Wegweiser



Man steht an einer Kreuzung und kennt sich nicht mehr aus. Wo muss ich nun lang gehen? Welches ist der beste Weg? Der sicherste, einfachste oder aber auch der kürzeste? Und dies gilt nicht nur wenn wir wandern, sondern gerade auch auf unserem Lebensweg stehen wir oft vor der Frage: wohin? Wie geht es weiter? Vor allem dann wenn wir meinen in einer Sackgasse zu stehen.
Wie hilfreich ist es da, wenn es Wegweiser gibt. Es sind nicht nur die, die aus mir kommen, auch die, die jemand für mich aufgestellt hat. Da ist jemand schon einmal diesen Weg gegangen und ich brauche mich nur noch danach zu orientieren.
Doch wie oft übersehe ich sie, die Wegweiser. Möchte sie übersehen.
Oder es passiert, dass ich denke, ich bin schlauer als die. Zwar zeigt der Pfeil eindeutig nach rechts, aber ich gehe dennoch links. Werden wir ja sehen, wer Recht hat.
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, wenn ich an meine Grenzen stoße, meine Karten veraltet sind, der innere Kompass versagt oder ich mich verlaufen habe, ist ein Wegweiser – und sei er noch so klein – hilfreich. Rettung aus meiner Not.
Manchmal tut es gut, sich auf andere verlassen zu können. Wer den Weg schon einmal ging, hat für mich schon mal eine kleine Furt durch den undurchdringlich scheinenden Problemdschungel geschlagen. Natürlich bedarf es eines gewissen Grades an Vertrauen. Vertrauen in den Anderen, aber auch in mich, mich leiten lassen zu dürfen.
Dies bedeutet sicher nicht, ich soll einfach blind den Markierungen folgen. Denn erstens, gehen muss ich den Weg doch selbst und ich sollte auch darüber nachdenken, ob es überhaupt die Richtung ist, in die ich gehen möchte. Doch ich bekomme eine Hilfestellung, die ich annehmen darf. Und sollte ich nach einer Weile feststellen, dass ist doch nicht mein Weg, kann ich immer noch wieder umkehren und mir einen anderen suchen. Anderen Spuren folgen oder – wenn ich mutig genug bin – eigene Pfade trampeln. Und dabei nicht vergessen, für den nächsten, hier und da ein Zeichen zu hinterlassen.

Würde ...



Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es. Doch wie viel Würde hab ich noch, wenn ich betrunken Auto fahre und einen Unfall verursache? Meinen Führerschein verliere. Wenn ich mich nicht mehr erinnern kann, was letzte Nacht passiert ist, weil ich ein Glas zu viel hatte? Und jemand erzählt mir von meinem Fehlverhalten. Wenn ich im betrunkenen Zustand grundlos Streit mit meinem Partner/in beginne, weil ich eigentlich nur mich nicht leiden kann? Wie steht es um meine Würde, wenn ich mich auf dem Grillabend mit Freunden daneben benehme? Wenn mich der Kollege bei der Arbeit sieht, wie ich heimlich einen Schluck aus der Flasche nehme?
Der Wert der Würde liegt im Inneren eines jeden Menschen selbst. Doch mit jedem Glas mehr, verliere ich ein Stück meiner Würde. Und diese Entwürdigung kränkt und führt nur noch tiefer in dem Teufelskreis der Abhängigkeit hinein. Würdelos wird der Blick in den Spiegel zur Qual.
Wir, das sind Betroffene und Angehörige, sprechen über den Verlust der Würde. Über die Folgen, die dies für uns selber und unser Umfeld mit sich bringt.

Meine Gruppe ... ein kleines Plädoyer für die Selbsthilfe



<< Nur Du alleine schaffst es, aber alleine schaffst Du es nicht. >>

Die meisten Leser meines Blogs wissen um meine doch recht turbulente Lebensgeschichte. Diese war viele Jahre lang vor allem geprägt durch meine Alkoholkrankheit und massiven Essstörungen. Eine viermonatige Therapie im Jahr 98/99 half mir – nach vielen vorherigen vergeblichen Versuchen – endlich von der Sucht loszukommen und seit dem führe ich ein abstinentes, fast gänzlich suchtfreies Leben. Nur fast, da ich das mit dem Rauchen noch nicht so ganz lassen kann. Noch finde ich nicht die rechte Motivation aufzuhören und rede mich damit heraus: ein Laster braucht wohl jeder Mensch, ich bin ja schließlich kein
e Heilige.

Ich bin seit über 15 Jahren trocken, bzw. symptomfrei. Doch es ist nicht etwa so, dass in diesen Jahren immer nur alles gut war, nein, das kann ich wirklich nicht behaupten. Es gab viele Berggipfel mit Aussicht zum genießen, aber auch einige Herausforderungen und Täler, die ich durchwandern durfte. Doch ich habe all die Höhen und Tiefen – die ich früher nur im Rausch ausgehalten habe – mit einem klaren Kopf gemeistert. Und ich bin auch heute noch stolz auf diese Leistung.

Geholfen hat mir nicht nur die Therapie, sondern auch, dass ich den Rat meiner Therapeutin beherzigte und mir gleich im Anschluss an die Zeit in der Fachklinik auf dem Höchsten eine Selbsthilfegruppe gesucht haben. Gleichwohl, ich war zunächst etwas skeptisch, wusste ich doch nicht, was mich da erwartete. Die Klinik ist die eine Sache, aber wie war das im reellen Leben, im normalen Alltagsumfeld? Was für Menschen würde ich dort treffen? Als ich 94/95 in meiner ersten Therapie in Zwiefalten war, hatte mir meine damalige Therapeutin einen Besuch der Anonymen Alkoholiker verordnet. Doch ich war zu der Zeit noch der festen Überzeugung kein Alkoholproblem zu haben. Und da gehörte ich doch echt nicht hin. Mit dieser Einstellung war das Ergebnis des Besuches vorauszusehen: Ich fand die Typen sehr komisch und das ganze Meeting ziemlich doof. So tauchten jetzt vor meinem inneren Auge ein paar ältere Herren auf, die im Kreis saßen und davon redeten nicht trinken zu dürfen.

Die Erfahrungen aus der Therapieeinrichtung hatten mir aber gezeigt, dass ich es alleine nicht geschafft hätte, trocken zu werden, so galt dies wohl auch für das Trockenbleiben. Es war sicher gut, unter Gleichgesinnten zu sein.
Ich hatte eine kleine Wohnung in Stetten gefunden und noch kein Auto. So suchte ich mir also eine Selbsthilfegruppe in der Nähe und kam am 06. April 1999 zum Freundeskreis in Leinfelden. Genau gesagt heißt der Verein Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe e.V (http://www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de/index.php). Ein bundesweiter Verband von Selbsthilfegruppen. Die Leinfelder Gruppe bestand damals aus circa 15 bis 20 Leuten, entweder selber Betroffenen oder Angehörigen, die sich einmal in der Woche trafen. Erstaunt war ich darüber, hier Männer und Frauen jeder Altersgruppe und aus jeder gesellschaftlichen Schicht anzutreffen. Manche kamen schon seit Jahren, ja Jahrzehnten. Motivierend, Menschen zu treffen, die seit Jahren ein abstinentes Leben führten. Es war also möglich!