…
oder ‚Dancing with the tide‘!
Gedanken
zu meinem 15. Trockengeburtstag …
Ich
kann es nicht glauben: Schon haben wir wieder Mitte Dezember. Die Zeit rauscht
an mir
vorbei und bevor ich es richtig begreife ist es Weihnachten und das Jahr
2013 zu ende... Viel zu oft vergehen die Tage, als stürzten sich die Minuten in
Stundenfässer sitzend einen Wasserfall hinunter.
Also
nicht, das ich mich alt fühle, aber man sagt doch, je älter man wird, umso schneller
vergeht die Zeit, umso schneller scheinen die Wochen, Monate und Jahre ins Land
zu ziehen. Ich weiß nicht ob das stimmt, aber ich kann für meinen Teil sagen,
dass das letzte Jahr gefühlt ziemlich schnell vorbei ging. Es gibt Momente, da
frage ich mich, wo sind all die Tage, Wochen und Monate hin. Ich frage mich:
Liegt es nun daran, dass so viel passiert ist? Oder liegt es daran, dass ich
dieses Jahr so intensiv gelebt habe?
Wissenschaftler
der Hebrew University in Jerusalem haben mal gemeint, eine Erklärung dafür
gefunden zu haben, warum es einem oft so erscheint das die Zeit schneller
vergeht: Nämlich, wenn man sie mit Tätigkeiten verbringt, die man kennt und bei
denen nichts Neues passiert. Die gerade Linie der Routine nehmen wir
unbewusster, automatischer und schneller wahr. Die Zacken und Umwege der neuen
Erfahrungen und ungewohnten Tätigkeiten empfinden wir bewusster und langsamer.
Je älter wir werden, desto mehr Erfahrungen und Dinge gibt es, die wir kennen
und routinemäßig machen. Und desto schneller scheint die Zeit zu vergehen.
Doch
irgendwie kann ich dem nicht zustimmen. Denn mein letztes Jahr war angefüllt
mit Neuem, mit Unbekanntem. Vollgepackt mit Ereignissen und Momente, die es
wert sind erinnert zu werden.
In
den letzten Monaten, seit ich zurück nach Deutschland gekommen bin, hat sich
nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch fast alles in meinem Leben verändert.
Ich habe noch einmal von vorne angefangen. Und auch wenn es im Rückblick
erscheint, als wäre es ein Klacks, so war es doch mit viel ‚Arbeit‘ verbunden.
Müsste
ich dieses dann nicht viel mehr spüren, müsste mir die Zeit nicht viel
bewusster sein? Und ich frage mich, wie viel Leben passt in ein Jahr?
Ich
entdeckte - und entdecke immer noch - ungeahnte, ungekannte Seiten an mir. Es
ist fast, als sei ein Damm gebrochen und nun fließt das Wasser meines inneren
Flusses ungehindert durch das Geröll des Lebens. Füllt jede Ecke, überflutet
das, was brach lag und nährt die Pflänzchen meiner Persönlichkeit, die bisher
ungenutzt, unentdeckt in dunklen Winkeln standen. Und plötzlich fangen sie an
zu wachsen.
Wie
in der Wüste, in der Samen jahrelang im sandigen Boden verharren, bis es eines
Tages regnet. Dann plötzlich blühen sie auf, die Wüste wird grün. Es scheint
mir als erlaube ich mir, einen Blick auf die Unbegrenztheit meiner Seele zu
werfen.
Ich
hörte kürzlich in einem Vortrag von Veit Lindau (von dem übrigens auch der
erste Teil des Titel dieses Posts entliehen ist) die Aussage: Brenne für Dein
Leben!
Das
genau ist es. Dann wenn ich mich für mein Leben begeistern kann, wenn ich
bewusst die Entscheidungen treffe, jeden Tag, die Verantwortung übernehme, dann
brenne ich für mich, für mein Leben. Dann auch erlaube ich mir jeden Tag mal
verrückende Gedanken zu denken. Dann überschreite ich bewusst auch mal meine
Grenzen um zu erfahren, was dahinter liegt, was möglich ist. Ich spüre Kräfte
in mir, von denen ich wenig oder keine Ahnung hatte. Ich höre meine Musik, die Melodie
meines Wesens. Ich ahne den Grund der still und fest unter den dahinrauschenden
Wassern der Ereignisse liegt. Mit dem Bewusstsein kann ich dann lieben was ich
tue – fast jeden Augenblick … und wachse daran.
Nein,
es war und ist ganz sicher nicht nur einfach. Es gab Enttäuschungen, Schmerzen und
Zeiten in denen ich Schwierigkeiten hatte das Licht zu sehen. Es haben sich mir
einige Hindernisse in den Weg gestellt; Herausforderungen vor mich aufgebaut,
mit in die Hüfte gestemmten Fäusten und gesagt: versuch mal an mir vorbei zu
kommen! Und ich weiß auch, es wird immer wieder unruhiges Gewässer geben, und
ich werde sicher noch das eine oder andere Mal mit meinem Lebensboot ins
trudeln geraten. Doch ich stelle immer wieder fest, wenn ich danach Ausschau
halte, finde ich den Mut in mir, auch schwierige Situationen anzugehen, zu
meistern.
Ich
fahre den Fluss hinunter, den ich möchte, den ich gewählt habe. Und das macht
einen Unterschied. Denn, ich habe die Wahl. Ich bestimme, wie ich auf die
Umstände reagiere. Ich bestimme, ob und in welchem Maße andere meine Stimmung
beeinflussen. Wenn ich jemandem die Schlüssel für mein Auto gebe, dann darf ich
mich nicht darüber beklagen, wenn dieser damit wegfährt. Wenn ich anderen oder
den Umständen die Schlüssel für mein Glück gebe, dann darf ich mich nicht
wundern, wenn ich unglücklich bin. Ich habe die Wahl, wie ich auf alles in
meinem Leben reagiere. Und ich arbeite daran, die Schlüssel für mein Leben
nicht aus der Hand zu geben.
In
dieser ganzen Zeit bin ich einfach davon ausgegangen, dass Alles gut geht. Habe
mich bemüht, nicht in Frage zu stellen, was ist. Im Wissen, dass ich es
schaffe. Wie ich bisher immer alles irgendwie geschafft habe in meinem Leben.
Heute
ist so ein Tag, mich daran zu erinnern. Und ich tue es mit Stolz. Stolz, den
ich mir verdient habe – in meiner persönlichen Lebensleistung, trocken zu
werden und heute meinen 15. ‚Geburtstag‘ zu feiern.
Ich habe aus dem gelernt,
was hinter mir liegt; bin weiter gesegelt, oft ohne Kompass oder Karte und ohne
genaue Kenntnisse wohin ich eigentlich will.
So mancher Tag war ein Kampf und ich hatte Mühe in der Fahrtrinne zwischen
den Ufern zu bleiben, um nicht an den Felsen zu zerschellen.
Doch wenn ich zurück
blicke, tue ich dies ohne Zorn. Jeder Abschnitt meines Lebens war wichtig und
hatte seine Berechtigung. Sicher, manchmal habe ich an einem morschen Holzsteg
festgemacht, unfähig vorwärts zu kommen und ließ die Wasser des Lebens an mir
vorbeifließen, in der Annahme, dass ich noch genug Zeit für all das Ungelebte
habe. Bis ich merkte, dass all das, was ich auf Morgen oder irgendwann
verschoben hatte, plötzlich an mir vorbei floss, ohne dass ich es hätte
aufhalten könne. Also habe ich mich aufgemacht, nicht mehr am Ufer zu sitzen
und zu sagen ich kann nicht und bin irgendwie zufrieden, sondern ich habe
gewählt … mit dem Fluss meiner Lebenszeit zu reisen, mich auch mal der
Herausforderung des Unbekannten zu stellen und auf den Wellen zu tanzen.
Ich gebe es zu, in den
letzten Monaten habe ich hin und wieder mein Lebensfloß mit Absicht in die
Stromschnellen gelenkt, ohne mich vorzubereiten, ohne Ruder und Schwimmweste.
Nein, nicht in Bezug auf die Sucht – dafür habe ich zu
viel Respekt vor der Krankheit, aber ich habe mich an und über meine Grenzen gewagt.
Ausprobiert wie es ist die Komfortzone zu verlassen...
Ein
japanisches Sprichwort sagt: „Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen!“
Jeder Mensch ist ein Grenzwesen in doppelter Hinsicht, ein Wesen zwischen
Bestie und Engel, das grausam töten kann, aber auch unendlich lieben. Und ein
Wesen, das begrenzt ist. Leider und Gott sei Dank. Der Mensch, wir – ich haben
Grenzen; körperliche Grenzen, seelische Grenzen, Grenzen der Belastbarkeit, die
signalisieren, wann es mir zu viel wird. Trotzdem ist es auch immer wieder gut
Grenzen zu überschreiten. Nicht dauerhaft, aber immer wieder mal den Blick
heben und über den Tellerrand hinausschauen. Das kann und muss gerade auch
immer wieder im Alltag sein, dass ich den Blick hebe und über das hinwegsehe,
was mich umstellt, über all das hinaus schauen, was mir den Horizont, die Weite
verstellt. Und diese Momente halte ich fest, ankere sie für die etwas trüberen
Tage.
Doch
es gibt weniger davon. Und wenn, dann nehme ich sie an und stelle mich ihnen.
Bemühe mich, den Tag wie eine Kriegerin zu beginnen. Eine Kämpferin im ganz
positiven Sinn. Eine, die sich für mein Leben einsetzt, es verteidigt und es
gut macht.
Doch
das geht nur, wenn ich lebe, nicht, wenn ich gelebt werde und mich einfach treiben
lasse. Leben und Erfahrungen suchen, die meinen Körper, meine Seele und meinen
Geist fordern und anregen. Leben hält lebendig. Anstrengungen kosten Kraft, sie
geben aber auch neue. Und sie machen glücklich.
Vor
allem brauche ich Zeit mit mir, wenn ich ganz lernen will, mit mir selbst
auszukommen. Zeit, in der ich mir ungeschönt begegne. Sehe wie ich bin und mich
so lieben lerne.
Und
ich vergesse nicht: Jeder Tag zählt! Jeder Tag denn ich trocken bleibe, ist ein
Fest für sich und darum feiere ich mein Leben ...
Nein,
‚das Tier in mir‘ ist
nicht fort. Und das ist gut so! Glücklicherweise schläft es die meiste Zeit.
Doch hin und wieder wacht es auf und beschert mir auch dunkle Tage. Tage an
denen ich deutlich er als sonst in die Tiefen meiner Seele blicke, die Süße der
Melancholie verlockend empfinde, die Lust an der Wut nicht regeln kann, die
Stärke der Selbstachtung einen Bogen um mich macht, die Akzeptanz meines
Körpers nicht fühle und der Spiegel zum Feind wird.
Doch
ich habe gelernt es nicht mehr zu hassen, das Tier. Im Gegenteil. Es ist ein
Teil von mir. Ein sehr wichtiger sogar, denn es erinnert mich daran in der Spur
zu bleiben. Wieder aufmerksam zu werden. Mich anzunehmen in allen Facetten ...
Und je differenzierter ich die Mehrstimmigkeit meiner inneren Stimmen
wahrnehme, desto weniger drückt mich und desto freier erfahre ich mein inneres
Leben.
Wer Gründe zum Leben sucht,
wird sie auch finden. Dieses Jahr hat mir wieder
gezeigt, ich kann es schaffen, wenn ich es möchte und wenn ich mich darum
bemühe. Mich hinsetzen, Däumchen drehen und darauf warten, dass etwas passiert
– funktioniert nicht. Nur wenn ich aufstehe, loslege, hinschaue, dann kommt
auch Leben in mein Leben. Nichts ist vollkommen, aber ich kann mich an mir
festhalten, weil ich mir vertraue. Ich erkenne, jedes Stück Leben ist wichtig.
15
Jahre trocken sein, das ist meine Leistung. 15 Jahre kontinuierliches Wachsen –
mal mehr, mal weniger, mal schneller, mal langsamer. Aber doch immer vorwärts
strebend.
Ja,
ich habe noch viel zu lernen. Das weiß ich. Ich bin auch noch lange nicht
fertig mit mir. Aber ich glaube daran, dass ich als Mensch in dem Maße über
mich hinaus wachse, in dem ich in mich hineinwachse. Das heißt, in dem Maße in
dem ich denke, sage und tue, was mir entspricht, bin ich stark, setze mich
durch, achtete ich mich selbst, gewinne ich Freiheit, kann ich lieben.
Wenn
ich es wage, mir selber treu zu sein, werde ich erfahren, dass mir das Leben
selbst die Treue hält.
Und
das ist etwas, dass ich mir für das nächste Jahr auf meine Motto-Fahne
schreibe: Ich möchte noch mehr ich sein – ohne mich verstellen zu wollen oder
müssen; Ich möchte weniger Dinge tun, die mich schwächen und mich darauf
konzentrieren, was mich stärkt; Ich möchte mich immer wieder fragen können –
ohne Angst - Was sind meine Baustellen? Ich
möchte konsequenter sein in meinen Handlungen. Nicht wie früher oft eine
Hintertür offen lassen, durch die ich dann vielleicht doch noch entwischen
könnte. Ich möchte Gefühle zulassen, auch und gerade dann, wenn mir mein Kopf
mal wieder im Weg ist. Ich möchte das Leben und mich selbst bedingungslos
lieben, denn dann kann ich diese Liebe auch weitergeben …. Durchaus
ambitionierte Vorhaben, doch ich weiß, ich rudere inzwischen nicht mehr nur in
einem morschen Kahn, sondern habe mir im Laufe der Jahre ein solides Lebensboot
erarbeitet. Das wird mich sicher auch durch unruhige Gewässer bringen.
Zwischen
all dem Leben gibt es inzwischen aber immer wieder ruhige Momente. Da fließt
der Fluss langsam und gemächlich und ich kann für einen Moment das Ruder aus
der Hand legen und die Sonnenstrahlen genießen. Und das ist auch gut so. Erfahrungen
sammeln, Abenteuer bestehen, Herausforderungen annehmen … all das ist
bereichernd und wichtig. Aber auf Dauer auch sehr anstrengend und ermüdet mit
der Zeit.
Und
nun, so kurz vor Jahresende, bahnt sich noch einmal eine Veränderung in meinem
Leben an. Doch die ist willkommen und gewollt ... und eine ganz andere
Geschichte …
Ich
bin mir jedenfalls sicher 2014 erwartet mich, mit all seinen Facetten … den
Stromschnellen und Canyons, den dahinplätschernden Gewässern und Anlegestellen,
den Untiefen die ich selbst bewältigen darf und den Abschnitten in denen ich
nicht alleine den wilden Wassern ausgesetzt bin, aber auch den rotglühenden Sonnenuntergängen
und atemberaubenden Aussichten … Und ich freue mich darauf, denn ich weiß
sicher, es ist noch Zeit - und Leben für mich vorhanden. Ich habe Pläne und
Visionen für meine Zukunft. So werde ich weiter mein Leben umarmen und feiern
und auf den Wellen tanzen.
Jetzt
ist meine Zeit!
Als
always
thank
you for your time.
Wiebke
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