Grenzen ...



Ein ums andere Mal reibe ich mir verwundert die Augen. Da steht am Beginn des Strandweges unübersehbar: „Nur für Fußgänger. Fahrradfahrer bitte absteigen.“ Und trotzdem ich kann ich mich bei Spazierengehen vor Radfahrern kaum in Sicherheit bringen.

Und ich staune nicht schlecht, als ich einen älteren, gut gekleideten Mann sehe, der sich durch eine Lücke im Zaum in den Schlosspark drängt. „Ich habe ja eine Karte“, sagt er entschuldigend, als er sich ertappt fühlt. „Aber so geht es etwas schneller.“

Und manchmal ertappe ich mich auch selber und übersehe mal geschwind die rote Fahrradampel. Ich gefährde ja niemanden.

Die Lust zu kleinen Grenzüberschreitungen entspringt häufig keiner Notwendigkeit. Sie ist eher ein Anflug Protest dagegen, dass da Grenzen gesetzt sind, die mir gerade nicht einleuchten.

Am Anfang der Bibel wird von einer ganz zentralen und folgenreichen Grenzüberschreitung berichtet. Adam und Eva haben im Paradies alles, was sie zum Leben brauchen. Nur eine Grenze gibt es, die sie beachten müssen: Von den Früchten eines einzigen Baumes sollen sie nicht essen. Adam und Eva sind nicht angewiesen auf die Früchte dieses Baumes. Sie haben an den anderen Bäumen mehr als genug. Es ist die eine Grenze, die sie stört. Und die sie zum Widerspruch reizt.



Der Reiz der kleinen Grenzüberschreitung – er scheint etwas unausrottbar Menschliches an sich zu haben. Allein, weil die Grenze gesetzt ist, muss ich mich an ihr reiben. Und sie womöglich auch überschreiten.

Für Adam und Eva hat ihr Verhalten am Ende schwerwiegende Konsequenzen. Sie werden aus dem Paradies vertrieben. Zum Menschsein gehört eben dazu, dass ich respektiere, dass mir Grenzen gesetzt sind. Grenzen dessen, was ich kann. Grenzen dessen, was mir gut tut. Grenzen meiner eigenen Möglichkeiten.

Auf der anderen Seite sind nicht alle Grenzen gleich göttlichen Ursprungs – wie bei Adam und Eva. Es gibt auch Grenzen, die ich nicht respektieren will. Und auch nicht respektieren muss. Manchmal wäre es geradezu unsinnig. Oder dumm. Wenn eine Grenze willkürlich ist. Wenn sie jemanden klein machen will. Wenn sie ungerechten Zuständen entspringt. Dann ist mein Mut zum Widerspruch geradezu gefordert.

Aber die kleinen Regeln des Zusammenlebens, die möchte ich respektieren. Und doch auch gelassener bleiben, wenn ich wieder einmal einer Gruppe lustvoller Grenzübertreter begegne.

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