Caminofeeling in Filderstadt



»Darf ich alles Folgende mit meinen eigenen Worten sagen«, fragte ein Dichter vor der Lesung.

Okay, ich gebe es zu, ich war nervös. Es war zwar nicht meine erste Lesung, aber ich bin immer etwas aufgeregt, vor einem Auftritt vor Publikum.
Ein Großteil meiner Aufregung legte sich dann aber schon beim herzlichen Empfang durch die sehr netten Mitarbeiter des Veranstaltungsortes ‚Bunter Bücherladen‘ in Bernhausen. Allen voran der Inhaber Herr Straub. Ein Willkommen, als gehöre ich schon lange dazu und ich bilde mir einfach mal ein, dass auch prominentere Autoren nicht zuvorkommender behandelt werden.  

Ich liebe die Atmosphäre in Bücherläden. So viele Geschichten, so viel Leben und doch strahlen sie immer eine gewisse Ruhe aus. Das bewirkte, dass ich mich gleich wohlfühlte, ein Ankommen.

Die Stühle standen schon in Reih und Glied und warteten auf die Gäste. Sehr angenehm überrascht war ich von der Vielzahl der Interessierten. Es hatte sich auf die letzten drei Tage noch eine ganze Menge angemeldet und fast alle kamen. Eine bunte Mischung aus Jakobswegpilgern und –interessierten, Leseratten und Neugierigen.
Petrus meinte es gut mit uns und hatte für den Abend die Schneewolken vertrieben. Das trug sicher auch dazu bei, dass bald alle Stühle belegt waren.
Da ich in etwa eine Stunde Zeit für die Lesung selbst hatte, war das Schwierigste auszuwählen, was ich vorlesen würde. Am Dienstagabend hatte sich mein Hund Clyde noch die Generalprobe anhören dürfen, wobei sich seine Begeisterung in Grenzen hielt (irgendwie scheint meine Stimme auf ihn eher einschläfernd zu wirken).
Ich bin kein großer – oder besser guter - Planer. Soll heißen, ich hatte mir zwar überlegt, welche Passagen aus meinem Buch ich vortrage, aber zwischen diesen erzähle ich immer ein paar Anekdoten frei raus und erläutere ein bisschen, was der Moment eben so hergibt. Und da bin ich dann doch spontan, sprich ich kann die Zeit schlecht abschätzen. Es kommt ja auch immer auf die Aufmerksamkeit der Zuhörer an. Diese hatte ich und in der abschließenden Fragerunde gab es noch eine sehr angeregte Diskussion zu verschiedenen Aspekten so einer Pilgerreise. So hatte dann auch keiner bemerkt, dass es inzwischen schon nach halb zehn war.

Ein paar Bücher wurden auch verkauft und signiert und auch hier kamen noch interessante Gespräche zustande, nebst ein paar Komplimenten und dem Feedback, dass es ein gelungener Abend war.

Für mich, alles in allem eine erfolgreiche, wundervolle Lesung. Und ich freue mich schon auf das nächste Event (Termine werden in Kürze bekannt gegeben), denn wie schon an anderer Stelle erwähnt: »Der Kontakt zum Leser ist das Salz in der Buchstabensuppe der Autorin.«

Warten auf den Schneepflug ...



 Seit ich bei Minustemperaturen und Schneetreiben im Februar 2011 meinen Jakobsweg begann, habe ich ein viel besseres Verhältnis zu Winterwetter … doch beim Autofahren in Winterwetter, bin ich immer noch kein Held. Darum, für all die ‚Winterdienstler‘, die oft mitten in der Nacht aufstehen um für uns andere den Weg frei zu räumen …  Danke!

… Um diese Jahreszeit ist morgens mein erster Blick der aus dem Fenster, um zu sehen, wie das Wetter ist. Heute Morgen schneit es. Nun, zum Glück habe ich meine Winterreifen drauf, so dass ich nicht ganz so schnell ins Schleudern gerate.
Draußen ist zwar nicht gerade ein Schneesturm, aber die Flocken fallen beständig und es ist noch dunkel. Aber ich muss zur Arbeit und so mache ich mich auf den Weg. Die Fahrbahn ist mit einer matschigen Schneeschicht bedeckt. Und um diese frühe Uhrzeit sind kaum Autos unterwegs.
Auf meiner Strecke passiere ich ein Stück ‚freies Feld‘ und gerade dort geht es steil einen Hügel rauf – und wieder runter. Ich kann nur noch ganz langsam im Schritttempo weiterfahren. Selbst mit Winterreifen komme ich nicht mehr recht voran. Ich wäre gerne schon angekommen.
Plötzlich höre ich hinter mir Geräusche. Ein gelbes Blinken wird sichtbar und ein schweres Fahrzeug überholt mich. Es ist der Schneepflug. "Gott sei Dank!" Von da an geht alles ganz einfach. Die Straße wird frei geräumt und gestreut und ich kann beruhigt fahren. Wie gut, der Schneepflug fährt vor mir bis ich in der Stadt bin, wo die Straßen schon geräumt sind und helle Laternen leuchten.
Ja, manchmal muss man warten, bis der Schneepflug kommt! Im Leben gibt es viele Situationen, die uns ins Schleudern bringen können. Manchmal ist alles dicht und ich sehe überhaupt nicht mehr, wie es weitergehen soll. Keine Spur von Hoffnung zeichnet sich ab. Wenn überhaupt, geht es nur noch mühsam und im Schritttempo voran. Dann muss ich warten. Ich muss warten bis der Schneepflug kommt.
Ich muss dann Gelassenheit lernen und Vertrauen. Und ich muss Geduld haben, warten, bis Hindernisse, die sich wie Schneeberge in den Weg gestellt haben, auf die Seite geräumt werden. Mit Geduld warten, bis sich ein neuer Weg zeigt, den ich einschlagen kann.
Wenn die Straße frei ist, erscheint ein Schneepflug, der voraus fährt, eher als Hindernis. Ich suche nach der nächste Gelegenheit zum Überholen. 

Doch wenn es dunkel ist, nebelig trüb und wenn der Schnee fällt, dann bin ich froh, dass der Schneepflug vorausfährt.
Ich werde dann hinter ihm bleiben, ganz nah, ich möchte ihn nicht aus den Augen verlieren. Ich will doch nicht ins Schleudern kommen, im Graben landen oder stecken bleiben. Manchmal ist es gut, zu warten, bis der Schneepflug kommt …

Sich erheben



Ein Kollege von mir ist überraschend gestorben. Blutvergiftung, Organversagen … und er kommt nicht wieder zurück. Bei einer Sitzung sagt eine der Kolleginnen. „Ich möchte Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben und an unseren Kollegen zu denken.“ Alle stehen auf. Dann ist es still. Einen Augenblick lang. Ich denke an den Kollegen, den ich kaum kannte. Ich denke an seinen plötzlichen und überraschenden Tod. Ich denke an seine Familie. An die Menschen, die zurückbleiben. Die trauern und mit ihrer Trauer fertig werden müssen.

Dann ist der Augenblick der Stille vorbei. Wir setzen die Sitzung fort. Das Leben geht weiter und wir müssen diskutieren, planen und entscheiden. Wir sind wieder mitten im Leben.

Mir hat das gut getan und gut gefallen. Dass wir alle aufgestanden sind. Dass wir kurz dastanden und schwiegen. Sicher: Der tote Kollege bleibt tot. Aber wir, die wir weiterleben, wir haben für einen Augenblick das Leben angehalten. Haben nichts gemacht, nichts gesagt, waren still. Wir sind aufgestanden.

Es gibt die Redewendung „Zu etwas stehen“. Ich werde aufgefordert: Steh zu deiner Meinung.  Oder ich habe mich blöd verhalten, und dann muss ich dazu stehen. Das ist nicht immer ganz einfach. Zu etwas stehen, das heißt: Ich übernehme Konsequenzen für mein Denken und Handeln. Heißt aber auch: Ich stehe zu mir, selbst wenn es schwer fällt. Jetzt sind wir für unseren Kollegen aufgestanden. Und haben einen Augenblick dem Tod die Stirn geboten. Denn einfach dastehen, an einen Kollegen und Freund denken, das heißt ja auch: Du bist bei uns, in Gedanken, in Erinnerungen. Und das macht unseren Kollegen lebendig. Lässt ihn in diesem Augenblick auferstehen. Auferstehen in unser Leben hinein. Sicher, ich weiß: Der Tod ist endgültig. Niemand kommt zurück. Aber wenn ich mich erinnere, dann schlage ich dem Tod ein Schnippchen. Denn dann hole ich den Toten wieder zu mir, zu uns, wieder ins Leben.

Für einen Toten aufstehen, das heißt dann auch: Für das Leben aufstehen. Dafür einstehen, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Das haben wir gemacht. Und es hat gut getan

Warum ich?



Warum ich?
Kürzlich hörte ich eine  Geschichte, die in etwa so ging: ein Mann hatte es geschafft von seinem Suchtmittel loszukommen. Er hatte sein Leben gerade wieder in Ordnung gebracht (Arbeit, Familie, usw.) und dachte: Alles ist gut! Genau da bekommt er die Diagnose Prostatakrebs!
Er spricht mit einem Freund und jammert: Warum ich?
Der Freund antwortet daraufhin mit einer Gegenfrage: Warum Du nicht?
Mich hat diese Frage des, wie ich finde sehr weisen, Freundes nicht losgelassen. Auch ich habe im Laufe meines Lebens immer wieder die Frage gestellt: Warum ausgerechnet ich? Vor allem natürlich in den Zeiten, in denen es mir schlecht ging – sei es nun körperlicher, seelischer oder finanzieller Art. Interessanterweise nie, wenn es mir gut ging, das Glück mir hold schien und ich gefühlt auf der Sonnenseite des Lebens lief.
Wie vermessen ist es von uns, wenn wir meinen, das vermeintliche Unglück sollte nur die anderen treffen. Bin ich denn etwas Besseres? Habe ich etwas Besseres verdient? Schließlich habe ich keine Verbrechen begangen oder sonstige schlimme Dinge getan? …
Es gibt den Ausspruch: Du bekommst immer nur so viel Last, wie Du tragen kannst!
Ich für meinen Teil werde in Zukunft zweimal überlegen ein „Warum ich?“ zu fragen – und mir selbst dann auch die Gegenfrage stellen: „Warum Du nicht?“ 
Und mich dann der Herausforderung, die das Leben an mich bringt, stellen.