtig begreife was passiert, fliege ich. Wahnsinn!
Unter mir nur eine dünne Wolke. Ich spüre den Regen wie kleine Eiskristalle im Gesicht ... und schon sind wir durch. Vor uns – bzw. unter uns - die weite Landschaft. Wow. Ein Schrei, glaube ich, aber den hört hier oben eh niemand. In diesem Moment - das wird mir hinterher klar - fühle ich die absolute Freiheit. Arme ausbreiten und fliegen. Eine Minute freier Fall. Unbeschreiblich!
Schon klopft mir Boonie auf die Schultern, das Zeichen die Hände wieder an den Gurt zu legen. Ein kleiner ruck - den ich mir ehrlich gesagt viel heftiger vorgestellt hatte - und wir schweben. Herrlich dieser Anblick auf die Welt von oben. Aus einem Flugzeug ist das ja schon faszinierend, aber so frei in der Luft hängend - nochmal eine ganz andere Sache. Alles erscheint klein und nichtig und nur der eine Augenblick zählt. Was für ein Geschenk!!!

Natürlich darf ich auch mal 'lenken' und ein paar Kurven fliegen (Achterbahn ist nix dagegen). Absolut faszinierend. Doch wirklich beschreiben, was da in mir – und mit mir - passiert, fällt schwer. Das muss man einfach selbst erleben…

Viel zu schnell kommt der Boden näher. Nein, nicht das wir stürzen, aber ich könnte ewig so weiterfliegen! Doch schon gibt Boonie das Kommando die Knie anzuwinkeln und die Beine auszustrecken - die Position zur Landung. Sanft kommen wir auf dem Boden auf. Total begeistert kann ich gar nicht aufhören zu sagen wie genial das war und bedanke mich bestimmt 20-mal bei meinem Tandemmaster. Noch in Montur macht Juliane ein Erinnerungsfoto, das später auf die Urkunde kommt.


Dann heißt es schon entgurten und den Overall ausziehen. Aber irgendwie bin ich in Gedanken noch gar nicht wieder am Boden. Und das Adrenalin pumpt noch fleißig durch meine Adern. Total geflashed!
Auch Sabine kommt heil unten an und ihr geht es genauso. Es dauert eine Weile, bis das System so halbwegs wieder im Normalmodus ist - wobei ich das Gefühl habe, das wird es irgendwie nie mehr so ganz. Zumindest ist es nicht wie vorher. Wieviel in fünf Minuten doch passieren kann.

Realisieren kann ich das Ganze sowieso erst so richtig im Nachhinein.

Interessant auch, wie schnell ich mich den Menschen dort irgendwie „verbunden“ fühle. Ich glaube das liegt daran, da dies ein so intensives Erlebnis ist. Und ich hatte von Anfang an volles Vertrauen zu meinem Tandemmaster - was auch nötig ist.

Sicher ist: ich werde es wieder tun, wieder springen. Dieses Gefühl ist mit nichts zu vergleichen, das ich je erlebt habe. Mit Abstand. Das Erlebnis hat wohl etwas in mir geweckt. Eine Sehnsucht vielleicht…

Danke an dieser Stelle an das Team von Skydive Bad Saulgau (http://www.skydive-saulgau.de), die uns dieses ermöglicht haben! Ich komme wieder, bald!

Nachgedanke … viel zu oft schieben wir unsere ‚ich würde gerne mal‘ auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt. Wir entschuldigen dies vor uns selbst damit, dass das Leben eben gerade mal dazwischenkommt und finden genug Ausreden, um es vor uns selbst glaubhaft zu machen. Aber so ist es nicht. Ich habe mal wieder gelernt, das Leben ist jetzt. Und so ein Erlebnis kann mir keiner mehr nehmen. Es vergammelt nicht oder rostet, es geht nicht verloren. Es bleibt. Und davon gibt es nicht so viel, oder?

»Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.« (Henry Ford)

As always
thank you for your time
Wiebke

PS: ah ja, da ich ja nun einen Punkt auf meiner Bucketliste abhaken kann, kommt ein neuer drauf: ein Solospung ;-)