Glauben koennen?

Was ist Dein Wunsch an Gott? – Diese Frage aus einer  Anzeige im Internet zieht meine Aufmerksamkeit auf sich und ich werde neugierig. Ein bisschen misstrauisch denke ich zunaechst, dass ist nur eine Werbemasche von irgendeiner Firma XY, die mir was verkaufen will. Um so ueberraschter stelle ich dann fest, dem ist nicht so.
Die Seite nennt sich ProChrist ( http://www.zweifeln-und-staunen.de/home ) und auf dieser  erklaeren sich Menschen verschiedener Religionen – die fest an Gott glauben – bereit fuer andere Menschen zu beten. Hm, das ist interessant, ich lese weiter. Wie soll das funktionieren? Nun, ich brauche nur in einem Feld eingeben, was ich mir wuensche, dann eine Person auswaehlen, die fuer mich diesen Wunsch bei Gott vortragen soll – also fuer mich betet. Man bekommt sogar eine Antwort, wenn gewuenscht. So einfach soll das sein?

Immer noch etwas misstrauisch frage ich mich, ist es nicht ein wenig vermessen von diesen Menschen, zu denken, sie koennen fuer mich – eine voellig Fremde – beten und das nuetzt dann auch noch was? Oder geht es gar nicht darum? Sind sie so tief verwurzelt in ihrem Glauben, dass sie genug fuer sich und andere haben?

Will man mich hier dazu bringen an Gott zu glauben, weil das der einzig richtige Weg ist und ich sonst in die Hoelle komme? Oder ist es einfach ein Akt der Naechstenliebe, weil eben nicht jeder beten kann?

Ich finde keine Antwort auf diese Fragen, aber ich bin versucht auch einen Wunsch vorzutragen. Meine eigene „Verbindung“ zu Gott ist eher neutral bis atheistisch. Ich habe zwar auf meiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg auch das eine oder andere Mal gebetet, aber so richtig tief in mir ist das nicht. Da war es eher die Gelegenheit, z.B. in einer Kirche oder Kathedrale zu sitzen, die mich dazu verleitete. Aber in meinen Alltag habe ich das nicht integriert.

Ich bin eher ein Kopfmensch und glaube daran, dass jeder Mensch seines Glueckes Schmied ist und somit fuer sich und sein Handeln, Denken und dem Erfuellen seiner Traeume selbst verantwortlich ist. Und finde irgendwie, macht man es sich zu einfach, wenn ich das auf Gott abschiebe? Ich bin dann ja nicht mehr zustaendig, weil er soll es ja nun richten. Und das ist doch nur Gefuehlsduselei  ...
Nein, ich bin die, die an ihre Ziele glauben muss, um dann alles dafuer zu tun, diese zu erreichen. Einen besseren Job bekommen, 6Kilo abnehmen, endlich ein Buch schreiben etc. Und es gibt viele Wege dahin, wie man dies beeinflussen kann. Man muss da schon aktiv werden, z.B eine Listen anlegen, Traumtagebuecher fuehren, die 72-Stunden-Regel einhalten, Mindmaps fuer Entscheidungen kreieren usw.

Aber was ist mit den nicht ganz so leicht greifbaren Wuenschen: den Mut nicht verlieren in einer schwierigen Situation? Weniger Angst haben vor einem grossen Schritt, einer Veraenderung? Geduld aufbringen, wenn es mal nicht so laeuft wie geplant? Da helfen Listen nicht besonders viel, denn ein 5-Schritte-Programm um ein Gefuehle zu aendern, stelle ich mir schwierig vor. Kann da ein Gebet helfen?

Ich weiss es nicht, aber ich beneide Menschen, die so glauben koennen und letztlich gebe ich meinen Wunsch ein. Weil schaden kann es sicher nicht. Und ich bin gespannt, ob es funktioniert ...

Hier und Jetzt



Heute weihe ich mit ein paar Gedanken zu meinem 14. Trockengeburtstag meinen neuen Blog ein:

Leben ist was passiert, während Du andere Pläne machst!

... dies sagte John Lennon einst.Ein Mensch, dessen Leben sehr viele unerwartete Wendungen genommen hat. Und sicher hatte er auch eines nicht so geplant, nämlich den Tag, als er von dem geistig verwirrten Mark Chapman erschossen wurden. Ich denke, das Zitat passt nicht nur auf ‚Leben’ sondern auch auf den Tod. Er kommt oft ohne Vorwarnung und planen kann man ihn eher selten.

So war es wohl auch bei einer jungen ehemalige Kollegin von mir, Kristie. Anfang Dezember starb sie in einem Autounfall, von einem Raser verursacht.
Ich stelle mir vor, sie ist aufgestanden, hat sich um ihre Kinder gekümmert, überlegt, was sie an diesem Tag zu erledigen hat. Frühstücken – wahrscheinlich in aller Hektik – noch schnell die Kinder bei der Mutter abliefern und zur Schule fahren. Sie hatte ihren Job bei Lowes gekündigt, um endlich das zu tun, was sie schon immer tun wollte: sich zur Krankenschwester ausbilden lassen. Sie erfüllte sich damit einen Traum, nachdem ihr Leben für lange Zeit nicht in gerade Bahnen verlaufen war. Nein, sicher hatte sie den Unfall nicht geplant. Jemand erzählte mir, sie sei gleich tot gewesen, als ob das der Trost ist, um es weniger brutal klingen zu lassen.
Ich habe sie gekannt, seit ich 2007 bei der Firma angefangen habe. Aber ich kann nicht wirklich sagen ich habe sie gekannt. Wir haben uns hin und wieder so zwischen Tür und Angel unterhalten und so gegenseitig ein bisschen aus dem jeweiligen Leben des Anderen erfahren. Aber das waren Gespräche unter Kollegen. So ist es auch nicht so, dass ich nun wirklich um sie trauere, dennoch berührt mich ihr Tod, macht mich nachdenklich. Ich muss an einen Text denken, den ich vor vielen Jahren einmal gelesen habe:

„Könnte ich mein Leben noch einmal von vorn beginnen, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.  Ich würde alberner sein, würde ganz locker werden, nur noch ganz wenige Dinge ernst nehmen.  Ich würde entschieden verrückter sein und weniger reinlich.  Ich würde mehr Gelegenheiten beim Schopfe ergreifen und öfters auf Reisen gehen. Ich würde mehr Berge ersteigen, mehr Flüsse durchschwimmen und mehr Sonnenaufgänge auf mich wirken lassen.  Ich würde mehr Schuhsohlen durchlaufen, mehr Eis und weniger Bohnen essen.  Ich würde mehr echte Probleme und weniger eingebildete Nöte haben.  Wie Sie bemerkt haben werden, bin ich eine von denen, die vorsorglich, vernünftig und gesund leben, Stunde für Stunde, Tag für Tag. Nun, ich habe meine verrückten Augenblicke, aber wenn ich noch einmal von vorn anfangen könnte, würde ich mehr verrückte Augenblicke haben - genau gesagt: Augenblicke, einen nach dem andern, und nichts mehr von Plänen zehn Jahre voraus. Wissen Sie, ich bin eine von denen, die für alle Fälle Thermometer, Wärmflasche, Gurgelwasser, Regenmantel und Fallschirm bei sich haben . Hätte ich ein zweites Leben, ich würde sie zu Hause lassen. Könnte ich mein Leben noch einmal von vorn beginnen, ich würde in aller Herrgottsfrühe barfuß in den Frühlingsmorgen laufen und als letzte sagen: Jetzt ist der Herbst dahin. Ich würde mehr Hockey spielen, und vom Karussell würden sie mich nicht mehr herunterbringen."

Ich finde diesen Text einfach herrlich ... und gleichzeitig stimmt er mich ein bisschen traurig.. Denn dieses zweite Mal gibt es nicht und wird es nicht geben. Ich merke wie oft auch mir dieses „Wenn ich doch hätte"..."man sollte eigentlich" – und ähnliche Sätze durch Herz und Hirn geistern. Aber das kann es nicht sein, nur zurückschauen auch nicht. So lässt der Tod von Kristie und dieser Text mich darüber nachdenken: was für mich Leben bedeutet. Was macht für mich Leben aus?

Und dann lasse ich  meine Gedanken doch noch einmal zurück schweifen und werfe ein Blick auf mein bisheriges Leben. Ich sehe, dass ich zwar sehr viele Umwege genommen habe, aber im Nachhinein nichts bereue. Ja, hier und da gibt es Dinge, die hätten nicht unbedingt sein müssen, aber letztlich sind auch sie es, die mich ausmachen ....

Leben ist was passiert, während Du andere Pläne machst.

Nicht nur John Lennon hat diese Erfahrung gemacht, hin und wieder das Gefühl zu haben, das läuft jetzt aber nicht so wie ich mir das mal gedacht hatte. Ich glaube jeder von uns kann diesen Satz unterschreiben.

Es ist mein 14. Trockengeburtstag. 14 Jahre seit ich den letzten Schluck getrunken habe und mich gegen die Sucht und für das Leben entschied. Und ich habe viel gelebt in diesen 14 Jahren. Nicht immer war ich nur zufrieden und glücklich, nicht immer war ich mir mir selbst einverstanden, habe manche Entscheidung in Frage gestellt. Und sehr oft ist es nicht so gelaufen, wie ich es geplant hatte. „Schuld“ daran hatten in seltensten Fällen die Umstände. Meist war es eher so, dass meine Kopf einen ‚Plan’ hatte und dann mein Gefühl mich ganz woanders hinführte.
Doch stelle ich mir auch die Frage: Wie oft habe ich auf mein Kopf gehört anstatt auf das Gefühl? – Es fängt ja schon bei den ganz kleinen Dingen an,  z.B. (wer meine Geschichte kennt kann das vielleicht nachvollziehen) habe ich einfach Lust darauf ein grosses Eis mit Sahne zu essen. Aber dann tue ich es nicht, weil der Verstand sich einschaltet und sagt: das sind aber mindestens 800 Kalorien.  ... Oder das Gefühl sagt: die Schuhe sind klasse, die will ich. Da schaltet sich der Kopf ein und rechnet wir ganz sachlich vor, dass ich sie vielleicht dreimal im Jahr tragen werde und sie dafür viel zu teuer sind – und ich kaufe die billigeren .. und ziehe sie kein einziges Mal an!
Manches Mal habe ich den Mund aufgemacht wo ich hätte schweigen sollen oder habe geschwiegen, wo ein Gespraech wichtig gewesen waere.
Oder ich bin gegangen wo ich hätte bleiben sollen oder geblieben, wo beim Bauch schon lange sagte: geh!

Wie oft tun wir das, was wir wirklich wollen?

Nun Leben passiert und ist vor allem Veränderung. Es scheint mir oft wie ein Hase, der vor der Flucht seines Jägers immer wieder Haken schlägt. Unerwartet die Richtung ändert, sich ab und an in einem Erdloch verkriecht und nur in aller letzter Sekunde entkommt ... oder auch nicht.

Das Jahr 2013 steht vor der Tür und ja, ich habe Pläne dafür. Ich gebe zu, sehr ausgereift sind sie noch nicht alle, aber es wird ein Anfang von etwas Neuem sein. Das zuende gehende Jahr war für mich ein Jahr des Aufbruchs – in vieler Hinsicht. Ironischer Weise das gerade nach dem ich sozusagen von einem ganz realen Weggehen zurück gekommen bin. Doch irgendwie ist es auch nicht verwunderlich. Wer einmal 3 Monate fast nur mit sich selbst verbringt (und manch einer braucht vielleicht nicht einmal so lange), wird verstehen dass ganz viel mit einem passiert. Sich reflektieren. Dann die Konsequenz daraus ziehen – auch wenn es, wie bei mir, eine Weile gedauert hat.

Mancher, der mich bzw. uns kennt, wird vielleicht ungläubig den Kopf schütteln, nicht verstehen, doch es ist nicht immer alles so, wie es nach aussen scheint. Und all jenen sei gesagt: Leben ist was passiert ... in diesem Falle, ist es ein Ende einer Aera und ein Beginn einer neuen. Ich war schon immer davon überzeugt, dass nichts für ewig ist und das gilt auch für eine Ehe. Solange man in die gleiche Richtung schaut und das Zusammensein als  Wachstum empfindet, und die überwiegende Zeit der Tage gut ist, funktioniert es. Doch wenn das nicht mehr so ist, dann ist es Zeit, dass jeder seinen eigenen Weg geht. Da wir das schon in 2011 getan haben, ist es vielleicht gar nicht so erstaunlich, dass das letztliche Resultat daraus eine endgültige Trennung ist. Dies in Freundschaft und ohne Rosenkrieg, ein Privileg.

Ich habe für mich entschieden – aus ganz verschiedenen Gründen – zurück nach Deutschland zu gehen. Die Entscheidung dafür ist gefallen und ich mache – wie ich schon erwähnte – Pläne. Nein, nicht jeden Tag bin ich überzeugt, dass es Alles richtig ist was ich tue. Nicht immer kann ich den Glauben finden, dass ich es schaffe, was da vor mir liegt. Nicht immer sehe ich den Weg. Nicht immer fühle ich mich wohl ... Die Zweifel kommen vor allem dann, wenn mein Kopf sich einschaltet. Doch ich möchte ab jetzt gerne mehr auf meinen Bauch hören, auf mein Herz. Und da fühle ich, dass eine spannende Zukunft auf mich wartet!

Ich denke noch einmal an Kristie und ihren unerwarteten Tod und an den Text der mir einfiel ... Wie kann ich dazu beitragen, dass mein Leben ein erfülltes und nicht nur abgehaktes oder dahin geplätschertes Leben ist? Was vorbei ist, ist vorbei. Aber für die Zeit die mir noch bleibt, ganz gleich wie alt ich bin, ist heute ein neuer Tag. Heute gilt es, heute habe ich wieder eine neue Chance etwas von dem, was für mich Leben ausmacht nicht nur zu erträumen, sondern in die Tat umzusetzen. Und ich will dabei meinem Herzen folgen.

Alles wird gut!

Endlich


habe den ersten Schritt
getan
zu meinem eigenen ich
alte Zwaenge abgelegt
und sehe endlich
mich

Von meinem Lieblingslyriker!

Erich Fried: Kleines Beispiel

Auch ungelebtes Leben
geht zu Ende
zwar vielleicht langsamer
wie eine Batterie
in einer Taschenlampe
die keiner benutzt

Aber das hilft nicht viel:
Wenn man
(sagen wir einmal)
diese Taschenlampe
nach so- und sovielen Jahren
anknipsen will
kommt kein Atemzug Licht mehr heraus
und wenn du sie aufmachst
findest du nur deine Knochen
und falls du Pech hast
auch diese
schon ganz zerfressen

Da haettest du
genauso gut
leuchten koennen!

man darf doch mal traeumen, oder?

Also wenn ich nicht mehr arbeiten muesste, dann wuerde ich jeden morgen lange schlafen; das heisst normalerweise wecken mich die Hunde gegen 5 und wollen raus und eigentlich mag ich den Morgen, wenn noch alles friedlich scheint, der Tag ist unberuehrt, wie der Sandstrand nach der Flut und alles ist offen ...


Also wenn ich nicht mehr arbeiten muesste, dann wuerde ich auf jeden Fall mehr Zeit haben zum Lesen und endlich all die Klassiker durcharbeiten, fuer die mir jetzt die Muse fehlt; das heisst ich weiss nicht, ob ich die dann wirklich lesen wuerde, weil manche von denen sind ziemlich komisch geschrieben und sterbenslangweilig ....

Also wenn ich nicht mehr arbeiten muesste, wuerde ich vielmehr reisen; dass heisst, ich bin glaube ich schon mehr gereist als die meisten Menschen in meinem Alter, weil ich mich durch Lebensumstaende nie habe daran hindern lassen und wenn ich dann immer nur reisen wuerde waere es vielleicht gar nicht mehr spannend ....

Also wenn ich nicht mehr arbeiten muesste, dann haette ich endlich Zeit oefter tolle Menues zu kochen; das heisst, ich glaube auf Grund meiner Vorgeschichte nicht, dass ich dann jeden Tag 4 Gaenge haben wollte weil ich wuerde dick und rund und ungesund ....

Also wenn ich nicht mehr arbeiten muesste, dann haette ich mehr Zeit mit den Hunde spazieren zu gehen und den Garten zu pflegen; dass heisst, waere es dann noch meine Entspannung als Gegensatz zur Spannung des Alltags ...

Also wenn ich nicht mehr arbeiten muesste, haette ich endlich Zeit zum Schreiben; das heisst, wenn ich den ganzen Tag dann nur am Schreibtisch saesse, woher kaeme dann die Inspiration ?....

Wo sind die Schilder?



Keiner weiss mit Sicherheit, wohin seine Lebensstrasse ihn oder sie fuehrt. Doch oft zeichnen sich unsere Lebenswege schon ab, lange bevor wir sie gehen. Gerade dann, wenn wir in naher Zukunft einen Kreuzung vor uns haben. Irgendwann tauchen die ersten Zeichen auf, wir uebersehen sie geflissentlich. Erst unbewusst, doch je naeher wir der Weggabelung kommen, die eine Veraenderung herbeifuehren kann (und eine Entscheidung von uns verlangen wird – rechts, links, geradeaus, zurueck) schauen wir ganz bewusst in die andere Richtung. Wir erahnen die bevorstehenden Muehen und verlangsamen den Schritt. Manche ignorieren komplett die Tatsache, dass einen Lebenskreuzung vor ihnen liegt. Andere widerum machen sich schon lange vorher Gedanken welche der Strassen sie nehmen sollen, obgleich sie noch gar nicht wissen wohin die jeweilige fuehrt. Waehrenddessen verpassen sie die Blumen am gegenwaertigen Weg.
Und dann kommt der Tag, an dem wir an der Kreuzung stehen. Was nun? Einfach stehenbleiben und ignorieren, so tun als wuerden wir es nicht sehen? Rechts in den Sandweg einbiegen, der allerdings jetzt schon nach langsamerem Vorankommen und muehseligem Gehen aussieht? Links, in den Wald, der gleichzeitig beschuetzend, aber dennoch dunkel unheimlich ausieht? Geradeaus, ueber die Bruecke, die zwar wackelig scheint, aber wo die Strasse dahinter glatt geteert ist und irgendwie so aussieht wie die, auf der man gekommen ist. Oder gar umdrehen und alles bleibt wie es ist. Tut es das dann auch?
Soll man die Entscheidung alleine treffen oder fragt man einen Freund? Hoere ich auf das Herz oder den Verstand? Kompass, Landkarte, Fehlanzeige.  Und wo sind ueberhaupt die Schilder geblieben, wenn man sie am dringendsten braucht?

Erklaerungsversuch



Zitat des Pfarrer in der Gemeinde meiner Mum:
Eine Frau heiratet einen Mann und hofft, er wird sich veraendert. Aber der Mann tut es nicht.
Ein Mann heiratet eine Frau und hofft, sie bleibt wie sie ist. Aber die Frau veraendert sich.

kleine Schritte ...

Wir erinnern uns oft nur an die bedeutenden Momente, vereinzelte Leuchtfeuer im Dunkel der alltaeglichen Wanderung. Genau besehen sind es die kleinen Schritte, die uns zu diesen magic Moments fuehren; sie sind bedeutend.
Und wenn wir zurueckschauen sehen wir, es sind nicht nur die Hoehepunkte, sondern auch gerade die Tiefpunkte im Leben, die definieren wer wir sind .... und wer wir werden ...

Unruhige Nacht


... Traeume sind unsere Welt auf den Kopf gestellt; Schwerkraft, Logik, Zeit wird gegenstandslos. Die Welt der Traeume ist nicht unsere reale Welt auch wenn sie – in der dunkelsten Stunde der Nacht – versucht uns zu verfuehren, in die Irre zu leiten, zu taeuschen ... dann koennen wir den Unterschied nicht mehr erkennen. Das macht Traeume so gefaehrlich ...

… Traeume sind auch nicht dazu da, dass wir sie verstehen – genauso wenig wie Tragoedien abgewendet werden koennen. Leben passiert uns. Wir lernen dankbar zu sein wenn alles gut ist und unsere „blessings“ zu zaehlen wenn die Dinge schlecht stehen. Und das Einzige was sicher ist in all dem Chaos ist dass alles einfach weiter passieren wird ...

Wieder mal ...

... rausgekramt "Die Prophezeigungen von Celestine" ...

Hinweise aus der Aussenwelt sind so etwas wie verlorene Notizen, die voellig unverhofft doch noch auf dem Schreibtisch auftauchen.

die Schwachstelle

Je mehr sich die Dinge aendern, um so mehr bleiben sie sich gleich. – Ich bin mir nicht sicher, wer dies zuerst gesagt hat. Wahrscheinlich Shakespeare ... oder vielleicht Sting. Aber egal wie, es ist der beste Satz um meine tragische Schwachstelle zu beschreiben: die Unfaehigkeit zu veraendern. Ich glaube auch nicht, dass ich damit alleine bin. Je mehr Menschen ich kennenlernen oder besser je mehr ich die Menschen kennenlerne, um so mehr erkenne ich, dass dies irgendwie jedermans Schwachstelle ist.

Immer ganz genau gleich bleiben, solange wie moeglich. Perfect still stehen – dass ist irgendwie leichter. Und wenn man leidet – nun dieser Schmerz ist wenigstens bekannt.

Weil, wenn man diesen Sprung ins Ungewisse wagt, aus seiner vertrauten Ecke, der Komfortzone tritt – wer weiss schon welche anderen Muehen und Schmerzen dort auf einen warten. Es besteht eine gute Chance, dass sie schlimmer sein koennten.

So behaelt man den Status quo, nimmt die Strasse die man immer genommen hat – und es erscheint gar nicht so schlecht. Ich meine, wenn es um Schwachstellen geht: Ich nehme keinen Drogen oder bringe jemanden um – ausser vielleicht mich selber, jeden Tag ein bisschen.

Und wenn wir uns dann endlich veraendern, geschieht dies – so meine Erfahrung – nicht wie ein Erdbeben oder eine Explosion und wir sind auf einmal diese voellig andere Person.

Nein, es ist viel kleiner als das. Es ist so etwas, dass die meisten Menschen um einen herum gar nicht bemerken – ausser sie schauen wirklich ganz ganz genau (was sie zum Glueck meist nicht tun).

Aber ich selber merke es. Innen drinnen fuehlt es sich wie eine ganz neue Welt an. Und ich hoffe, dass ist es dann auch, denn das ist jetzt die Person, die ich fuer den Rest meines Lebens bin. So als wuerde ich nie mehr veraendern muessen ....

Ein Glueckspilz wer ihn gefunden ...

The Thousandth Man

One man in a thousand, Solomon says
Will stick more close than a brother.
And it’s worth while seeking him half your days
If you find him before the other.
Nine hundred and ninety-nine depend
On what the world sees in you,
But the Thousandth Man will stand your friend
With the whole round world agin you.

‘Tis neither promise nor prayer nor show
Will settle the finding for ‘ee
Nine hundred and ninety-nine of ‘em go
By your looks, or your acts, or your glory.
But if he finds you and you find him,
The rest of the world don’t matter;
For the Thousandth Man will sink or swim
With you in any water.

You can use his purse with no more talkThan he use yours for his spendings,
And laugh and meet in your daily walk
As though there had been no lendings.
Nine hundred and ninety-nine of ‘em call
For silver and gold in their dealings;
But the Thousandth Man he’s worth ‘em all,
Because you can show him your feelings.


His wrong’s your wrong, and rights your right,
In season or out of season.
Stand up and back it in all men’s sight –
With that for you only reason!
Nine hundred and ninety-nine can’t bide
The shame or mocking or laughter,
But theTthousandth Man will stand by your side
To the gallows-foot – and after!

(Rudyard Kipling)

die beste Stunde des Tages ... eine Vision

Ich sitze auf meiner Terrasse und schaue ueber das Wasser. Es glaenzt, als haette jemand die ganze Nacht damit verbracht es zu polieren. Der Himmel und das Meer haben die gleichen Farben: alle nur erdenklichen Blautoene wechseln sich ab. Um diese morgendliche Stunde mischt sich an der einen oder anderen Stelle rosa hinein.  Der letzte Dunst, der noch ueber dem Horizont haengt, zeigt sich in sanfter Lila-Faerbung.

In der Ferne sehe ich ein einzelnes Schiff dessen schneeweisse Segel locker in der leichten Brise flattern. Leise kleine Wellen plaetschern an den leeren Strand. Behutsam, als wollte das Meer zu viel Laerm vermeiden um die Vollkommenheit die dieser ruhige Moment auszustrahlen scheint nicht zu stoeren. Nur die Moewen sind schon munter und suchen kreischend nach einem Fruehstueck ...


Es ist erst 6 Uhr frueh, aber die Luft schon angenehm mild. Ich gehe in die Kueche und schenke mir noch eine Tasse heissen Kaffee ein. Der aromatische Duft alleine belebt meine Sinne. Im Vorbeigehen streichle ich meinem Hund ueber den Kopf.  Er schaut mich an, wedelt mit der Rute und ich versichere ihm dass er spaeter ganz sicher seinen Spaziergang bekommt. Er scheint zu verstehen und schliesst beruhigt wieder die Augen.

Fuer eine kleine Weile moechte ich sie noch geniesen, diese beste Zeit. Ich liebe diese Stunde, wenn der Tag erwacht. Sie hat etwas von neu geboren werden. Immer wieder. Der Tag liegt vor mir und es scheint mir stehen noch alle Moeglichkeiten offen. Es ist an mir wie ich ihn fuelle, mit positiver oder negativer Energie; an mir was ich daraus mache, meine Entscheidung ‚ja’ dazu zu sagen. Ein Hauch von grenzenloser Freiheit erfasst mich. Irgendwie wuenschte ich der Morgen wuerde den ganzenTag anhalten. Obwohl, waere sie dann noch besonders, diese Stunde bevor mich der Tag einfaengt in Stunden der Geschaeftigkeit? Hier und jetzt darf ich einfach sein. Keine Verpflichtung kein Muss ... sie gehoert mir allein, diese beste Stunde. Ein Versprechen, dem ich swchwer wiederstehen kann.


Kurz schweifen meine Gedanken dann doch an den vor mir liegenden Tag:
Nachher werde ich mich an dern Schreibtisch setzen, meinen Laptop aufklappen und schreiben. Es will im Moment nicht so recht klappen. Ich habe fuer den zweiten Teil meines autobiogrfischen Romans irgendwie noch nicht den richtigen Felsen gefunden, von dem aus ich mich, meine Kreativitaetsfluegel ausspannend, in die Tiefen der Woerterschlucht stuerzen kann.
Spaeter am Vormittag habe ich eine Verabredung mit meinem Verleger. Ich soll heute den neuen Uebersetzer treffen. Ich werde ein wenig traurig wenn ich daran denke. Bisher haben meine Eltern fuer mich die Uebersetzungen gemacht, aber aus Altergruenden ist es ihnen nun nicht mehr moeglich. Die Wendigkeit des Gehirns  und das perfekte Augenlicht sind vergaenglich, wie die von mir so geschaetzte Morgendstunde.
Anschliessend werde ich in die Stadt fahren um ein paar Nachforschungen in der Biblothek zu betreiben. Ich bin da wohl ein wenig altmodisch, denn auch wenn ich ohne meinen Computer und das Internet nicht sein moechte, so gibt es nichts inspirierenderes als Regale voller Buecher und der unverwechselbare Geruch von Papierstaub und Leim.
Dann habe ich ein telefonisches Interview mit einem ehemaligen Schulkameraden vereinbart, der mir – da er Schuelersprecher war – ein paar Details zum Thema Lehrer versprochen hat.
Nachmittags bin ich im Lycee eingeladen um eine Lesung zu halten. Wie immer freue ich mich jetzt schon auf die sicher entstehende Diskussion, ein unerschoepflicher Quell von Ideen. Auch erstaunt mich jedesmal wieder die Buntheit der Sprache der Schueler, ein gelebter Thesaurus.
Am Abend dann habe ich mich mit Freunden zum Essen verabredet. Wir wollen unbedingt das neue Restaurant „Le Dorade“ ausprobieren. Nauterlich Meeresfruechte.


Doch noch scheint all das weit weg, wenn ich hier auf meiner Terrasse sitze und und auf das Meer schaue. Die salzige Luft einatme, jede Faser meines Ichs spuere, das Nichts-tun lebe als sei es das einzig wichtige auf der Welt, eins sein mit der unendlichen Sehnsucht des Ozeans ... Und wieder einmal bin ich dankbar fuer diese beste Stunde des Tages ...

(V)Erklaerung …

You are never given a dream without also being given the power to make it true. You may have to work for it, however. (Richard Bach)

Heute ist es auf den Tag genau 1 Jahr her, dass ich in Santiago in Spanien angekommen bin. Es scheint eine Ewigkeit und doch als war es erst gestern. Der Weg ist in mir lebendiger denn je – in ganz verschiedener Form. Als Erinnerung an das Erlebte und als Vorfreude auf das naechste Mal. Als die Erfahrungen, die ich machen durfte und als die Herausforderung die vor mir liegt. Als Bild und Text, als Gespraech und Versprechen.
Es ist viel passiert in diesem Jahr. Um mich herum und mit mir. Und Vieles ist noch offen und unabgeschlossen, was auf dem Weg begann – und sei es nur als Gedanke oder Gefuehl.


Mir wird bewusst, es gab nicht einen einzigen Tag in diesem Jahr, an dem ich nicht an meine Pilgerreise dachte. War es entweder weil ich an meinem Blog gearbeitet habe (die englische Version ist immer noch nicht ganz fertig) oder weil ich mal wieder ein Gefuehl nach „Weg oder weg“ hatte. War es weil ich ein wenig im Pilgerforum gestoebert habe oder weil mein Bildschirmschoner einsetzte, der mit der Fotodatei ‚Jakobsweg“ verknuepft ist. Manchmal fragt mich auch jemand nach meiner Wanderung (erstaunlich, dass nicht nur ich mich nach ‚so langer Zeit’ erinnere) und ein paar mal habe ich Filme gesehen, die entweder direkt oder indirekt mit Pilger oder dem Jakobsweg oder einfach Unterwegssein zu tun hatten.


Nein, ich bin kein Mensch der in der Vergangenheit lebt,  aber eine lebendige Erinnerung zu schaetzen weiss. Ich merke, ich lasse mich gerne verfuehren, von der Sehnsucht, die diese Dinge mit sich bringen.


Doch dann wiederum, wenn ich so meine Aufschriebe lese (und natuerlich auch die von anderen Pilgern verfassten Berichte  und Blogs) und dort von Blasen und Fussweh, Erkaeltung und harten schmutzigen Betten, schlechtem Essen und unangenehmen Zeitgenossen die Rede ist, frage ich mich ernsthaft: sehe ich meine Pilgerreise im Nachhinein in einem zu guten Licht?  Verklaere ich es, durch die rosa Brille betrachtet?

Irgendwie sind all die Momente verblasst, als ich aufgeben wollte (die erste Krise hatte ich schon am zweiten Tag und ich war noch nicht mal ueber die deutsche Grenze). Die Schmerzen in Beinen und Schultern, aber auch die seelischen Unebenheiten die eine Pilgerreise mit sich bringt. Vergessen? Nein, dass nicht. Aber dadurch, dass ich immer wieder weiter gelaufen bin – bis ans Ziel; dass ich gewachsen bin an den Herausforderungen; dass ich ein Teil der Gemeinschaft sein durfte und darf, die Begeisterung fuer das Pilgern auf- und mitbringen ... dass laesst sie vergessen, die kleinen und grossen Krisen. Oder zumindest erscheinen sie in einem milderen Licht ...

Ich bemerke, dass ich viele Dinge anders angehe, anders sehe. Immer wieder gibt es Situationen im Leben, die denen auf dem Jakobsweg aehneln und ich kann die „Loesung“ fast direkt uebertragen. Ich bin gewachsen. Es ist eben nicht nur einfach von einem Ort zum anderen gehen. Nicht nur Kilometer runterreissen und wer ist als erstes da. Es ist ein Meditieren im Laufen. Ein Erleben mit allen Sinnen. Pilgern wo schon tausende andere pilgerten, seit Jahrhunderten. Teil von etwas sein, dass viel groesser ist ... Ich jedenfalls habe noch von keinem Pilger gelesen oder gehoert, den der Weg nicht beruehrte in der einen oder anderen Weise. .... (okay, es mag Welche geben, die wandern einfach nur und vergessen dann ...). Doch das ist es wohl auch, was den Pilger von dem Wanderer unterscheidet.

Fuer mich steht fest, ich bin noch lange nicht fertig mit ihm, dem Weg. Ich werde wieder pilgern. Werde die damit verbundenen Anstrengungen gerne in Kauf nehmen und wieder ein Stueck wachsen.  Ich weiss auch schon wo ich pilgern moechte und wie ...  nur dass Wann, das steht noch in den Sternen.  Doch da vertraue ich einfach dem Pilger in mir. Denn so wie meine erste Pilgerreise genau zum richtigen Zeitpunkt stattfand, werde ich wissen, wann es wieder soweit ist ... Und bis dahin, bleibt mir ja jeden Tag mein kleines Stueck Jakobsweg.

Was tut man, wenn man nichts tut? ... Teil IV ...

Die naechsten zwei Tage verbringe ich damit, die Erkenntnisse zu verarbeiten, die Stille und die Natur zu geniessen, meine Gedanken zu ordnen und meine Meditationstechnik zu verfeinern und vertiefen. Zu Letzterem bekomme ich noch eine ganz besondere Gelegenheit, die mich allerdings auch vor eine neue Herausforderung stellt.

Am Morgen des achten Tages reicht mir Stephanie (unsere fuer die Organisation zustaendige ‚Managerin’) einen kleinen Zettel. Auf dem steht, dass ich ab dem Nachmittag – und fuer den ganzen naechsten Tag – die Moeglichkeit habe, in einer der Zellen in der Pagoda zu meditieren. Die Pagoda ist ein rundes, zweistoeckiges, grosses Gebaeude, das hinter den Unterkuenften liegt. Bisher hatte ich es nur von aussen betrachtet, fand aber es strahlt eine gewisse fast schon majestaetische Ruhe und Kraft aus. Nun also habe ich die offizielle Erlaubnis sie zu betreten. Und das tue ich dann auch. Natuerlich werden die Schuhe draussen gelassen, um dann auf Socken durch die Glastuer hineinzugehen. Am Eingang steht ein kleiner Tisch mit Instruktionen (z.B. wo Kissen zu finden sind und das man seine Zelle nach Benutzung aufraeumen soll etc.). Die Waende weiss und der Boden in dunkelgruen gefliesst, wirkt es dennoch nicht kalt – im Gegenteil. Man mag ja vom Meditieren halten was man will, aber ich erlebe es hier am eigenen Leib, dass eben das Energien freisetzt, die mit keinem Messgeraet ausser dem menschlichen Sinnen zu messen sind.

Im Erdgeschoss sind die Zellen in zwei Ringen angelegt und schnell habe ich die meine gefunden. Und wenn ich Zellen sage, dann trifft das durchaus zu. Ein Raum – kuchenstueckfoermig – vielleicht 3 m hoch, die Grundflaeche 2.5 m Seitenlaenge und 1.5 – 2 m breit. Kein Fenster und eine Tuer, die sich ziemlich lichtdicht schliessen laesst. Ich besorge mir ein Kissen, oeffne die Tuer, mache Licht an und trete ein. Hm, ich weiss ja nicht. Meine leichte klaustrophobische Veranlagung will an die Oeberflaeche sprudeln, aber ich ringe sie fuer den Moment erfolgreich nieder. So jetzt bin ich mal hier, setze mich und mache das Licht aus. Es ist fast stockdunkel (ausser einem kleinen Streifen Helligkeit, der unter der Tuer durchscheint) und still. So still, das eben diese Stille schon fast in den Ohren droehnt. Ich lehne mich an die Wand, schliesse die Augen und atme ruhig. Etwas, dass ich nur unzulaenglich mit dem Wort „Frieden“ beschreiben kann, nimmt mich in seinen Bann. Doch leider haelt dies nicht sehr lange an. Nach ca. 20 Minuten faellt mir das Atmen schwerer und immer wieder draengen sich Gedanken hoch, dass jemand die Tuer von Aussen abschliesst und ich nicht mehr rauskommen. Ich fange an, auf Schritte zu lauschen – die natuerlich nicht da sind. Ich rede mir gut zu, dass das Einbildung ist, aber nur der Verstand hoert zu. Das hilft dem aufsteigenden Gefuehl der Beklemmung wenig. Immer wieder kommen mir Woerter wie Einzelhaft und Folter in den Sinn und letztlich gebe ich auf. So leise wie moeglich – um die Meditierenden in den anderen Zellen nicht zu stoeren – packe ich die Kissen zusammen, oeffne leise die Tuer und bin sehr froh, als ich endlich draussen im Sonnenschein stehe und wieder richtig atmen kann .... als wir am letzten Tag wieder reden duerfen, hoere ich von anderen, das es ihnen aehnlich ergangen ist. Die aelteren Studenten – also die, die nicht zum ersten Mal hier sind – meinen es wird mit jedem Mal einfacher. Nun gut, so besteht Hoffnung ...

Fuer jetzt nutze ich die Zeit die mir bleibt auch noch mal zur Selbstbeobachtung. Fasziniert faellt mir auf, um wieviel langsamer ich esse, mich bewege, mich umschaue, ja sogar denke. Intensiver. Ich nehme mir fest vor, davon etwas mit in meinen doch oft eher hektischen Alltag zu nehmen und hoffe das es klappt.

Der abendliche Kurs gibt mir auch immer mal wieder eine Denkaufgabe. Ich habe schon vor langer Zeit lernen duerfen, das bei solchen Seminaren, nicht immer alles fuer jeden zutrifft, ankommt, oder gar Zustimmung findet. Das ist auch gut so. Was fuer mich ein wichtiger Satz ist, ist fuer andere vielleicht das, was sie ueberhoeren. Was fuer mich unlogisch oder unreal erscheint, ist fuer eine andere Schuelerin der Satz, der ihr Leben veraendert. Und das ist auch gut so!

Zum Beispiel, stoert es mich persoenlich, wenn behauptet wird, das Vipassana als er einzig richtige Weg beschrieben wird, ein glueckliches Leben fuehren zu koennen. Und wenn ueber andere Sekten, Religionen, Meditationstechniken gesagt wird, dass die doch keine Ahnung haben, es falsch machen oder sie sind gar kontraproduktiv. Ich bin der Meinung es gibt immer mehr als einen Weg. Denn so verschieden die Menschen sind, so verschieden ist auch ihre Herangehensweise daran, die Persoenlichkeit zu verbessern.

Was mir gefaellt die Einstellung zum Thema „Vergaenglichkeit“. Alles vergeht, nichts ist permanent, darum macht es auch keinen Sinn, sich nach etwas zu sehr zu sehnen oder eine Abneigung zu haben. Es bleibt so oder so nicht. Und dies hier auf einem physischen und psychischen Level zu lernen, ist ein Geschenk, das mir – so empfinde ich es – wieder ein Stueck mehr innere Freiheit gibt.

Der zehnte Tag bricht an und als ich aufstehe bin ich schon sehr neugierig darauf, wie es wird. Ab heute duerfen wir ja wieder sprechen. Nicht sofort, aber spaeter am Tag.

Der Himmel ist strahlend blau und es scheint ein schoener Tag zu werden. Ich freue mich darueber. Am Morgen ist es allerdings noch ziemlich kuehl, da es in der Nacht wieder gefroren hatte. So ziehe ich mich warm an, bevor ich mich auf den Weg zum Fruehstueck mache. Ab morgen werde ich dann auch wieder ‚Strassenkleidung’ tragen – hier bin ich jetzt 10 Tage lang in bequemer, legerer Sportkleidung rumgelaufen.

In den morgendlichen Meditationsstunden, lernen wir einen ‚Anhang’ an die praktizierte Meditationstechnik. Bisher fokkussierte sich die Aufmerksamkeit ganz auf den eigenen Koerper, das eigene Empfinden, das Ich. Nun erfahren wir, wie wir die so gesammelte Energie auch nach aussen weitergeben koennen. Es hier zu beschreiben wuerde dem nicht gerecht werden, wie es funktioniert, darum versuche ich es gar nicht erst. Aber jetzt verstehe ich unter anderem warum ich, an dem Tag als es mir so schlecht ging und ich in die Meditationshalle kam, das Gefuehl von positiver Energie hatte, die mich umhuellte und beschuetzte.

Und dann ist es soweit. Offiziell verkuendet der Assistant Teacher, dass nun die Zeit des Schweigens vorbei ist. Dennoch sagt keiner ein Wort, als wir die Halle verlassen. Und auch auf dem Weg zur Unterkunft. Ich merke, es ist auch gar nicht so einfach, wieder Worte zu finden. Mir persoenlich ist ueberhaupt nicht wirklich nach reden zumute. Das finde ich sehr spannend.

Vor dem Gebaeude in der Sonne stehen Stuehle und zwei Baenke und ich setze mich. Eine der schwangeren jungen Frauen sitzt schon dort und sie ist die erste, die das Schweigen bricht: „Bin ich froh, das wir nun wieder laut sprechen duerfen.“ Ich pflichte ihr bei und bin sehr erstaunt wie seltsam meine eigene Stimme in meinen Ohren klingt.

Doch ist der Damm einmal gebrochen, fliesst das Wasser – oder besser in diesem Fall die Worte. Und es tut so gut sich ein wenig auszutauschen, ueber das was wir in den letzten Tagen erlebt haben. Endlich die Namen derjenigen zu erfahren, die mit mir – und doch weit weg - diese intensive Zeit durchmachten. Ich stelle fest, das Vieles – wenn nicht gar das Meiste, was ich mir so im Kopf von den wenigen Blicken auf die Mitstudenten zusammengereimt hatte, nicht stimmt. Die Lebensgeschichten die zum Vorschein kommen sind wie das Leben eben, vielfaeltig. Die schwangere Katy – von der ich annahm, sie haette das hier voll im Griff und sei eine ernste Person – ist aeusserst lebenslustig, mit einem Millitaeranwalt verheiratet und gesteht, sie ist froh dass es vorbei ist. Eine junge Inderin aus Dubai, die schon zum zweiten Mal den Kurs macht, sagt es ist jedesmal anders. Ueberhaupt, geht es ziemlich international zu, eine Russin (Olga, natuerlich), die Franzoesin (Marie-Laure) die in Hawaii lebt, eine Weltenbummlerin aus Arkansas, die erst vor wenigen Monaten durch Mauretanien reiste, usw.

Und was fuer ein Unterschied es macht, wenn man reden darf! Ploetzlich lauter laechelnde Gesichter (waehrend der Schweigetage sehen alle ernst aus und wie ich finde ein wenig gestresst – jetzt die Erloesung sozusagen), schwatzen, lachen. Eine fast andere Welt!
Allerdings stelle ich fest, es ist auch ganz schoen anstrengen und so mache ich nach dem Mittagessen meine uebliche Spazierrunde durch das Gelaende. Alleine und in Ruhe.

Nachmittags gibt es eine Meditierstunde, in der ich mich allerdings in keinster Weise auf mich konzentrieren kann. In meinem Kopf schwirren Stimmen und dazu Gedanken zu all dem, was ich von den anderen gehoert haben. Jetzt verstehe ich erst wirklich, warum das Schweigen in den neun Tagen so wichtig ist! Duerften wir reden, waere das Ergebnis zwar nicht null, aber die Wirkung der Technik waeren nur halb so effektiv. Eine interessante Erkenntnis.

Nun duerfen die Frauen theoretisch auch wieder mit den Maennern reden, wovon ein paar – die zusammen angereist sind – auch Gebrauch machen. Aber nur in dem Gemeinschaftsbereich. Es wird weiterhin getrennt gesessen, gegessen und meditiert. Spaeter gibt es noch ein Meeting, um die Organisation und den Ablauf der verbleibenden Zeit zu besprechen. Auch werden ‚rideshares’ – also Mitfahrgelegenheiten – vermittelt. Ich finde jemanden der mich bis Huntsville mitnimmt, was Helmut ein paar Stunden Autofahrt erspart. Ich habe zwar kein Handy dabei, aber darf das Telefon im Haus benutzen um ihn kurz anzurufen und Bescheid zu geben.

Waehrend des Abendessens wird natuerlich auch viel geredet und es wird mir fast zu laut in dem kleinen Raum. Ich merke dass dann auch in der anschliessenden Meditationsstunde, dass es schwer faellt abzuschalten. Durch das „viele Reden“ den ganzen Tag bin ich ganz wirr im Kopf. Und sehr muede, habe Schaedelbrummen. Aber in wenigen Minuten wird dann hoffentlich auch im Flur vor meinem Zimmer – wo noch ein paar „Maedels“ stehen und schwatzen – Ruhe sein.

Tag elf beginnt um 4 Uhr mit aufstehen. 4.30 dann Pflichtprogramm, erst Chanting, dann der letzte Kurs und noch eine halbe Stunde Meditation, bevor es Fruehstueck gibt. Anschliessend beginnt das grosse Aufraeumen und putzen, zum Einen im eigenen Zimmer und zum Anderen in den gemeinschaftlich genutzten Bereichen. Es klappt hervorragend.

Gegen 9.00 Uhr fahren Hian und ich los. Nun bin ich doch ein klein wenig wehmuetig, dass die Zeit hier vorbei ist. Doch auch froh, nun wieder in die Welt entlassen zu sein. Es kommt mir vor, als haette ich mich fuer Wochen hier auf diesen wenigen Quadratmetern aufgehalten.

Die 2 ½ Stunden dauernde Fahrt bis Huntsville vergeht allerdings wie im Flug. Dort treffen wir Helmut und natuerlich die Hundies, die erstmal voellig ausrasten. Eine Stunde spaeter sind wir dann in der Kathy Lane. Es ist schoen wieder zuhause zu sein!

Doch noch lange klingt die Erfahrung der Stille und das In-mich-hineinsehen in mir nach.

Was tut man wenn man nichts tut? ... Teil III

Ich sprach nicht mit der Lehrerin, aber ich reiste auch nicht ab. Mir wurde sehr bewusst, dass es eine wichtige Stufe auf der Leiter zum naechsten „Level“ ist. Was waere das Leben denn ohne neue Erfahrungen, auch wenn diese nicht immer besonders angenehm sind. Denn genau daran wachsen wir doch. Ich dachte an meine Wanderung, da hatte ich auch ganz schoene Durchhaenger. Dort sagte ich mir, heute laufe ich mal ein paar Kilometer und morgen sehe ich weiter. Ganz im Augenblick. Der Unterschied ist, dass ich auf der Wanderung, wenn ich einen solchen Durchhaenger hatte, die Moeglichkeit hatte z.B. mit Helmut zu telefonieren. Der hat mich dann aufgemuntert. Hier bin ich mit mir alleine, aber ich erkenne, das ist gut so!
Mir fiel noch eine Parallele zu meiner Pilgerreise auf, meine Traeume sind auch hier sehr intensiv. Fast noch realistischer gewisser Weise oder genauer gesagt, sie scheinen mehr mit der Realitaet zu tun zu haben. Vielleicht einfach, weil ich hier eben keine Ablenkungen habe und sich die Welt des Moments einfach nur um meine ureigene Achse dreht. So kommen dann auch die Bilder nur aus mir selbst heraus, bezugnehmend auf die Dinge die mich bewusst oder unbewusst beschaeftigen.

Zum Beispiel traeumte ich zwei Naechte hintereinander davon, dass ich ein „Ermittler“ sei. Im Traum war es natuerlich ein wenig konfus, aber als ich hinterher daruber nachdachte, machte es durchaus Sinn. Ich meine, die „Arbeit“ die ich hier tue ist auch eine Art ‚Ermittlung’; ich finde etwas heraus – ueber mich.

Oder (in Kurzfassung) ich traeumte, dass ich auf eine Party ging. Diese hatte das Motto schwarz/weiss, aber davon wusste ich nichts. Also kam ich mit einem knallbunten Kleid an. Sofort fuehlte ich mich komplett fehl am Platz und gab dem Gastgeber die Schuld, mich nicht richtig informiert zu haben .... Als ich nach diesem Traum aufwachte, fiel mir ein, was in mir vorging als ich die Broschuere des Vipassana Meditation Retreat Centers gestern noch mal durchgelesen hatte (dieselbe, die ich schon online mindestens zwanzig mal studiert hatte). Naemlich, das es mir schien, als stuenden nun Dinge drin, die vorher nicht dort standen. Was natuerlich nicht stimmt, ich habe sie aber wohl nicht so sehen wollen. Ich hatte ein Vorstellung von dem was mich hier erwartet und eben diese habe ich dort heinein gelesen (hatte im Traum das Kleid fuer die Party gekauft, ohne mal nachzufragen, ja sogar ohne es vorher anzuprobieren ...) ...

Nun, es kam Tag sieben. Und mit diesem Tag mein persoenlicher ‚Durchbruch’: ich glaube ich war noch nie oder sehr selten in meinem Leben so ich.

Meditationshalle
Bevor die morgendliche Meditationsstunde began, stand ich noch einen Moment am Pond und liess den Wind durch mich durchblasen. Ich genoss einfach den Moment, der – wie mir nun auch gefuehlsmaessig klar wird – nie wieder kommt. So verharrend, kamen mir Textstuecke des Songs ‚Unwritten’ in den Kopf: <> … und mir stiegen die Traenen in die Augen. Aber es waren willkommmenen Traenen, da mir bewusst wurde, nicht im Verstand, sondern im Gefuehl: Alles ist gut! Und – so abgedroschen dies auch klingen mag – als die Sitzung begann, fuehlte ich mich „eins“ mit mir und meiner Welt. Ploetzlich erkannte, fuehlte, ich meinen Weg. Den, den ich schon zurueck gelegt hatte. Wie weit ich doch schon gekommen bin; und der Weg, der vor mir liegt, vieles noch im Dunkeln aber trotzdem klar erkennbar. Was ich tun moechte in Zukunft ... So klar stand es vor mir, dass ich es anfassen konnte. Dann dieser jetzige Moment – vergaenglich wie alle, aber wichtig – ich bin. Und dann wusste ich, das ich aus meinem Schatten getreten bin.

Und meine Rueckenschmerzen? Wie weggeblasen. Reinigung, Kartasis, Synthese. Jetzt verstehe ich was damit gemeint ist!

Nein, ich behaupte nun nicht ich bin erleuchtet und ich werde auch kein Buddhist. Und nein, ich bin immer noch kein Fan von Meditation – obgleich ich es faszinierend finde und inzwischen noch viel mehr Respekt davor habe (vor allem vor der Vipassana Technik). Und ich bin jetzt auch nicht ploetzlich ein besserer Mensch. Aber ich denken, glaube – fuehle – ich bin wieder ein ganzes Stueck gewachsen, ich bin ein bisschen eine bessere Wiebke.

Eine gewisse Ruhe oder eher Gelassenheit, trug dazu bei, dass ich nun viel mehr Freiraum hatte. Vor allem in meinem Kopf. Die Gedanken hoeren naemlich nicht auf. Immer noch war ich mit mir alleine und entsprechend viele davon kamen und gingen.

Zum Beispiel als ich meine mittaeglichen Spazierrunde machte (bei der mir zunaechst einmal ganz bewusst auffiel, das ich viel langsamer ging, viel weniger „getrieben“). Ich sinnierte darueber nach, dass ich, wenn ich wieder zuhause bin, wieder arbeiten gehen darf. Und ich weiss, dass ich aufgrund der Personalsituation mehr Stunden haben werde, was prinzipiell ob des besseren Verdienstes ja nich schlecht ist. Und hier? Hier tue ich den ganzen Tag nichts. Welch ein Luxus! Ich sitze auf meinem Baumstamm und beobachte die Natur, ich laufe meine Runden, ich meditiere. Ich schreiben ein wenig, aber ich habe – geniesse – den Luxus des Nichts tun. Und stelle fest, wie schwer das sein kann. Frage mich dann gleichzeitig: warum um alles in der Welt sollte ich hier weg wollen? Vor allem nachdem ich jetzt an dem Punkt bin, wo ich mir einen eigenen Rythmus goenne, ist es doch schon viel besser. Ich meine, keiner „zwingt“ mich hier zu etwas. Natuerlich gibt es Regeln, aber ich fuege mich ja freiwillig der Disziplin. Und solange ich niemanden stoere, stoert es niemanden! Wie sagt der Lehrer: ‚Learning to see things as they are!’ heisst: ich bin jetzt hier und so ist es. Nicht alles passt mir, aber wann im Leben tut es das schon...
Dies brachte mich auch dazu ueber die Tierwelt hier zu philosophieren; z.B. die Wildkatze, die ich gesehen hatte. Sie lebt absolut im Moment. Sie denkt nicht an das Jagen oder Faulenzen von gestern oder an das Jagen und Faulenzen von Morgen; sie lebt jetzt und „denkt“ an das Jagen und Faulenzen jetzt.
Oder der Erpel, der hier am Teich wohnt. Vorhin beobachtete ich ihn, wie er sich das Gefieder putzte. Bestimmt 15 Minuten lang und er liess sich durch nichts dabei stoeren. In dem Moment gab es scheinbar nichts wichtigeres als das ... beneidenswert.
Beneidenswert sind auch die Schildkroeten. Sie koennen den ganzen Tag ueber regungslos in der Sonne sitzen. Stillsitzen. Der Mensch bemerkt es im Normalfall nicht, aber im Prinzip sitzt man nie wirklich still. Das Unterbewusstsein reagiert auf bestimmte Reize (z.B. Jucken) ganz automatisch. So ist es nicht verwunderlich, wie schwer es einem Menschen faellt, tatsaechlich still zu sitzen. Will sagen, ohne auf diese Reize zu reagieren. Man wuerde meinen eine Stunde sei nicht viel, doch sie kann ziemlich endlos werden. Wer mag kann als kleinen Selbsttest einmal versuchen 10 Minuten vollkommen still zu sitzen. Nur atmen und schlucken, sonst nichts. Ausser man ist passionierter Meditierender, werdet ihr feststellen, das ist gar nicht so einfach. Und dann das mal sechs multiplizieren ...

Nun, mir faellt es inzwischen wirklich wesentlich leichter, auch die Konzentration, das Fokkussieren auf die Technik. Nicht immer, aber es ist gut, das im Tagesablauf feste ‚Uebungsstunden’ sind. Ansonsten ist es naemlich mit meiner Disziplin nicht so weit her.

Aber – zu meinem Trost – bemerke ich, dass es auch anderen nicht immer leicht faellt, still zu sitzen. Waehrend wir in der Halle sind, hoert man – da ja sonst keine Geraeusche sind - immer wieder, wie jemand seine Sitzposition veraendert. Nun, Goenka sagt, man soll sich nicht mit den anderen Studenten vergleichen. Da wir nicht reden und uns auch nicht beachten sollen, ist das nicht schwer. Gleichwohl man die anderen dennoch wahrnimmt, ich zumindest. Aber, ich fuer mich, beneide keinen von ihnen. Weiss ich doch, dass jeder sein Paket zu tragen hat. Ich stelle fuer mich fest, es ist wie immer, wenn ueberhaupt, bin ich selber mein groesster Feind.

Auch dies sagt Goenka: ... nur Du alleine kannst Deinen Weg gehen. Das macht schon auch klarer – fuer mich nun fuehlbarer – was er meinte mit: wenn Du nur um Erleuchtung betest, wird nichts passieren; Du musst selbst die Erfahrung machen, es kann nicht von aussen kommen ... Und wenn es mal nicht klappt, sei nicht verdrossen darueber. Nichts ist wie es bleibt. Alles ist permanent im Fluss und verwandelt sich. Das Leben ist kein in Stein gemeisseltes Wort, das unabaenderlich waere. Nein, es fliesst und veraendert sich stetig. Alles ist vergaenglich im positiven Sinn. Annicca! Darin liegt viel Trost und Hoffnung. Die erlebte Erkenntnis dessen, das alles vergaenglich ist, fliesst, legt mir einen Tuch von Gelassenheit um ....

Ich fuehle mich „erschoepft“ im Sinne von etwas geleistet und „belebt“ im Sinnen von Erkenntnis zugleich.

... Fortsetzung (letzter Teil – wie ich wieder sprechen lernte) folgt ...

Was tut man wenn man nichts tut? ... Teil II

Als ich am naechsten Morgen aufwachte, ging es mir schon wesentlich besser. Der Magen hatte sich beruhigt und die Kopfschmerzen waren weg. Jetzt kann ich mich endlich auf das konzentrieren, warum ich hier bin – so dachte ich.
das 'Dhama-Rad'

Der Tag selber war schon fast Routine. Da man keine wirkliche Ablenkung hat, stellt sich diese sehr schnell ein. Der Stundenplan wird strikt eingehalten und Disziplin ist ein Teil der Methodik und wie ich spaeter feststelle auch sinnvoll – zumindest bis zu einem gewissen Grad. Sie strukturiert den Tag, in den man ansonsten nur so hineinleben wuerde.

Am dritten Tag fand ich dann auch endlich eine gute Sitzposition, naemlich mit Meditationsbank. Das ist ein kleiner sehr niedriger Hocker, unter den man die Beine sozusagen drunterfaltet. Dann noch ein Kissen unter die Knie und ich konnte fast schmerzfrei sitzen. So hatte ich dann auch eine richtig gute Meditationsstunde und war mir sicher, jetzt habe ich den Dreh raus. Aber mir wurde bald klar, dass es nicht unbedingt an der Sitzposition liegt, ob eine Session gut oder schlecht ist.

Wenn man jemanden fragt, wieviel Zeit er / sie mit sich selber verbringt, was waere wohl die Antwort? Bis vor wenigen Tagen haette ich steif und fest behauptet 24 Stunden pro Tag! Jetzt stelle ich fest, dass dies alles andere als wahr ist. Die allermeiste Zeit stehen wir mindestens einen Meter neben uns, alleine durch die konstante Ablenkung. Natuerlich sollte man sich bei der Arbeit auf eben jene konzentrieren, ebenso beim Autofahren und dergleichen. Auch ist es sehr hoeflich im Gespraech mit anderen Menschen, diesem einen guten Teil seiner Aufmerksamkeit zu schenken. Doch all dies fuehrt dazu, dass man nicht wirklich bei sich ist ....

Hier nun, ist keine dieser Ablenkungen vorhanden. Kein Radio oder Fernsehen, man braucht weder arbeiten noch redet man (die Mitstudenten sollten ja moeglichst ignoriert werden) und man wird mit allem Noetigen (z.B. Essen) versorgt ohne sich grossartig darum kuemmern zu muessen. Einzig die Natur bietet eine kleine Abwechslung. Aber die Gedanken hoeren auch dort nicht auf. Sprich, man spricht fast ununterbrochen mit sich selbst.

Ich ueberlege mir, dass wenn ich schreibe, dies im Prinzip auch als reden gilt, oder? Ich unterhalte mich mit mir selber. Ob dies dann auch als Ablenkung gilt? Ich persoenlich finde nicht, denn es ist ja wichtig, zu schauen, was mit mir passiert, waehrend ich hier bin und meditiere. Und schreibenderweise gelingt mir dies nun mal meist am Besten.

die Unterkunft der Frauen

(die Fotos habe ich selbstverstaendlich
nicht selbst gemacht - no cameras allowed -
sondern der Webseite des DhammaSiri
Centers entliehen)
Am Tag drei ist die Technik ein wenig verfeinert worden. Ich verstehe langsam auch besser worum es geht. Naemlich darum, dass wir aufmerksam auf unser Unterbewusstsein werden. Ich erhebe hier nicht den Anspruch, dass ich alles so wiedergebe, wie es auch gemeint ist. Ich beschreibe es so, wie es bei mir ankommt. In einfachen Worten: wie oft geschieht es, dass es mich irgendwo juckt und ganz automatisch kratze ich mich – ohne bewusst darueber nachzudenken. Hier nun, wenn ich fuer eine Stunde stillsitze und die „Empfindungen“ in meinem Koerper beobachte, veraendert sich etwas. Ich spuere z.B. dass es mich am Bein juckt. Ich beobachte dann genau diese Stelle mit einer sehr gleichmuetigen Einstellung: ah, da juckt es jetzt, na und? .. und das Jucken geht von ganz alleine weg. Dies bewusst zu realisieren hat zwei Auswirkungen. Die eine ist, dass einem klar wird, dass nichts von Dauer ist. Dies in der Theorie zu wissen ist ja gut und schoe, aber es physisch am eigenen Leib zu erleben, vertieft die Erkenntnis um ein Vielfaches!

Die zweite Auswirkung ist, dass ich durch das bewusste nicht kratzen (ich benutze das „Jucken“ an sich als Beispiel, denn es kann auch ein Kitzeln oder auch Schmerz sein), loese ich sozusagen die unbewusste Handlung auf. Lasse mich also nicht unkontrolliert handeln. Wenn nun genau dieser Mechanismus – naemlich Handlungen aus dem Unterbewusstsein in das Bewusstsein zu bringen – durchbrochen wird, kann ich dies auch auf viel komplexere Bereiche ausweiten. Beispiel: wenn jemand etwas Unschoenes zu mir sagt, reagiert mein Unterbewusstsein automatisch mit ‚Abwehr’ und Gegenreaktion. Negative Gefuehle, die bewirken, dass es mir schlecht geht. Lasse ich meinem Unterbewusstsein aber nicht diese Freiheiten, sondern durchbreche den Automatismus, so kann ich, wenn jemand etwas Unschoenes zu mir sagt, viel bewusster reagieren und z.B. sagen: oh, der hat einen schlechten Tag, aber das geht vorbei. Ich muss deswegen nicht auch schlecht drauf sein ...

So in ungefaehr verstehe ich die Theorie der Technik. Und wenn dies funktioniert, ich mir das verinnerlichen kann ... ein ganz neues Lebensgefuehl wuerde entstehen ... Allerdings, das Ganze in die Praxis umzusetzen ist natuerlich nicht ganz so einfach und erfordert ziemlich viel Uebung.

Aber darum war ich ja hier. Doch schnell merkte ich, dass dies viel Bereitschaft voraussetzt. Und mein Gehirn / Geist zeigte sich nicht immer kooperativ dabei. Es ist Tag vier und die morgendliche Sitzung war fast schon grausam schwer. Ich schaffe es nicht mich zu konzentrieren, fokkussieren. Mir tut alles weh von der ungewohnten Sitzerei und meine Gedanken fahren Achterbahn. Ich habe einen Moment in dem ich mich ernsthaft frage, wie ich auf die bloede Idee kommen konnte, mich fuer dieses Retreat anzumelden. 10 Tage meditieren? Ich haette ja nicht mit einem zwei Tage Probekurs anfangen koennen, oder etwas aehnlichem? Nein immer gleich in die Vollen .... Waehrend der Lehrer redet (vom Band) ist es ganz gut. Da hoere ich die Stimme und befolge auch die Anweisungen. Aber dann wenn es ruhig ist, kommt es mir vor, als versage ich komplett. Es scheint mir, allen anderen faellt es leicht, die sitzen still da und meditieren (so sieht es aus) und ich hampel hier um und kriege es nicht hin. Doch ich versuche mich damit zu troesten, dass ja schliesslich noch kein Meister vom Himmel gefallen ist.

Ich bin mir schon sehr bewusst darueber, dass ein Teil der Ursache meines nicht ganz so guten Befindens natuerlich nicht wirklich nur die ungewohnte Sitzerei ist und auch nicht das Meditieren als Technik an sich. Es ist – um nochmal darauf zurueck zu kommen – die Tatsache, dass ich nun ploetzlich 24 Stunden mit mir alleine bin. Keine Ablenkung in irgendeiner Form. Und durch die Uebungen, in Bereiche des Unterbewusstseins vorzudringen, kommen ja nicht nur Automatismen zum Vorschein, sondern auch dort vergrabene Gefuehle! Das ist so, als wenn man in der Wueste ein Loch graebt und dann bildet sich ploetzlich tief unten im Sand eine kleine Pfuetze. Und wenn man noch ein wenig weitergraebt, wird es ein wenig mehr Wasser und man sieht wie die Oberflaeche erst welllig wird und dann wie es in der Mitte zu sprudeln beginnt. Und von diesem Sprudeln in der Mitte gehen die Kreise bis an den auessersten Rand der nun groesser werdenden Pfuetze ...

Es ist immer noch der vierte Tag und die Nachmittagssitzung hatte es wirklich in sich. Erst eine Stunde normales meditieren (wie wir es die letzten Tage praktiziert haben). Dann gab es eine kurze Pause und dann kam eine ca. 90-minuetige Sitzung in der wir die eigentliche Vipassana-Technik lernten. Jetzt werden nicht mehr nur die Empfindungen im Nasenbereich beobachtet, sondern am ganzen Koerper. Es kostete mich schon einige Muehe mich fuer so lange Zeit zu konzentrieren, aber ich schaffte es, auch in den naechsten Sitzungen; wenn schon nicht immer intensiv zu meditieren, so dennoch still zu sitzen.

Und dann kam Tag sechs. Angefangen hatte er mit einem positivem Erlebnis am Vormittag. Direkt vor der Unterkunft der Frauen befindet sich ein Teich. Da Wasser ja sowieso mein Element ist und hier an dem Pond zu meiner Freude auch Schildkroeten wohnten, hatte ich schnell meinen Lieblingsplatz gefunden, ein Baumstamm mit Blick auf eben das Gewaesser mit all der wilden Natur da rum. Und da – nach einem Regentag – nun das Wetter wunderbar mild war, die Sonne schien, hatte ich es mir dort bequem gemacht. Alle anderen waren in ihren Zimmern oder in der Meditationshalle und ich war alleine.

Ich sitze also da am Pond und gruebel vor mich hin, als es rechts von mir im Gebuesch raschelte. Ich vermutete erst ein paar Voegel, die es hier ziemlich zahlreich gibtb. Aber irgendwie war es mehr. Also Squirrles (texanische Eichhoernchen), auch davon waren hier genug unterwegs. Doch auch dafuer schienen mir die Geraeusche zu laut und als ich in die Richtung blickte, schaute ich direkt in die Augen einer Wildkatze (in Texas heissen diese Bobcat). Im allerersten Moment setzten Herz und Atmung aus. Natuerlich war sie nicht so gross wie etwa ein Puma, aber doch um einiges groesser und kraeftiger als eine gewoehnliche Hauskatze. Das Fell grau-braun meliert, mit kurzem Schwanz und einem kraeftigen Koerperbau. Mit gelb-schwarzen Augen sah mich kurz an (ich war inzwischen aufgestanden um sie besser zu sehen und – ganz ehrlich – notfalls schneller fliehen zu koennen), drehte sich dann um und spazierte an mir vorbei, am Haus entlang, um sich dann ca. 10 m weiter hinzusetzen und aufmerksam in den Wald hinter dem Gebaeude zu schauen.
Irgendwann hatte sie wohl etwas entdeckt und sprang davon. Wow! Ich habe selten etwas so elegantes gesehen, oder gar ein Lebewesen das eine solche Ruhe ausstrahlt! Und sie schien ueberhaupt keine Angst zu haben. Faszinierend.

Weniger faszinierend dagegen war meine Verfassung. Koerperlich plagten mich Kopfschmerzen und eine ungute Verdauung, aber damit haette ich ja noch leben koennen. Unangenehmer war der seelische Zustand. Und im Laufe des Mittags wurde es immer schlimmer. Meine Gedanken fingen an sich um die Ueberlegung zu kreisen, noch heute mit der Lehrerin zu sprechen und ihr zu sagen „ich gehe“ und dann Helmut anrufen, dass er mich spaetestens morgen abholen soll. Natuerlich fiel mir – als „Wie kann ich mein Leben verbessern“-Hoerbuch-Veteran sofort der Spruch ein: A Winner never quits and a Quitter never wins! Aber: man dh. frau dh. ich kann sich doch auch mal geirrt haben und diesen Irrtum dann zugeben, oder? Ich meine, warum soll ich mich noch vier Tage quaelen? Okay, Helmi wird es wohl eher nicht gefallen, weiss ich doch, dass er ein Projekt am Laufen hat waehrend ich weg bin. Aber ich kann mich doch nicht immer danach richten, was anderen passt oder nicht ... mein Gedankenschlitten war ausser Kontrolle und auf einen schwarzen, eisigglatten Emotionsgletscher geraten und bewegte sich langsam, aber unhaltbar in Talrichtung ... Tiefe Krise. Mir kam dann kurz der Gedanke, oder besser die Befuerchtung, wenn ich all das anleiere – also mit der Lehrerin reden, Helmi anrufen, usw. – ich mich hinteher auch elend fuehle, weil ich versagt habe. Eine Zwickmuehle!
Je mehr Minuten verstrichen, je konfunser wurde ich. Und es war niemand da, dem ich es mitteilen konnte. Ich musste – zumindest in dem Moment – damit fertig werden. Eine Entscheidung treffen. Wieder die ernsthafte Ueberlegung morgen abzureisen. Auch ein Spaziergang nach dem Mittagessen und ein Powernap (20 min schlafen) halfen nicht. Es ging mir nicht besser. Kopfschmerzen, der Magen krampfte sich zusammen.

Dachte dann, okay, ich gehe in die Nachmittagssitzung und anschliessend treffe ich eine Entscheidung. Doch soweit kam ich dann gar nicht, denn auf dem Weg von der Unterkunft zur Meditationshalle fiel die Krise ueber mich her, als haette mir jemand einen Eimer Wasser ueber den Kopf geschuettet. Ich kann das nicht, ich will weg! So wartete ich auf dem Weg dorthin auf unsere zustaendige Ansprechpartnerin (eine sehr junge Frau, ich schaetze japanischer Abstammung, die fuer Organisation etc. zustaendig war). Ich sagte ihr (mit noch) fester Stimme: Ich will morgen abreisen! Allerdings muss ich schlecht ausgesehen haben, denn sie fragte gleich ob alles okay ist? Das war zuviel! Nein, nichts ist in Ordnung! ... meine Stimme nur noch ein heiseres Fluestern zwischen den aufsteigenden Traenen. Ich bin normalerweise nicht so nah am Wasser gebaut, aber jetzt ... All die tollen Saetze, die ich mir zurecht gelegt hatte – weg! Klasse. Ich versuchte ihr dann zu erklaeren, dass dies alles hier einfach nichts fuer mich sei, das ich fehl am Platz bin. Sie sagte sehr ruhig, dass es ihr beim ersten Kurs ebenso ergangen sei. Immer noch mit erstickender Stimme stammelte ich, dass mir das jetzt nicht wirklich nuetze. Ihr naechster Satz allerdings traff mich: It is not at all what you expected, right? (es ist nicht was Du erwartet hast). Nein, wirklich nicht! Sie fragte mich dann, ob ich mit der Lehrerin sprechen moechte und ich sagte, mit traenenverschleiertem Blick auf die Uhr, dass jetzt ja erstmal Meditationsstunde sei. Ob ich dort teilnehmen koennte? Ja, ich versuche es. So bin ich in die Halle. Und eine positive Energiewelle empfing mich. Ich setzte mich auf meinen Platz und beruhigte mich. Es dauerte eine Weile, aber ich hatte ploetzlich wieder das Bild der Wildkatze – elegant, ruhig, furchtlos – vor Augen und das half. Als sich der Tornado in meinem Kopf dann ausgetobt hatte, konnte ich auch wieder einen klaren Gedanken fassen (wobei das Stillsitzen und die allgemeine Versunkenheit der Meditierenden ihren Teil beitrugen). Ich ueberlegte mir, dass wenn ich mit der Lehrerin spreche, sie mir bestimmt sagt „versuche es doch noch einen Tag lang“ und „ das was jetzt passiert, ist der Reinigungsprozess, all die alten Dinge sprudeln an die Oberflaeche“ ... usw. Trotzig wie ich bin, antwortete ich mir: Das weiss ich ja selbst! Doch neben dem Trotz hatte auch eine ganz vernuenftige Stimme Platz und die sagte: dies waere kein guter Zustand nach Hause zu fahren, ich sollte erstmal wieder meine sieben Sinne sammeln. Ich glaube ich beginne die Geschichte mit der Reinigung zu verstehen. Und dazu dient das Schweigen, meditieren (allein mit eigenen Gedanken) und die ‚Solitude’, aber auch das Durchwaten eines Krisensumpfes, barfuss und ungeschuetzt. Vielleicht sollte ich doch die vollen 10 Tage bleiben und komme nicht „kaputt“ nach Hause? Doch erstmal heute. Fuer heute ist es gut und morgen, morgen ist ein neuer Tag und ich entscheide dann. Ja, so mache ich das ...

Ich lernte an diesem Tag das wohl wichtigste Wort bis ins tiefste Innere zu begreifen: „Annicca“ (sprich: anitscha) – frei uebersetzt bedeutet es: nichts ist permanent, alles geht vorbei! Auch die Ungewissheit, wie es mir morgen gehen wird ....

.... Fortsetzung folgt ....