Manchmal purzeln ganz unerwartet Sätze in mein Leben, machen sich in
meinen Gedanken breit und lassen mich dann einfach nicht mehr los. Oft nicht, bis
ich sie genommen, zu Papier gebracht und in irgendeiner Form verarbeitet habe. Dies
ist so ein Satz, ein unvollständiger noch dazu, der mich dazu verleitete, ihn
ganz zu machen. Als ich dann über das ‚Wie‘ nachdachte, kamen mir viele Dinge
in den Sinn:
… dann würde ich mit meinem Hund einen ganz langen Spaziergang machen.
Ich war zu faul gestern und heute regnet es.
… dann würde ich meinem Freund sagen, dass ich ihn liebe, ihn vermisse,
wenn er nicht bei mir ist. Ich tue das viel zu selten, in der Annahme er wird
es schon wissen.
… dann würde ich dem Nachbarn sagen, wo er Hilfe für sein
Alkoholproblem bekommen kann und mich outen. Aber aus Angst vor der eigenen
Courage habe ich es bisher gelassen.
… dann würde ich endlich einen Brief an meine Schwester schreiben. Sie
hat schon ein paar Mal nachgefragt, wie es mir geht. Und ich kriege einfach die
Kurve nicht. Gestern saß ich schon am Computer und bin dann doch im World Wide
Web hängen geblieben.
… dann würde ich mich hinsetzen und die freie Zeit nutzen, um ein wenig
bei mir zu sein. Heute rinnen mir die Minuten mal wieder durch die Finger wie
feiner Sand
… dann würde ich endlich das Versprechen einlösen, das Unkraut im
Garten meiner Mum zu jäten. Bisher fand ich immer morgen sei ein guter Tag
dafür.
… dann würde ich den längst fälligen Besuch am Grab eines alten
Freundes machen und nicht wie gestern, nur von weitem im vorbeifahren mit
schlechtem Gewissen auf die Friedhofmauer schauen.
… dann würde ich ein großes Eis mit viel Sahne essen, ohne darüber
nachzudenken, wie viele Kalorien das sind. Einfach so, aus Lebenslust.
… dann würde ich mir den Film bestellen, den ich schon so lange sehen
wollte, aber ich dachte immer, irgendwann kommt er sicher auch im Fernsehen.
… dann würde ich die eine Entscheidung treffen, die mir auf der Seele
liegt und sie nicht immer vor mir herschieben.
… dann würde ich nicht wegschauen, als der Fremde mich anlächelte; ich
würde zurücklächeln und den Rest des Tages von dieser freundlichen Geste
zehren.
….dann würde ich meiner Kollegin nicht so rüde gegenübertreten. Ich bin
es doch die immer sagt: ... don’t judge others you don’t know about their
suffering ... aber sie ist manchmal wirklich äußerst nervig und sehr
schulmeisternd. Aber bin ich das nicht auch?
… dann würde ich den Plan für mein Leben schreiben. Die Stichworte, die
in meinem Kopf herumschwirrten in eine Ordnung bringen. Heute sind sie wie
weggeblasen.
… dann würde ich endlich die SMS schreiben, die mir so am Herzen liegt.
Gestern hatte ich das Handy schon in der Hand und heute, heute hat mich der Mut
verlassen
… dann würde ich das tolle Kleid kaufen, dass ich im vorbeigehen im
Schaufenster bewundert habe und so gerne hätte; doch war mir der Preis zu hoch.
Heute trägt es eine Andere.
… dann würde ich endlich mal meine Freunde anrufen und fragen wie es
ihnen geht. Ich habe ewig nicht mich ihnen gesprochen, aber ich hatte gestern
keine rechte Laune dazu. Und heute geht keiner ans Telefon und ich mache mir
Sorgen.
… dann würde ich mir die Zeit nehmen im Moment zu sein. Nicht davor,
nicht danach, einfach mittendrin.
Wenn heute noch mal gestern wäre .... würde ich wirklich alles anders machen?