Die Herausforderung, Teil III



»Jede Erinnerung entdeckt uns neu.« (Anke Maggauer-Kirsche)

Ich wollte schon immer hoch hinaus … und wie heißt es so schön, mit 14 hat man noch Träume (mit 48 übrigens auch J). Aber ob die auf dem Rücken eines Kameles lagen? Eher nicht.
Nun, in dem Jahr waren wir jedenfalls mal wieder mit dem Wohnmobil unterwegs. Die Fahrt führte uns unter anderem auch nach Marokko. Das war im Sommer 1981.
Meine Eltern haben uns immer ‚gezwungen‘ Tagebuch zu schreiben (immer reih um jeden Tag einer von uns fünf), weil später erinnert man sich vielleicht nicht mehr so gut an die Ereignisse. Heute bin ich Ihnen dankbar dafür und möchte Euch einen kleinen Originalausschnitt (inklusive der gemachten Fehler) dieser hochliterarischen Dokumentation nicht vorenthalten. Voilà:

9. Tag. 22.7.81. Am morgen waren ein paar von uns am überlegen, ob sie noch mal ins Wasser gehen wollten liesen es aber doch, weil Daddy zur abfahrt drängte. Schon nach kurzer Zeit hatte Daddy an einer Agentur am Straßenrand Tickets für die Überfahrt besorgt. 1 Stunde später waren wir auf den Schiff. Jede halbe Stunde wurde abwechseln aufs Auto aufgepaßt. Auch am Marokanischen Zoll hatten wir Glück, alles ging gut. Auch den Camping haben wir gleich gefunden. Da das Schwimmbad saubergemacht wurde, ist ein Teil der Familie in die Stadt Tanger gelaufen und hat sich auf dem Suck umgesehen. (…)
11. Tag. 24.7.81. Morgens wollten wir noch kurz die „Casa“ in Rabat ankucken. Aus kurz wurde nichts: denn wir hatten sofort einen Führer am Bändel, der uns durch die ganze „Casa“ zwei Stunden lang führte. Karen u. Wiebke passten während dessen aufs Auto auf. Danach fuhren wir über Casablanca nach El-Jadida auf einen Camping mit Swimming Pool, wo auch sofort gebadet wurde. Zum Abendbrot gabs dann eine absolute Delikatesse: jeder bekam eine ganze Langunste! (…)
14. Tag. 27.7.81. Am morgen durften wir ausschlafen, weil wir beschlossen hatten noch ‘nen Tag hier zu bleiben. Wir trafen uns mit dem gestrigen Führer, der uns schon eine Kutsche besorgt hatte, und fuhren zum Suck. Da Daddy wieder Geld hatte kauften wir ein indem wir die Preis mindestens um die hälfte runter handelten. Auf dem Rückweg amüsierten wir uns noch über die vielen Männer die Daddy x Camele für uns geboten haben. Selbst unser Führer wollte Karen heiraten. Bei der Mosche machte Mami noch Pfotos und ab ging es zum Camping, wos wir erstmal eine Melone schlachteten. Am Spätnachmittag sind Mami, Daddy und Schniddi noch zu den Märchenerzählern und Schlangenbändigern gegangen. Abens haben wir noch Tee mit frischer Minze getrunken. (…)
17. Tag. 30.7.81. Heute Morgen wurden wir von der Sonne und Fliegen geplagt schon ziehmlich früh wach, bei 50° in der Sonne um 7:30 kann ja auch keiner mehr schlafen. Nach’m Frühstück wurde sofort wieder mit Wasser rum gespritzt. Das Wasser plantschen hat so’n Spaß gemacht, daß wir viele Leute damit angesteckt haben, sogar mit den Engländern haben wir uns rum geschlagen. Am Nachmittag waren Mami, Daddy und Antje noch in der Stadt fürs Abendbrot eingekauft und dann hatte Mami soviel gekocht, daß wir gar nicht alles aufessen konnten, da wir n ganze Tag in der Sonne gewesen sind hatten wir nicht so viel Hunger. Also haben wie den Rest an auch Stuttgarter verfüttert und sind dann ziehmlich früh noch ins Bett.
18. Tag. 31.7.81. Endlich mal ein Tag an dem man ausschlafen konnte: keine Sonne ließ einen an die Sauna denken, keine Fliegen brachten einen zum Wahnsinn; denn: Heute war der Himmel bewölkt und eine  „kühle Brise“ wehte. Mit anderen Worten ein herrlicher Tag.
Heute wollten wir von Meknes nach Tanger auf den Camping fahren. Erst noch Geld gewechselt, und dann nichts wie los durch den „kühlen Tag“. Zum Mittagessen gab es eine ganze große Melli, und zusätzlich später noch Tuc. Am späten Nachmittag kauften wir dann noch Maiskolben für das Abendbrot ein. In Atanger wurde dann beschlossen diese als Vorspeise zu essen, und dann auf den Platz Marokkanische Cous-cous essen zu gehen. Superbe! Das war vielleicht eine Schlacht! Hinterher sah es aus wie auf ‘nem Bundeswehrball (siehe Blue Boy Charming Mike). Daddy versprach noch eine deszifierung mit Witzki oder Ricard, aber das vergassen wir dann.
19. Tag. 1.8.81. Auch heute durften wir ausschlafen, und auch heute blendete uns keine Sonne, da keine vorhanden war. Nach einen ausgibigen Frühstück haben Jens Mami und Daddy in Tanger Postkarten eingekauft, und als sie zurück kamen wurde gleich angefangen zu schreiben. Omas, Tanten, und Freunde. Beim Abendbrot haben wir dan noch versucht das Lied  „Ride to Agadir“ zu übersetzen, und sind dan auch bald ins Bett bzw. aufe Luma…

Toll oder? Ach ja und bitte, nicht nachfragen, wer das Kind da vor mir auf dem Kamel ist (Bild 3 von 5.). Ich hab keine Ahnung :-)

Die Herausforderung, Teil II


»Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen.« (Theodor Fontane)

Wir schreiben das Jahr 1975. Inzwischen sind wir wieder einmal umgezogen (ich glaube das vierte Mal in meinem noch recht jungen Leben). Nach einem dreiviertel Jahr in Deutschland, leben wir wieder in einem heißen Wüstenland…

Beim Durchstöbern der alten Fotos, stelle ich fest, dass wir in all der Zeit, die wir in fernen Ländern lebten, fast jedes Jahr Fasching (oder Karneval oder wie immer man es nennen will) gefeiert haben. Und wir kommen definitiv nicht aus einer Gegend, in der das selbstverständlich ist. Umso interessanter finde ich es … Vielleicht ist es so, wenn man weit weg von der ursprünglichen Heimat ist, dann pflegt man die Bräuche mehr, um sich ein Stück davon herbeizudenken. Oder sich eben eine Heimat in der Fremde zu schaffen.
Denn Heimat ist ja nicht an  einen Ort gebunden. Und was kann ich mitnehmen von meiner Heimat, wenn ich woanders hingehe? Klar, Kleidungsstücke, vielleicht ein paar Bücher und wenn ich Glück habe auch das eine oder andere Möbelstück ... Aber viel ist es nie.
Und ich glaube, es lohnt sich, diesen Gedanken sozusagen in mein eigenes Zuhause mit einzubauen: Kleine Traditionen und alte Bräuche, die Beziehung zu anderen Menschen, der Zusammenhalt einer Familie. Die sind nicht an einen Ort gebunden. Die bleiben auch, wenn ich woanders neu anfangen muss. Das ist dann sozusagen eine Heimat zum Mitnehmen...

Hier auf Bild 2 von 5, war auch mal wieder Fasching. Ich bin inzwischen 8 J. alt. Kleine Mädchen verkleiden sich gerne als Prinzessin oder etwas ähnlich ‚Hübsches‘. Ich war da wohl keine Ausnahme. Und wer wünscht sich nicht, die gute Fee käme vorbei mit ihrem Zauberstern und sagt: Du hast drei Wünsche frei …
Das Bemerkenswerte am Karneval in jenem Jahr war jedoch nicht ich, sondern mein Bruder. Der hatte sich als Ballerina verkleidet und wurde nirgends erkannt. Und wenn, dann sorgte es für allgemeine Heiterkeit – jedenfalls erzählt meine Mutter diese Geschichte ziemlich gerne ;-)

Heute bin ich im Grunde meines Herzens ein Faschingsmuffel – und wenn ich mich verkleiden müsste, dann wohl eher als Punker oder Rocker.
Nun, zum Glück sind solche alten Fotos erhalten, die dokumentieren, dass es nicht immer so war …

Die Herausforderung, Teil I



»Wir wollen aus der Vergangenheit das Feuer übernehmen, nicht die Asche.« (Jean Jaurés)

Meine liebe Schwägerin Sanni nominierte mich kürzlich für eine Challenge … Bin ja kein großer Fan von sowas, aber ich dachte, ich versuche es mal. So habe ich mich gestern auf eine Reise durch mein Leben begeben, um 5 Fotos die älter als 15 J. sind zu suchen und finden.

Prinzipiell ist das einfach, man nehme ein paar Alben oder Schuhkarton voller Fotos (also nix digital, echtes Papier zum Anfassen), schaue diese durch und greife Fotos heraus. Nun, solche Alben und Boxen habe ich, aber da ich mich noch nie gerne habe fotografieren lassen (habe immer lieber selbst hinter der Kamera gestanden) gibt es entsprechend wenig Bilder von mir. Dennoch, ich wollte es versuchen.
Also, die alten Fotoalben bzw. -boxen aus dem Regal nehmen; dabei kam mir erstmal eine kleine Staubwolke entgegen. Habe da wohl schon ziemlich lange nicht mehr reingeschaut. Jetzt aber eines nach dem anderen durchgeblättert.

Mein armer Hund Clyde, der um diese Uhrzeit normalerweise friedlich vor sich hindöst, dachte sicher ich bin verrückt geworden. Ich musste ein paar Mal ziemlich lachen, habe geschimpft und Kommentare in seine Richtung abgegeben (schließlich kennt er die Geschichten ja nicht, er ist erst 12). Mögliche Bilder habe ich mit post-ist versehen.
Als ich mich durch alle Alben durchgewühlt hatte, sah ich nur noch rosa (post-ist). Ok. So geht das nicht. Noch mal von vorne.

Also überlege ich – weil ich mich nicht gerne fotografieren lasse – nur Fotos rauszusuchen, auf denen ich eher vorteilhaft dargestellt bin. Aber bin das dann ich? Dann denke ich, nee, die ‚Schnappschüsse‘ sind doch viel lustiger! Aber das spiegelt ja auch nicht mein Leben wieder – oder gar mich … Intuitiv vielleicht … Ausschlussverfahren ginge auch, z.B. Babys sehen alle irgendwie gleich aus, also die fallen schon mal weg.

Gerne hätte ich nun tolle Landschaftsbilder genommen, davon habe ich reichlich aus vielen Teilen der Welt. Aber es geht ja um Fotos von mir. Ungern, aber ich beuge mich den Spielregeln, sonst bräuchte ich ja nicht mitmachen. So verlangsame ich das Tempo und mache nochmal die Reise. Angefangen in meiner Kindheit, die Jahre im Ausland. Okay, die meisten Bild kann (will) ich hier nicht posten. Wir haben in sehr heißen Ländern gelebt und damals dachte man sich noch nichts dabei, ein kleines Kind ‚leicht‘ bekleidet abzulichten… Dann meine Jugendjahre, die 80er. Ich ging da voll mit der Mode, so erinnere ich mich. Aber aussagekräftige Bilder gibt es wenig... Unsere Wohnmobilzeit, immer unterwegs, der Sonne entgegen… meine Lehrzeit in Freiburg, meine erste Reise alleine, nach Amerika (ich war gerade 21)... dann die wilden Jahre, in denen ich mit dem Motorradclub ‚The Rascals‘ unterwegs war. Unzählige Motorradtreffen, wobei auch hier manche Fotos nicht Öffentlichkeitstauglich sind… und dann gibt es eine große Lücke. Die weniger guten Jahre, ohne Fotos, sogar ohne schriftliche Aufzeichnungen. Stillstand… 15 Jahre, das bedeutet, alles vor dem Jahr 2000... Schade, danach hätte ich wieder ein ganze Menge.

Ich bin überrascht, von meinem Leben in Bildform. Aber es macht mir auch Spaß mich ein bisschen darin zu verlieren. Erinnerungen nachhängen… Letztlich treffe ich eine Auswahl, auch wenn das echt schwer ist. Und schicke an dieser Stelle ein Danke an Sanni, dass Du mich auf die Reise geschickt hast. Ich kann es jedem nur empfehlen, das mal wieder zu tun – aus purer Nostalgie, nicht um darin hängen zu bleiben.
Nominieren tue ich niemanden, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass nicht jeder gerne einfach so benannt wird. Aber wie gesagt, auch mal einen Blick zurückwerfen, damit man sieht, wie weit man im Leben gekommen ist, um dann so gestärkt weiterzulaufen …



Und hier nun Bild 1 von 5: Ich gebe es ja zu, manchmal steckt auch in mir ein kleiner Angeber :-) … aber da ich der Meinung bin (oder es mir zumindest einbilde), dass dieser Herr seinen Teil dazu beigetragen hat, das ich bis heute eine ungebrochene Liebe zum geschriebenen Wort pflege, ist es eines meiner Lieblingsbilder. Ich bin 5 ½  Jahre alt und gerade eingeschult. Mein Klassenlehrer kein geringer als Walter Kempowski, zu der Zeit allerdings noch kein so ganz berühmter Schriftsteller, wie er mal werden sollte …

Ich wünsche einen supertollen Wochenstart ...

Ich war eine Woche sozusagen in Klausur (Seminar der Freundeskreise Baden-Württemberg e.V.). Ein paar Tage Aufenthalt auf dem Hegershof bei der Christusträger-Schwesternschaft. Mal ein bisschen raus und weg von allem und Zeit für mich und in intensiven Gesprächen mit Gleichgesinnten verbringen. Thema diesmal war „Demut“ … ein paar Gedanken dazu:

Das richtige Maß
Für alles gibt es ein richtiges Maß, auch für den Mut. Wer sich viel zutraut, der wird leicht über-mütig. Wer sich mehr zutraut, als er kann, der wird hoch-mütig. Auf der anderen Seite: Wer sich ganz wenig zutraut, der ist mut-los.
Ich glaube, das richtige Maß an Mut, die richtige Einstellung zu mir und meinen Fähigkeiten liegt irgendwo zwischen Mutlosigkeit und Hochmut, aber es ist gar nicht so einfach, sie zu treffen.
Damit das gelingt empfiehlt sich eine ganz andere Form von Mut: Die De-Mut. Wie bitte Demut? Das klingt doch nach Unterwürfigkeit – nach einem Hund, der den Schwanz einzieht aus Angst, von seinem Herrn geschlagen zu werden. Das soll das richtige Maß an Mut sein?
Aber wenn ich genauer hinschaue, dann merke ich, dass das, was ich hier mit Demut meine, nichts mit dem zu tun hat, was mir dazu spontan durch den Kopf geht.
Demut, das ist für mich der Mut, der mit der eigenen Kraft rechnet. Es gibt nicht nur mich und das, was ich tun und leisten kann. Es gibt da noch etwas, - meine höhere Weisheit – die mehr tun kann als ich mir oft bewusst bin und das es Möglichkeiten gibt, wenn ich mit meinen Möglichkeiten am Ende bin.
Demut bedeutet auch, dass ich meine Grenzen akzeptieren kann. Ich brauche nicht hochmütig zu denken, ich kann und muss alles allein hinkriegen. Ich brauche aber auch nicht mutlos zu verzweifeln, weil ich mir zu wenig zutraue. Sicher ist, ich kann auch aus dem, was misslingt, noch Gutes bewirken.
Für mich heißt das zum Beispiel, wenn ich an einem Text für den nächsten Freitag sitze, dass ich weder hochmütig denke, ich könnte mit meinen Worten Alle überzeugen, noch mutlos meine, dass meine Gedanken sowieso niemanden interessieren. Ich mache es einfach so gut ich es kann und habe Vertrauen!




Warum kriegt man Falten im Gesicht, wo am Po doch so viel Platz ist …



»Bücher sind in den meisten Fällen Zufallsbekanntschaften.« (Brigitte Fuchs)

Buchmesse in Frankfurt 17.10.15. 
Gut das ich Freitag frei hatte und einen echt gechillten Tag. Zwar habe ich in der Nacht nicht so supertoll geschlafen – seltsame Träume ‚plagen‘ mich – aber als um fünf der Wecker klingelt, bin ich wach und munter. Da das ja eh meine übliche Zeit ist, ist es kein Problem gleich aufzustehen. Clyde ist heute Morgen auch schon recht fit und so klappt alles reibungslos. Gegen sechs bringe ich ihn zu Mum und Dad, die heute netterweise auf ihn aufpassen werden. Ich versuche es so routiniert wie sonst zu tun, damit er nicht merkt, das etwas anders ist, als an den Bürotagen. Wobei mein Hund schlau ist und sicher trotzdem etwas bemerkt. Aber bei Oma und Opa springt er fröhlich in die Wohnung und guckt ob die noch schlafen. Ich schleiche mich schnell weg.
Zu Hause versuche ich noch etwas zu frühstücken (eine kleine Portion Müsli), aber es ist einfach zu früh und ich kriege fast nichts runter. Kaffee, das geht immer. Wollte ich mich damit – ob der längeren Busfahrt nachher – nicht etwas zurückhalten? Ach egal.

Um kurz vor sieben gehe ich nach unten und warte auf Sabine.
Auf der Hauptstraße in Leinfelden ist schon ziemlich viel los zu dieser frühen Stunde am Samstagmorgen. Die Vorbereitungen für das Krautfest, das dieses Wochenende stattfindet, laufen auf Hochtouren. Ich beachte es eher weniger, hoffe aber für die Veranstalter, dass das Wetter noch etwas besser wird. Die letzten Tage waren ja eher novemberisch und wenig geeignet für eine Hocketse.

Während ich warte, sinniere ich vor mich hin … als ich vor zwei Jahren das erste Mal auf der Buchmesse war (hier der Bericht "Ohne Nebenwirkung?"), bin ich alleine dort hin. Ich wollte gerade mein erstes Buch veröffentlichen und hatte doch ein weinig Hoffnung dabei, dass ich dort die Möglichkeit bekomme zu Verlagen Kontakt aufzunehmen. Dem war letztlich nicht so, aber ich war um einige Erfahrung und Ideen reicher zurückgekommen. Dieses Mal hatte es sich so ergeben, dass wir zu zweit fahren. Trotz der etwas blöden Umstände, denn die Busfahrt mit der VHS Leinfelden war abgesagt worden.  Wir hatten uns dann gegenseitig versichert, dies sei kein Zeichen nicht zu gehen, sondern eine Alternative zu finden. Wobei ich zugebe, alleine hätte ich den Gedanken dann wohl aufgegeben … Aber so fahren wir dieses Jahr mit dem Bus der Buchhandlung Wittwer. Kleiner Nachteil, der startet in Stuttgart in der Innenstadt. 

Sabine ist natürlich pünktlich. Die Fahrt in die Stadt ist easy. Sabine hatte im Voraus schon ein Parkhaus ausgesucht, wo sie ihr Auto abstellen kann. So, alles gut.
Kurz nach halb acht stehen wir vor der Buchhandlung in der Königstraße. Wir dachten wir sind die ersten, aber falsch gedacht. Es stehen bestimmt schon sechs oder sieben andere Mitfahrer da. Kurze Zeit später kommt auch die Dame der Buchhandlung Wittwer. Ich gebe zu, ich habe mir nur ihren Vornamen ‚Cornelia‘ gemerkt. Der Doppel-Nachname hat zu viele kczs drin. Sie begrüßt uns gut gelaunt. Für alle gibt es, nach Namensnennung bzw. –prüfung,– erstmal eine Tasche mit eine paar ‚Goodies‘. Und schon laufen wir zum Bus. Nachtblau hat Cornelia gesagt, ist er. Schön, ein Doppeldecker. Da wir die zweiten sind, die einsteigen (es hat ja durchaus Vorteile einen Nachnamen zu haben, der mit ‚B‘ anfängt, da steht man auf Namenslisten immer ziemlich weit oben), bekommen wir den Platz oben ganz vorne mit klasse Aussicht!

Wie kleine Kinder müssen wir jetzt erstmal schauen, was in der Tasche ist, die wir bekommen haben. Klar, ein paar Prospekte, Gutscheine für Give-aways von Verlagen auf der Buchmesse, zwei kleine Marsriegel, ein richtig schönes Lesezeichen und ein tolles Notizbuch. Wir freuen uns, die geben sich wirklich Mühe! Wenn alles andere auch so gut klappt …
 Fast pünktlich um acht fahren wir los. Zwar fehlt laut Cornelia noch eine Person, aber der oder die hat Pech gehabt … Durch die Stadt auf die Autobahn, ohne Probleme. Während wir rausschauen und quatschen vergeht die Zeit wie im Flug. Wir bekommen auch noch was auf die Ohren, nämlich eine CD mit Infos zur Messe, den Ausstellern, den Hallen etc.

Als wir gegen halb elf auf den Busparkplatz vor Halle 10 ankommen, sind dort schon ziemlich viele Messebesucher unterwegs. Ich habe ein kleines Dejà-vu (vor zwei Jahren lief es genauso ab). Und schon schieben wir uns mit der Menschenmenge zum Eingang. Als wir die lange Schlange vor der Eintrittsschleuse sehen, beschließen wir erst noch schnell zur Toilette zu gehen. Okay, auch hier eine Schlange und von schnell keine Rede. Aber eine Dame, die gerade die Treppe des angrenzenden Treppenhauses herunter kommt, meint oben im zweiten Stock wäre alles frei. Sportlich wie wir sind, joggen wir die Stufen rauf und tatsächlich, keine Schlange. Geschafft.
Dann können wir in aller Ruhe das Messegelände betreten. Ich erinnere mich, wo wir entlang gehen müssen. Wir haben beschlossen, zunächst zu Halle 3 zu laufen. Hier gibt es Literatur und Sachbücher (von Belletristik, Romanen über Kinder- und Kochbücher, bis hin zu politisch-motivierten Werken usw.). Das interessiert uns mehr, als Kunstbücher und ausländische Verlage.
Draußen verläuft sich die Menge ziemlich, aber beim Betreten der Halle wird schnell klar, es ist sehr voll. Ein erstes Durchschieben, bisschen hier und da gucken und wirken lassen. Die vielen ausgestellten Bücher erschlagen einen fast. Aber als Liebhaber von solchen fühle ich mich zwischen all dem trotzdem wohl. Immer wieder fasziniert mich der Gedanke, wie viele Worte, Geschichten, Gedanken hierin festgehalten und für die Welt konserviert werden. … Und schon ist die erste Stunde fast rum.
Ich brauche dringend erstmal einen Kaffee und eine Kleinigkeit zu essen. Und erinnere mich an einen Kiosk oben, draußen – dahin gehen wir.

Vor der Fahrt hatte Sabine mir geschrieben, dass sie völlig planlos sei, wohin auf der Messe sie gehen wollte oder was tun. Ich hatte daraufhin vorgeschlagen, wir lassen uns einfach treiben und schauen wohin uns das führt. Und gestärkt von Kaffee bzw. Tee und eine große Käsebrezel, machen wir es dann auch so. Wir schlendern an Ständen vorbei. Und wo etwas unsere Aufmerksamkeit erregt, bleiben wir stehen und schauen. Natürlich sticht es mir ins Auge, als ich an einem Stand auf einem Prospekt das Wort „Pilger“ sehe. Es ist der Verlag der Mönche des Klosters Münsterschwarzach (hauptsächlich bekannt durch den Abt, Autor und Vortragsredner Anselm Grün). Eine junge Frau spricht uns an, ob wir uns für das Pilgern interessieren. Ich: Ich bin selber schon gepilgert und habe auch ein Buch darüber geschrieben. Flux habe ich meinen Flyer in der Hand und – natürlich zufällig – habe ich auch ein Buchexemplar dabei. Interessiert fragt die junge Dame mich aus und ich antworte gerne. Wir sprechen sicher zehn Minuten, dann muss sie wieder etwas tun und wir gehen weiter. Sabine merkt noch an, dass es in dieser Ecke der Halle viel ruhiger ist, als woanders. Nun, die Stände hier beschäftigen sich alle mehr oder weniger mit dem Thema Religion in all seinen Facetten. Könnte daran liegen. Das ist nicht so ein Magnet für das große Publikum … 

Wir schlendern weiter, lassen uns treiben. Schauen, staunen, genießen die Atmosphäre. Hören mal hier einem Vortrag, Interview oder einer Lesung zu, staunen da über Buchtitel und lesen Klappentexte, tauschen uns darüber aus.

Wir bestaunen auch all die Dinge, die sich Künstler so rund um das Thema Buch ausdenken. Besonders angetan hat es uns ein Hocker aus Holz, der die Form von aufgestapelten Büchern hat …

Plötzlich ein Stau oder besser Menschenauflauf. Hier gibt es wohl etwas Besonderes zu sehen. Schnell stellen wir fest, die stehen alle an um sich ein Buch signieren zu lassen. Ich recke den Hals und da, an dem Stand eines Kochbuchverlages sehen ich den ersten wirklich prominenten Gast, den ich kenne: Horst Lichter. Seines Zeichens Fernsehkoch und natürlich Rezepte-Buchautor. Aber dafür hier eine Stunde Schlange stehen? Ich weiß nicht …
Wir drängeln uns an der Menge vorbei weiter. Und landen in einem Teil der Halle, in der es sogar etwas zu kaufen gibt (auf der Buchmesse werden – außer in Ausnahmefällen – nur am Sonntag Bücher verkauft). Hier nun gibt es mehrere Stände von Verlagen oder besser ‚Druckereien‘, die Postkarten herstellen. Ganz verschiedene. Mit Kunstmotiven oder Comics, mit Sprüchen von nachdenklich – Jeder einzige Augenblick ist ein Teil der Ewigkeit - über witzig ‚ Warum kriegt man Falten im Gesicht, wo am Po doch so viel Platz ist …‘, nachdenklich ‚ist egal – ich lass das jetzt so – bis hin zu motivierend ‚Ich freu mich so‘. 

Letztere ersteht Sabine für mich und ich nehme mir vor, diese über meine Kaffeemaschine zu hängen. So habe ich dann jeden Morgen, neben dem körperlichen Muntermacher Kaffee auch meine persönliche seelische Aufmunterung positiv in den Tag zu gehen.
Wir schieben uns weiter. 

Interessant wird es immer an den Kreuzungen zwischen den Gängen, wohin gehen wir jetzt? Ich sage: Sag Du Sabine. Sie zuckt mit den Schultern. Ich: Na komm, trainiere Deinen Entscheidungsmuskel. - Okay, da mache ich es mir wohl etwas einfach … letztlich funktioniert es aber ganz gut. Wir wechseln uns mit den Entscheidungen ab.

Sabine liest ab und zu im Blog einer Buchrezensentin. Diese hatte geschrieben, sie sei auch auf der Buchmesse, organisiert ein Treffen von Bloggern. Vielleicht ganz interessant zu sehen, also suchen wir den angekündigten Stand (wir haben uns inzwischen bis Halle 4 vorgearbeitet). Dort sitzen eine ganze Menge Leute herum und reden, wir können uns aber irgendwie nicht so recht darauf einlassen. Nachdem wir eine Weile etwas unschlüssig herumgestanden haben beschließen wir weiterzugehen.
Mein mitgebrachtes Wasser ist längst alle und ich habe Durst. Inzwischen laufen wir auch schon gut drei oder vier Stunden herum. Pause wäre gut, wir sind uns einig. Hinsetzen. Auf der Suche nach einem Getränkestand und einer Sitzgelegenheit, kommen wir zufällig bei einer Lesung vorbei. Ein Buch namens ‚#der Blogger‘ wird vorgestellt. Wir finden sogar noch zwei leere Plätze – ganz vorne – und setzen uns. Aber das was der junge Autor vorliest ist nicht sehr fesselnd oder vielleicht sind wir auch irgendwie zu KO um ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Und rundherum ist es sehr laut. Uns geht die Puste aus und wir stehen auf. Nicht sehr höflich gebe ich zu, aber mir ist gerade eben nicht nach höflich. Ich habe Durst und bevor ich quengelig werde gehen wir weiter. Etwas trinken und eine Weile sitzen. Gesagt getan. Doch auch dann haben wir noch nicht so recht Lust uns wieder ins Getümmel zu stürzen. Frische Luft wäre sicher gut. Wieder sind wir uns wieder einig. Überhaupt stellen wir fest, wir schwimmen auf der gleichen Wellenlänge hier. Das macht es wirklich angenehm.

Draußen auf dem großen Platz sind auch viele Besucher unterwegs. Vor allem sehen wir hier noch mehr der verkleideten jungen Menschen. Ich kläre Sabine auf, dass diese – vor allem Jugendlichen – sich nach Vorbildern ihrer Helden aus Computerspielen oder Mangas kostümieren. Ich hatte diese vor zwei Jahren auch schon gesehen. Teilweise sehen sie richtig gut aus, fantasievoll. Manchmal aber auch sehr … improvisiert - um es mal diplomatisch auszudrücken. Na, wenn es schön macht …
Hier draußen gibt es ein großes Lesezelt, eine Aktionsbühle und so genannte Signierzelte. Vor diesen stehen mal längere, mal kürzere Schlangen. Ich kenne keinen der Autoren und auch nicht ihre Bücher, habe noch nicht mal von den Titeln gehört. Gut, dann brauchen wir auch nicht anstehen und sparen das aus.
So langsam meldet sich auch wieder der Magen mit einem leicht nagenden Gefühl. Etwas essen wäre nicht schlecht. Es ist gegen drei Uhr und der Tag noch lange nicht zu Ende. Doch was, das Angebot der Imbissstände ist ziemlich groß. Wir trainieren unseren Entscheidungsmuskel in dem wir das Ausschlussverfahren anwenden. Letztlich landen wir an einem Stand, an dem es ‚Flammlachs‘ gibt. Der Lachs wird an einer offenen Flamme ‚gegrillt‘, klein geschnitten und im Brötchen mit einer Soße serviert. Leckerst.

So gestärkt wagen wir und dann auch wieder ins Hallengetümmel – ganz davon abgesehen ist es draußen doch recht kühl, zu kühl um sich länger aufzuhalten. Erstmal machen wir einen Abstecher ins ARD-Forum. Sabine macht mich auf einen Herrn aufmerksam, der an einem Stand Autogrammkarten unterschreibt. Das ist doch der … der … na der Gewichtheber ...Sie überlegt angestrengt und irgendwann kommt sie auch auf den Namen: Steiner. Hat der jetzt auch ein Buch geschrieben? Wusste ich gar nicht. Später stellen wir fest, es ist ein Buch in der Reihe von zigtausend darüber, wie man abnehmen und seinen Körper stählen kann – oder so ähnlich. Naja. Da zieht dann auch nur der Name die Verkaufszahlen an.
Allzu viel wirklich Interessantes gibt es hier ansonsten nicht zu sehen. Nun ARD ist eben Fernsehen und nicht ‚Buchverlag‘. Wir beschließen nochmal zur Halle 3 rüber zu gehen. Es ist brechend voll und die Menschenmassen schieben sich durch die Gänge. Wir fühlen uns irgendwie überfordert. An die Stände kommt man eh nicht mehr wirklich dran um etwas zu sehen und sowieso sind wir in der Comic-Ecke gelandet, das ist nicht ganz mein Metier.
In einer kleinen Ecke finden wir noch einen Stand, der uns einen Kaffee bzw. Tee und ein Wasser verkauft. Und einen Sitzplatz. Wir wünschen uns beide, dass der Bus schon um fünf, statt um sechs abfahren würde.  So eine Messe ist anstrengend und hier ist der Input extrem. Der Kopf ist voll von all den Eindrücken und wir sind einfach platt.
So bummeln wir dann langsam in Richtung Ausgang um dort zu warten. Noch mal schnell zur Toilette und dann raus. Der Bus wartet direkt am Ausgang. Wie praktisch, schnell steigen wir ein.
… und wieder pünktlich fährt unser nachtblauer Doppeldecker in die Nacht. Alle sind müde und dösen vor sich hin, während ich mir ein paar Notizen mache.
Unterwegs fängt es an zu regnen. Wir denken an das Krautfest (Sabine hat früher dort auch schon gearbeitet) und hoffen die hatten nicht den ganzen Tag Regen. Das würde mir für die leidtun.
Die Fahrt verläuft ohne besondere Vorkommnisse und der einzige Stau in den wir geraten, ist nach Stuttgart in die Innenstadt rein. Aber auch das überstehen wir und erreichen letztlich gegen kurz vor einundzwanzig Uhr den Schlossplatz. Bald darauf sitzen wir in Auto auf dem Weg nach LE, wo Klaus und Clyde schon auf mich warten …

Ich bin ziemlich geschafft. Diesmal haben mich aber die Massen an Menschen nicht so ‚erschlagen‘, da ich ja wusste was mich erwartet. Auch bin ich nicht gefrustet darüber, dass es tausende von Autoren gibt, die auch gute Bücher schreiben. Habe nicht das Gefühl, dass mein Geschriebenes in der Masse völlig untergeht. Jeder von uns hat seinen Platz.

Und es war ein wirklich runder Tag. Ein paar neue Ideen und Anregungen und Eindrücke … und das gute Gefühl nach ein paar sehr wertvollen Gesprächen. Ich jedenfalls fand es schön diesmal in Gesellschaft dort gewesen zu sein.  … und denke immer noch, trotz der Menge an allem – oder gerade deswegen – wäre ein Besuch der Buchmesse für jede Leseratte zumindest einmal im Leben etwas Erlebenswertes …

As always
thank you for your time.
Wiebke