»Um Kraft für den Tag zu schöpfen, sollte man das Haus
verlassen und dem Sonnenaufgang zusehen.«
... der morgendliche Blick aus meinem Bürofenster (Foto),
erinnert mich an etwas, dass ich in meinem Buch „Manchmal muss man einfach
weiterlaufen“ geschrieben habe. Das war
am 1. März und ich auf dem Weg von Toul nach Domrémy-la-Pucelle:
(…) Die Sonne steigt gerade über den Horizont, als ich
lospilgere. Ich liebe diesen Anblick, wenn der Tag gerade erwacht. Es
fasziniert mich. Ich denke, dass der Lauf der Sonne die Menschen schon immer
fasziniert hat. Genau genommen ist es ja die Erde, die sich bewegt, aber darauf
kommt es nicht an. Die Sonne, die morgens aufgegangen ist, wird am Abend
untergehen, so viel ist sicher, auch an den Tagen, an denen sonst nicht viel
sicher ist. Die Sonne gibt uns den Takt. Sie ist das große Rhythmusinstrument
der Schöpfung. Ohne Sonne keine Tage, keine Jahreszeiten, kein Wachsen, keine
Nahrung, kein Leben. Wenn das ganze Leben ein einziger strukturloser Zeitbrei
wäre, wir wären heillos überfordert. Die Stunden, Tage, Monate, Jahre, das ist
es, was wir bewältigen können, weil es unserem Maß entspricht.
Mir fällt eine
Meditation der Anonymen Alkoholiker ein, die ich mal gelesen habe. Und leise
sage ich sie vor mich hin: „Morgen wird
die Sonne aufgehen, entweder in ihrem vollen Glanz oder hinter einer
Wolkenwand. Aber eines steht fest: Sie wird aufgehen. Bis sie aufgeht, sollten
wir uns über den morgigen Tag keine Sorgen machen, weil das Morgen noch nicht
geboren ist. Jeder Mensch kann nur die Schlacht von einem Tag schlagen. Dass
wir zusammenbrechen, geschieht nur, wenn wir die Last dieser zwei
fürchterlichen Ewigkeiten zusammenfügen: gestern und morgen. Es ist nicht die Erfahrung
von heute, die die Menschen verrückt macht; es ist die Reue und Verbitterung
über etwas, das gestern geschehen ist, oder die Furcht vor dem, was das Morgen
wieder bringen wird.“
Gut zu wissen, dass
die Sonne auch morgen wieder aufgehen wird. Und jetzt, jetzt ist erst mal heute
und der Weg führt mich an der Straße entlang durch die Vororte von Toul (…)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen