Aushalten hat zwei Seiten ...



… aus meinem Archiv, sozusagen als ‚Nachtrag‘ zum gestrigen Post (Danke übrigens für all Eure lieben Kommentare!):

Aushalten hat zwei Seiten. Seite eins.
Viele Menschen sind mit ihrer Lebenssituation unzufrieden, aber sie bleiben trotzdem einfach stehen, darin hängen. Sie sind nicht glücklich. Aber da es sich doch irgendwie aushalten lässt, fangen sie auch nicht an, etwas zu verändern. Sie nehmen die Unbehaglichkeit der Situation zwar wahr, aber erstarren darin oder resignieren.
Doch so ganz ignorieren lässt sich das nicht. Denn trotzdem erscheint da regelmäßig die Stimme des schlechten Gewissens in ihrem Hinterkopf, die sagt, dass es so nicht weiter geht.
Und irgendwann (manchmal auch wenn es zu spät ist) ist dieses Gewissen so laut geworden, dass sie vielleicht endlich anfangen zu handeln, statt nur auszuhalten.
Von außen scheint es dann leicht zu sagen: Das hättest Du auch früher haben können. Aber die Bequemlichkeit hat mal wieder gewonnen! Doch es ist weniger Bequemlichkeit als Angst vor Veränderung, vor etwas Unbekanntem, Neuen.
Vielleicht ist es eine gute Idee erstmal zu überlegen, was ist es, das mich belastet. Wo in meinem Leben stimmt etwas nicht, bin ich unzufrieden und halte nur aus.
Und dann den Schritt zu wagen, es zu verändern. Es geht nicht immer, sofort sein ganzes Leben komplett umzukrempeln, aber man kann auch einfach einen kleinen Schritt tun. Also zumindest anfangen, sich oder etwas zu verändern.
Rilke sagte: »Man kann gar nicht oft genug das Anfangen in sich wecken.« Rrrrrring …


 Aushalten hat zwei Seiten. Seite zwei.
Wenn eine Situation unangenehm bis brenzlig wird, tendieren viele von uns dazu wegzulaufen, zu fliehen. Dies manchmal im ganz wörtlichen Sinn, aber auch im übertragenen, z.B. durch die Flucht in die Sucht.
Ich kenne das von mir, das ist nicht einfach verreisen, sondern davonlaufen. Unterwegs scheint alles ein bisschen leichter. Keiner stellt Ansprüche an mich und ich muss mich um nichts kümmern. Auf „Reisen“ halte ich mir Probleme einfach vom Hals. Ich habe keine Verpflichtungen – aber auch keine Bindungen. Ich bin nichts und niemandem wirklich nah. Das ist die Kehrseite und die kann sehr dunkel sein.
So habe ich auf meiner Lebensreise gelernt: manchmal muss man etwas auch aushalten können. Einen Schmerz, einen Verlust, Verletzungen. Aber auch Langeweile, Unordnung und eine Unannehmlichkeit. Nur wer auch mal aushält gewinnt.
Und ich habe gelernt, wir können nicht immer nur glücklich sein – und müssen es auch nicht. Das wiederhole ich gern: Wir müssen nicht immer glücklich sein. Es ist in Ordnung, auch mal Dinge auszuhalten.
Und dann im Kleinen sehen, wo ist es gut in meinem Alltag, wo brauche ich nur meine Sichtweise ändern. Sich das Leben schön zu machen, statt wegsehen  – aushalten, statt abhauen.

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