Zwischen den Jahren …


Zwischen dem Alten
zwischen dem Neuen,
hier uns zu freuen,
schenkt uns das Glück.
Und das Vergangene
heißt mit Vertrauen
vorwärts zu schauen,
schaun zurück.(Goethe)

Ich habe mich immer gewundert warum die Tage zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige als „die Zeit zwischen den Jahren“ bezeichnet wird. Weil irgendwie ist es doch das Ende des Einen und der Anfang des neuen Jahres. Dazwischen ist nicht mal eine Sekunde. Theoretisch. Doch nun lerne ich, das war nicht immer so. Als die Menschen sich in ihrer Zeitrechnung noch nach dem Mond und nicht der Sonne richteten, fehlten in der Zählung genau 12 Tage um ein Jahr – also 365 Tage – voll zu machen. Früher hießen diese Tage ‚Raunächte‘. Nun eben ‚zwischen den Jahren‘ …

Und so verkehrt ist der Ausdruck auch heute nicht. Die meisten von uns haben ein paar schöne, trubelige, aber manchmal auch nervende Tage hinter sich. Weihnachten ist irgendwie trotz allem immer ein wenig ‚hektisch‘. Erst wartet man wochenlang und dann ist es doch recht schnell vorbei – so geht es mir jedenfalls. Den ganzen Dezember habe ich jeden Tag ein Türchen nach dem anderen am Adventskalender aufgemacht. Ich habe überlegt, was ich schenken könnte. Dann endlich mal Geschenke gekauft und dann? – Die Geschenke habe ich verteilt, meine eigenen geöffnet, mit der Familie gefeiert und viel gegessen. Und das war auch schön. Denn trotz allem Stress vorher finde ich: Irgendwie hat Weihnachten auch eine besondere Atmosphäre.

Friedrich von Bodelschwingh hat das mal ungefähr so beschrieben: „Advent und Weihnachten ist wie ein Schlüsselloch. Durch dieses Schlüsselloch fällt an Weihnachten auf unsere dunkle, kühle und gestresste Welt ein heller Schein …“. Ich finde das ist ein schönes Bild. Wenn ich durch ein Schlüsselloch schaue, dann sehe ich nur einen kleinen Ausschnitt von dem, was dahinter liegt. Wenn etwas Tolles dahinter liegt, dann versuch ich alles, um durch die Türe durch zu kommen. Wenn also Licht durch ein Schlüsselloch fällt, dann werde ich daran erinnert, dass dahinter etwas Besonderes auf mich wartet.

Ist das nun die Zeit wo es stiller wird? Nun, wenn ich in die Läden gehe habe ich nicht den Eindruck. Die Menschen haben jetzt endlich Zeit umzutauschen, Geld auszugeben, Gutscheine einzulösen. Drängeln, schieben, schimpfen … von besinnlich oder gar Stille ist da nichts zu spüren. 

Und auch ich bin noch unruhig. Das geht mir oft so in dieser Zeit. Sie hat immer etwas von Ende und Anfang. Und somit für mich etwas von Aufbruch. Was wird das neue Jahr bringen? Was erwartet mich am Ende von „zwischen den Jahren“. Natürlich, ich darf wieder arbeiten gehen. Ein Stück Alltag, der durchaus etwas Beständiges ausstrahlt, das beruhigt. Aber doch gibt es viele Variablen die einen Einfluss auf den Verlauf haben werden.
Ja, ich habe eine ungefähre Vorstellung. Auch bemühe ich mich, Pläne zu definieren. Wobei ich persönlich von so genannten Vorsätzen nicht viel halte. Aber Ziele, die kann und sollte ich haben. Wie realistisch – oder besser realisierbar - die sind, liegt dann wiederum an mir. Ich bin ehrlich, dieses Mal tue ich mich ein wenig schwer damit…
Ich denke mir hilft da, nochmal einen Blick zurück werfen. Wie war das vergangene Jahr. Was habe ich erreicht, wo führte mein Weg entlang, wer hatte Einfluss und warum habe ich dies oder jenes getan oder gelassen? Nicht alle Fragen kann ich so einfach beantworten oder klären. Aber ich sehe, dass es gut war. Das ich abschließen kann und nicht allzu viele ‚Altlasten‘ mitnehme. Leichter unterwegs bin, als befürchtet … und Neues wagen kann, weil ich bei mir und mit mir bin.

So erreiche ich auch eine Stille in mir. Und so finde ich trotzdem, dass die Tage und Nächte zwischen den Jahren ihre besonderen Geheimnisse und Chancen haben. Die ich nutzen darf als nachdenkliche und erfüllte Zeit. Wann sonst kann man so gut innehalten und den Reiz zwischen Altem und Neuem spüren, zwischen Erinnerung und Vorschau, wenn nicht in diesen Tagen?

Und dann kann ich gestärkt den Anfang machen … Man sagt, Punkt 24 Uhr sei die Grenze zwischen dem alten und dem neuen Jahr. Nun, ob ein Jahr neu wird, liegt wohl nicht am Kalender, nicht an der Uhr. Ob ein Jahr neu wird, liegt an mir. Ob ich es neu mache, neu anfange zu denken, neu anfange zu sprechen - ob ich neu anfange zu leben…

Alles ist gut!

Tabula rasa oder vom Zauber des Neuanfangs …



Neu anfangen zu können ...
ein einziges Mal wenigstens ...
nicht aufzuräumen haben ... weglegen und lassen dürfen, was nicht fertig wurde ...
einen Abschnitt machen können ... bis auf den Grund ...
ein Meer zwischen gestern und heute bringen ...
ein einziges Mal wenigstens ... ein Neuer sein dürfen ...
das ist's ... was einen hinübertreibt über die Wasser!
dieser große stille Morgenwunsch jedes neuen Tages, jedes neuen Jahres ...
mit seinem schönen Mutigwerden!

Mit dünnen spinnigen Armen aber greift es herüber
schattenhaft, schadenfroh
und kettet jedes Heute mit hundert kleinen Zetteleien an Gestern
und saugt sich herzblutgierig an ihm fest und lähmt ihm gleich das Beste wieder, das es hat:
den frohen Mut, neu anzufangen ... ein einziges Mal neu anzufangen! (Cäsar Stuart)
 
Das Handy …Wie machen wir uns doch in Vielem von diesem kleinen Ding abhängig. Wir speichern Telefonnummern, Notizen, der Wecker, Erinnerungen an wichtige Termine, Fotos etc. Wie viel Zeit verbringen wir damit, in dieses kleine Ding zu schauen, daran herumzuspielen. Schnell mal sehen, ob eine Nachricht gekommen ist. Schnell mal ein Foto gemacht. Schnell mal einen Termin vereinbaren …

Ich bekenne mich schuldig, auch ich gehöre durchaus zu den Menschen, die ohne dieses technische kleine Wunderwerk nicht mehr sein möchten. Und darum möchte ich mich hier auch nicht dort einreihen, wo darüber hergezogen wird, wie schlimm das ist, dass die Menschen angeblich nur noch auf den kleinen Bildschirm starren und darüber die Welt um sich vergessen. Das die Jugend nur noch digital kommuniziert und die Sprache dadurch verarmt. Mag sein, dass der eine oder andere so ist. Ich nutze es als Mittel zum Zweck – grad so wie mein Auto. Das ich trotzdem ganz toll finde. Mit anderen Worten: Ich mag mein Handy!

Und dann das! Tabula rasa!

Tabula rasa bezieht sich ursprünglich auf eine geglättete Wachstafel und bedeutet: unbeschriebene Tafel. Dies wurde ganz wörtlich genommen.
Hiermit wurde aber in der Psychologie auch im übertragenen Sinne die Seele in ihrem ursprünglichen Zustand bezeichnet; das heißt bevor sie Eindrücke von der Außenwelt empfängt.
Heute wird dieser Ausdruck häufig dafür benutzt, etwas (in manchmal ‚rabiater‘ Weise) wieder in einen ursprünglichen Zustand zu versetzten, auszuradieren oder löschen.

Und nicht immer geschieht dies in voller Absicht. Das beste Beispiel: Handy!

Das meine zickte schon eine Weile ein bisschen. Als die Handhabung dann aber doch etwas kompliziert wurde – einige Knöpfe verweigerten schon den Dienst – und zu befürchten war, dass es komplett den Geist aufgibt, war es an der Zeit etwas zu unternehmen. Nun, da es ein Geschäftshandy ist, habe ich die IT angerufen und mir wurde ein Ersatz zur Verfügung gestellt. Natürlich nicht ohne mich vorher zu ermahnen ein Backup zu machen. - Kein Problem.

Habe dann das neue Handy geholt. An den Rechner angeschlossen und siehe da – es ist kein Backup vorhanden. Waaaaas? Argh! Das kann nicht sein! … Doch es kann.

Im ersten Moment überkommt mich ein Gefühl der totalen Katastrophe. Mir wird abwechselnd heiß und kalt. So eine Sch… Alles futsch!

Doch nachdem der erste Schock überwunden ist, kann ich wieder klarer denken. Was ist nun eigentlich verloren?
Telefonnummern … Nun, es liegt wohl an meiner ‚Generation‘, dass ich der Technik trotz allem nicht hundert Prozent vertraue und ich mir die wichtigsten Nummern zusätzlich auf ein ganz normales Blatt Papier geschrieben habe. Also ich brauche sie nur wieder eingeben. Naja und alle anderen? Waren auf dem Handy, weil sie auf dem Handy waren. Ein-, zweimal angerufen und dann war der Vorgang erledigt und sie gammelten auf dem Speicherplatz vor sich hin.
Musik … also erstens waren nur ein paar wenige Songs auf dem Handy und zweitens haben ich die meisten zuhause auf dem Computer gespeichert. Könnte ich also wieder draufziehen. Oder – viel besser – einfach ein paar neue runterladen. Denn wenn ich ehrlich bin, die waren so oder so nicht mehr so ganz meine Favoriten.
Fotos … bis auf die der letzten zwei Tage hatte ich kürzlich schon mal alle auf dem PC zur Weiterverarbeitung gespeichert (und dabei gleich den ganzen unnötigen Schrott entsorgt).
Whatsapp-Chats … naja, was habe ich Weltbewegendes kommuniziert? Hier mal einen Termin vereinbaren (die ich dann im Übrigen in meinen ganz altmodischen papiernen Kalender eintrage); ein ‚wie-geht’s?‘ oder einfach der Austausch einer kurzen Information, die Minuten später eh nicht mehr aktuell ist? Ist das alles so wichtig, dass ich es Wochen, Monate oder gar Jahre aufbewahren muss? Ganz sicher nicht.


Also was fehlt mir? Nichts. Und plötzlich werde ich völlig ruhig. Und dann denke ich mir: das ist doch toll! Es ist die Chance neu anzufangen, ohne die Altlasten von gestern und vorgestern und letzter Woche und letztem Jahr. Loslassen, was sowieso unwichtig ist. Frei sein von all dem, was mich unbewusst beschwert, am Boden hält. Datenmüll im Nirvana des großen schwarzen WWW-Lochs verschwinden lassen.

Frisch und unberührt, wie ein weißes Blatt Papier, das ich nun ganz nach meinem Gutdünken bemalen kann … Vielleicht sollte ich öfter mal ein bisschen ‚Tabula rasa‘ machen – nicht nur auf dem Handy!

Was erwarte ich?



Advent ist Erwartung
Aber was erwarte ich?
Lourdes
Welche Gedanken bewegen mich?
Glaube ich noch
An das, was schon lange
In meinem Inneren
Verschüttet zu sein scheint?

Habe ich meine Träume
Meine geheime Sehnsucht
Nach Originalität
Nach Entfaltung meines Lebens
Schon aufgegeben?

Erwarte ich noch
Dass sich etwas Unfassbares
Wunderbares
In meinem Leben ereignet?
Advent – heißt:
In Erwartung
Gerades dieses

»Unmöglichen« zu sein 

(Gudrun Kropp)

Vorweihnachtliche Lesung und Gespräch ...



Der gleiche kritische Sinn, der bewirkt, dass wir etwas Gutes schreiben, lässt uns auch befürchten, es sei nicht gut genug, um lesenswert zu sein. (Jean de La Bruyère)

… was mich aber nicht davon abhielt am letzten Dienstag, der Einladung der Selbsthilfegruppe des Blauen Kreuzes zu folgen und eine exklusive Lesung zu halten. Es wurde eine sehr feine, aber nicht kleine Lesung im Nebenraum der Johannes-Kirche in Bernhausen. Ca. 50 Interessierte hatten sich von der guten Werbung, die ein alter Freund Bernd gemacht hatte, anlocken lassen. Viele davon erzählten mir vorab, sie seien noch nie bei einer Lesung gewesen und könnten sich so gar nicht vorstellen, was sie erwartete. Nun auch für mich ist jede Lesung immer wieder ein Abenteuer; verschiedene Lokalitäten, verschiedenes Publikum. Und ich bin ja auch nicht immer gleich gut drauf …
Unter den Zuhörer waren auch meine Mum, mein treuer FK Fan Club und ein paar ganz alte Freunde, die ich seit über 20 Jahren nicht gesehen hatte. Das machte es nochmal spannender für mich.

Wir begannen den Abend, wie die Gruppe hier immer ihren Abend beginnt, mit einem Lied (vorweihnachtlich passend zur Adventszeit) und einem Gebet. 
Dann las ich los. Ich brauche immer ca. 5 Minuten, bis ich dann so richtig drin bin, aber dann kaum aufzuhalten. Gebanntes Lauschen, hin und wieder ein Lacher, ein Mitleiden und Spannung allenthalben. Auf dem Weg sein …

Nach ca. 90 Minuten dann der Schlusssatz. Viele meinten, sie hätten noch ewig zuhören können. Nun, das glaube ich nicht, aber es ist macht wirklich Spaß, Menschen für mein Thema und mein Buch zu begeistern.

Als Dank gab es viel Applaus und einen wunderschönen Blumenstrauß. Und der häufigste Kommentar beim Abschied war: „Jetzt würde ich am liebsten sofort loslaufen …“.