Ich stehe nicht mehr zur Verfügung! – ich stutze, als ich
diesen Satz lese. Bin gerade dabei in meinem Lieblingsonlineshop – natürlich
ein Buchladen – zu stöbern, als ich über diesen Titel stolpere.
Ich habe es mir vor langer Zeit schon angewöhnt, nicht
gleich die Buchbeschreibung zu lesen, sondern erst einmal den Titel auf mich
wirken zu lassen. Und dieser wirkt besonders intensiv. Ich stehe nicht mehr zur
Verfügung!
Die Worte zergehen mir auf der Zunge, schmecken ein wenig
nach Rebellion. Im ersten Moment verbinde ich sie damit, dass ich etwas bewusst
ablehne, keine Zeit habe oder auch dass ich nicht da bin. Also körperlich
abwesend. Nicht da zum Beispiel um eine Arbeit zu erledigen, die mir jemand
angetragen hat. Es bedeutet das ich nicht das Tue was jemand anderer gerne
möchte, dass ich es tue.
Doch mein Gedanke geht schnell weiter: Wie ist das, wenn ich
auch mit meinen Gedanken und Gefühlen nicht mehr zur Verfügung stehe?
Nur noch für mich sein,
immer erst ich, nicht mehr der Versuchung erliegen, sich dem „das tut
man“ zu unterwerfen. Nicht mehr den Erwartungen entsprechen, die andere an mich
haben, nicht deren Glaubenssätze übernehmen. Echt sein, ich sein. Den Fokus
erstmal auf das richten, was ich will, was mir gut tut!
Die Wahrnehmung verändern – vom außen zum innen, vom Dir zu
mir, vom Denken zum Fühlen – und zurück!
Doch dann ertappe ich mich wieder dabei, wie ich meine guten
Gefühle für ein Ärgernis opfere, dass gar nicht meines ist ... wie ich in einer
Beziehung gegen meine Überzeugung nachgebe ... wie ich meine Gedanken von
Dingen vereinnahmen lasse, die nicht aus meiner Welt stammen ... wie ich mir
meine gute Laune verderben lasse, weil ich die schlechte von jemand anderem
übernehme.
Da kann ich mich dann nicht wiedererkennen und frage mich:
Was passiert da, wenn ich plötzlich auf eine Art und Weise reagiere, die so gar
nicht in mein eigenes Überzeugungsschema passt. Welche Prozesse laufen da ab,
was veranlasst mich Dinge zu tun, die ich nicht tun will?
Jeder von uns kennt doch diese Fragen, die gestellt werden
und die Antwort schon beinhalten. Meine Ex-Schwiegermutter konnte das gut „Du
bist doch dann zum Essen da?“ - Ein Nein scheint hier fast unmöglich und ich
werde in eine Situation hinein gezogen in der ich fühle und handle, als wäre
ich fremdbestimmt. Wenn ich nachgebe, stehe ich zur Verfügung und das nicht nur
körperlich anwesend, nein auch mit meinen Gefühlen und Gedanken.
Ein anderes Beispiel: „Du findest das doch auch schlimm,
oder?“ Man nickt auch wenn es nicht unbedingt stimmt. Was passiert mit mir,
wenn ich die Gefühle eines anderen fühle, plötzlich als Stellvertreter fungiere
und dabei gar nicht richtig ich selber sein kann.
Andererseits ist es doch auch irgendwie praktisch, wenn da
jemand für mich eine Entscheidung trifft, was in einer Situation zu tun ist.
Wie ich denken kann und fühlen. Wie oft ist das eine Ausflucht vor der Angst
Mut zum Eigenen zu haben. Da muss ich lernen nein zu sagen, nicht zur Verfügung
zu stehen, damit ich nicht die zu leichten Fluchtwege vor mir selber nehme.
Stattdessen leben und Erfahrungen suchen, die aus mir kommen und die Körper
Seele und Geist fordern und anregen. Nur mein Leben hält mich lebendig.
Anstrengungen, Herausforderungen kosten Kraft, sie geben aber auch viel neue.
Für mich bedeutet das, der erste Schritt, mit mir
auszukommen, ist der, dass ich durchschaue, wie ich mir selbst ausweiche. Und
dann sagen: Ich stehe nicht mehr zur Verfügung! Dann bin ich wieder Chef im
eigenen Kopf, im eigenen Herz. Und ich bin es ganz alleine, die die
Verantwortung dafür trägt, was ich beeinflussen kann, was ich tue, wie ich
fühle. Man muss eben manchmal aus sich herausgehen, um wieder zu sich selber zu
kommen.
Am Ende meiner Überlegungen frage ich mich natürlich doch
noch, wofür der Autor wohl nicht mehr zur Verfügung steht ... und stelle fest
es ist im Prinzip genau das was er sagen will. Mit diesen wenigen klaren
Worten: „Ich stehe nicht mehr zur Verfügung – nicht mit meiner Kraft, nicht mit
meinem Verstand und vor allem nicht mit meinem Gefühl“. Ein Satz, der angewandt
ermöglicht, wieder selber Verantwortung zu übernehmen und Macht über das eigene
Leben zu bekommen. Respekt an den Autor! - Schade nur, dass er das Buch vor mir
geschrieben hat... ;-) ©wiebkebeyer
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