...
also ich glaube er - der Hund - ist kein Angestellter, sondern eher
ein Boss ... Er ist es nämlich der grosse Teile des Tagesablaufes
bestimmt. Egal ob es mir nun in der Kram passt oder nicht.
Dies
zumindest meine bisherige Einstellung, doch ich werde dieser Tage
eines Besseren belehrt. Allerdings gebe ich zu, dass ich mir dazu
Hilfe geholt habe .... und da lerne ich nicht nur meinen Hund ganz
neu kennen, sondern auch ganz viel über mich selbst.
Und
wie kam es dazu?
Das
Beste am Menschen ist sein Hund. (Unbekannt)
Einem
Kind kann man es ja vielleicht noch erklären, aber wie ist das bei
einem Hund? Der muss wohl einfach hin, wohin Frauchen oder Herrchen
in hinbringt. So war der Flug über den Atlantik für Clyde sein
persönliches Trauma. Er ist ein kleiner Angsthase und am Schlimmsten
war wohl, dass er 'dachte' er wurde alleine gelassen. Für ein Tier,
dass es bisher in seinem Leben immer gewohnt war im Rudel zu sein,
sicher nicht ganz einfach.
So
ist denn auch die ersten drei Tage kaum von meiner Seite gewichen.
Als er aber merkte, das Frauchen immer wieder kommt, wurde es besser.
Anpassungsfähig ist er durchaus und hat dann einfach meine Eltern
(bei denen ich die ersten Wochen wohnte) als sein neues Rudel
akzeptiert. Und, was natürlich auch wichtig ist, meine Eltern haben
den Racker sofort ins Herz geschlossen. Ein Blick aus seinen treuen,
immer etwas traurig wirkenden Hundeaugen und jeder wird schwach.
Nun,
nach gut 6 Wochen wieder in Deutschland, stellte ich fest, er hat
sich doch schon an vieles gewöhnt. Und Clyde ist allgemein ziemlich
gut zu handhaben. Ich meine, er lässt sich ohne 'Kommentar' nach
einem Spaziergang im Regen die Füsse abduschen, Autofahren macht ihm
nichts aus, man kann ihn ohne weiteres in ein Restaurant mitnehmen
usw.
Einzig,
er ist extrem anhänglich. Bei Mum und Dad bleibt er gerne, wenn ich
mal Termine habe, aber ganz allein verfällt er fast in Panik.
So
langsam begann ich mir ernsthafte Gedanken darüber zu machen, was
wird mit Clyde wenn ich wieder arbeiten gehe. Wird er alleine in der
Wohnung bleiben ohne den ganzen Tag zu heulen?
Ein Hund hat die Seele eines Philosophen. (Plato)
...
und manchmal den Dickkopf eines störrischen Esels.
Meine Mum und Clyde |
Zum
Einen meldeten sich die - wie ich bald feststellte - 'üblichen
Verdächtigen': junge Mädchen, zwischen 12 und 15 Jahren, die meist
selber keinen Hund haben durften und hier eine Möglichkeit sahen,
ihrer Tierliebe Ausdruck zu verleihen. Das Problem mit ihnen, ich
suchte jemanden der zeitlich flexibel ist (d.h. eben auch am
Vormittag Zeit hat), den Hund mal abholen kann (was bei den Mädels
wenn sie im Nachbarort wohnen schon schwierig wird), und / oder ihn
evtl. auch zuhause betreut.
Die
zweite Kategorie, die sich meldete, waren ältere Damen, die - ganz
grob gesagt - eine Beschäftigung suchen. Allerdings kamen da immer
sofort Einschränkungen wie: ich habe zwei Katzen, wird er sich mit
denen verstehen? Oder: ich muss jetzt aber erstmal ins Krankenhaus
und kann dann eine Weile nicht laufen, aber prinzipiell ... Oder: ...
aber I kann et am Montag, weil da kommt immer mei Sohn und der hät a
Allergie, gell ...
lass mich in Ruhe, ich schlafe noch |
Gesagt
getan. Ich unterhielt mich sehr nett mit Frau S. Aber wieder tat
Clyde tat sich ein wenig schwer mit den Kindern. Die älteste Tochter
(12) hatte es ganz gut drauf, den Hund als Hund zu sehen, die zwei
Kleineren sahen ihn mehr als Spielzeug. Doch, jeder ist lernfähig.
Den Spaziergang wollten wir nochmals wiederholen, damit sich alle
aneinander gewöhnen. Frau S. sagte sie melde sich bei mir ... was
dann nie geschah.
Und
das war das Ende der 'Aktion Anzeige' und leider nicht die Lösung
meines Problems. Und so langsam spürte ich, dass mich das doch sehr
stresst. Das spürt mein Sensibelchen natürlich gleich und
reagierte entsprechend. Also sagte ich mir, Alles wird gut.
Vielleicht mache ich mir da einfach zu viele Gedanken ..
Nun
loslassen konnte ich es nicht ganz, also - Zweiter Versuch: mal
wieder das WWW befrage, da gibt es doch sonst auch für alles eine
Lösung. Ich wurde fündig. Eine Webseite, die sich darauf
spezialisiert hat, 'Betreuung' zu vermitteln. Für Kinder, für
Senioren, für Häuser und für Hunde (bzw. Tiere im Allgemeinen).
Angeblich sollte das Registrieren auf betreut.de kostenlos sein. Also
anmelden, kleine 'Anzeige' rein und warten. Und tatsächlich meldeten
sich schon bald ganz unterschiedliche Menschen und boten Ihre Dienste
an. Als ich nun versuchte, ihre (Bewerbungs)Mails zu lesen ging das
nicht. Dafür müsse ich Mitglied werden, kostet im Monat nur 24
Euro. Nur? Naja, wenigstens konnte ich das Profil der 'Bewerber'
einsehen. Und schloss diese Option ziemlich schnell aus, denn hier
verlangten die auch nur halbprofessionellen Sitter in der Regel einen
Stundenlohn (!) von 10 - 20 Euro. So gerne ich bereit bin, etwas Geld
zu investieren, aber das kann ich mir schlicht nicht leisten.
Also
auch hier noch keine Lösung in Sicht.
Und
nochmal musste Clydie eine Veränderung hinnehmen, als wir nämlich
in unser jetziges Zuhause umzogen. Ich gebe zu, für eine Weile war
da noch ein ganz schönes Chaos. Fast keine Möbel, wir haben auf der
Schlafcouch im Wohnzimmer genächtigt und irgendwie war alles noch so
ein bisschen provisorisch. In meiner menschlichen Gedankenwelt hatte
ich richtig gehend Mitleid mit Clyde und war zum Einen recht
aufmerksam ihm gegenüber zum anderen habe ich öfter mal ein Auge
zugedrückt, wenn er nicht 'gehorcht' hat. Er wiederum wusste das
gut auszunutzen. Wobei er nicht wirklich dazu neigt, irgendetwas
anzustellen, aber er isst dann z.B. nicht, wenn ihm das gesunde
Futter nicht passt ... Ich fragte mich ein paar mal, ob ich mir nicht
schlicht zu viele Gedanken machte.
Meine Nichte Luise mit Clyde |
Kurzfristig
dachte ich mal es würde besser werden. Nachdem ich meinen Freund
Google befragt hatte, um mir Tipps zu holen, was ich tun könnte. Wie
immer gab es zig Meinungen in unterschiedlichster Art von
Semi-Amateuren und ich extrahierte mir das heraus was sinnvoll
erschien. Also übten wir. Zum Beispiel das ich immer mal wieder
kurzfristig aus der Wohnung gehe, bis er sich daran gewöhnt hat,
dass ich wiederkomme. Also ging ich in den Keller! Beim ersten und
zweiten Mal hat er gebellt / gejault, aber nachdem ich noch ein paar
Mal rein und raus bin, ging es besser (wahrscheinlich wurde es ihm
schlicht zu dumm und er dachte 'was macht die da eigentlich?'). Als
ich dann mal abends den Müll runter brachte, blieb er sogar im
Wohnzimmer. Hoffnung keimte auf, er wird es lernen. Ich dagegen muss
noch lernen, mich von ihm nicht 'gängeln' zu lassen ;-)
Luise und Clyde |
Vierter
Versuch: Wieder einmal bemühe ich das Internet. Es gäbe da noch die
Option Clyde in einer Hundepension unterzubringen. Schnell werde ich
fündig. In Echterdingen gibt es ein Hundehotel 'Dog Holiday' mit
recht guten Kritiken. Ich nehme Kontakt auf und wir vereinbaren einen
Besichtigungstermin. Was ich sehe gefällt mir ganz gut und Herr
Winkler scheint mir sehr kompetent im Umgang mit Hunden. Das 'Dog
Holiday' schon 15 Jahre besteht spricht ja durchaus auch für sich.
Damit man nun rausfinden kann, ob erstens der Hund sich dort
wohlfühlt, zweitens mit den anderen 'Gästen' zurecht kommt und
drittens auf den 'Dogsitter' hört.
Am
07.05. war es dann soweit. Ich bin mir nicht sicher, wer aufgeregter
war, Clyde oder ich. Aber ich vermute stark, dass ich es war. Er
wusste ja noch nicht was in erwartet. Pünktlich um 8.30 Uhr lieferte
ich ihn ab. Ich gebe zu, es war gar nicht so einfach. Irgendwie
wartete ich dann den ganzen Tag auf einen Anruf vom Herrn Winkler,
dass ich den Lütten abholen muss. Glücklicherweise kam dieser aber
nicht. Und als ich am späten Nachmittag zurück kam, schien Clyde
ganz okay. Er hatte wohl am Anfang etwas Angst vor den anderen
Hunden, aber als er feststellte, die wollen ihm nichts Böses, ging
es ganz gut. Mit anderen Worten, hier habe ich zumindest eine Option,
wenn mal niemand anderes zur Verfügung steht.
Aber
eine Dauerlösung ist es nicht, also gab es noch eine fünfte
Versuchsreihe. Diese startete mit einer Erkenntnis: Ich kriege das
alleine nicht in Griff. Und aus meiner ganz persönlichen
Lebensgeschichte und Erfahrung, dämmerte es mir schnell, ich brauche
professionelle Hilfe. Wieder einmal befragte ich meinen Freund
Google. Und wurde fündig: ein Hundetrainer, gleich hier in LE. Ein
Anruf bei Herrn Schön Herzon (www.hund-und-mensch-training.de)
genügte und wir vereinbarten einen Termin.
Erste
Lektion bei uns zuhause, damit der Trainer sieht, wie die Umgebung
ist, in der der Hund lebt, kommt er in die Wohnung. Sehr sinnvoll wie
ich finde. Nachdem wir eine Weile geplaudert und ich mein Anliegen
geschildert hatte, starteten wir. Ich definierte einen Platz, der für
Clyde bestimmt ist. Dort liegt sein Kissen, bzw. steht sein Körbchen
und nun soll er lernen, dass er sich dort auch aufhalten soll (das
würde ihm ein Gefühl der Sicherheit geben). Herr Schön Herzog
zeigte mir, wie ich das mit dem Junior trainieren kann. Dann noch ein
paar allgemeinere Tipps bezüglich Essen und Gassigehen und nach
eineinhalb Stunden verabschiedete er sich mit der 'Ermahnung', nun
sei es an mir: üben üben üben. Die nächsten Tage bemühte ich
mich, die Übung mit Clyde durchzuführen. Hierbei lernte ich nicht
nur wie dickköpfig mein Hund sein kann, sondern auch ein kleiner
Schelm. Oft legt er sich so hin, dass z.B. nur ein Fuss auf dem
Kissen liegt. Nach dem Motto: ich tue was Du sagst, oder? Aber ich
habe auch meinen Willen ... Was ich noch lernte, war mein eigenes
Verhalten zu reflektieren. Nicht nur stellte ich fest, dass ich immer
wieder ziemlich inkonsequent bin (z.B. wenn ich abends auf dem Sofa
sitze und fernsehe, kann ich selten widerstehen, wenn Clydie sich zu
meinen Füssen legt). Auch wieviel ich von meinen eigenen Gefühlen
und Verhaltensweisen auf den Hund spiegel. Sehr spannend.
Zweite
Lektion: Der Spaziergang ... Ca. 1 Woche später kam er. Kurz drinnen
gesprochen und dann zum Siebenmühlenweg gefahren um Spazierengehen
zu trainieren. Und da hatte ich dann ein echtes 'Aha-Erlebnis'.
Normalerweise war es bisher ja immer so, dass Clyde 'geführt' hat.
Er läuft, bleibt stehen und hebt das Bein, er geht rechts oder
links. Wir laufen jetzt immer mit einer neuen Leine. Diese ist
keine Flex, entsprechend kürzer, rollt sich nicht selbstständig
auf. So bin ich ständig dabei, die Leine lang zu lassen, wieder
aufzurollen, im wahrsten Sinne des Wortes Clyde hinterher zu dackeln.
Den Spaziergang kann ich so nur bedingt geniessen. Heute nun änderten
wir dies. Herr Schön Herzog forderte mich auf, die Leine nur am Ende
festzuhalten und dann die Hand in die Hosentasche zu stecken. So
schleifte ein Teil auf dem Boden. Dann liefen wir los. Das heisst,
ich sollte laufen. Und zwar immer so, wie es mir gerade passt. Also
mal schnell, mal langsam, umdrehen, stehen bleiben. Dabei den Hund im
Prinzip nicht beachten. Auch nicht, wenn er sich mal in der Leine
vertüttelt, denn daraus kann er sich - so merkte ich ganz schnell -
ganz alleine befreien. Und siehe da, dieser lief ganz brav immer
neben mir her. Schaute aufmerksam was ich tue und passte sich dem
Schritt und der Richtung an. Blieb auf einmal gar nicht mehr so oft
stehen um irgendwas zu markieren. Natürlich wurde er davon von mir
gelobt, was ihn dann auch motiviert. Wenn Clyde versuchte voraus zu
laufen, drehte ich um, damit er merkt, dass ich die Richtung
bestimme, das Kommando habe. Dies führte dann auch dazu, dass er
plötzlich entgegenkommende Fussgänger gar nicht mehr anbellen
musste, weil er hat - so erklärte mir der Hundetrainer - die
Verantwortung abgegeben und muss so auch nicht aufpassen und
beschützen. Der
Spaziergang machte richtig Spaß!
Okay
Clydie war ein wenig verwirrt ob dieser neuen Form, aber überhaupt
nicht ungehalten darüber - im Gegenteil. Was ich dabei über mich
lernte: wenn ich selbstsicherer gehe, die Verantwortung übernehme,
dann ist auch meine Hund sicherer. Ich gehe sozusagen mit gutem
Beispiel voran. Ich bin der Boss. Ist gar nicht so einfach, wie es
sich anhört, denn bisher hatte ich doch irgendwie auch immer noch
etwas Mitleid mit dem Hund, weil ich ihn sozusagen aus seiner
'gewohnten' Umgebung gerissen hatte. Aber ich lerne nun, das brauche
ich nicht. Und wir machen natürlich auch noch weiter mit dem
Training, denn nicht nur der Hund lernt dabei ...
Unschuldsengel |
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