Ein Plädoyer fürs Schreiben ….


“Ich kann kein Buch wie Shakespeare schreiben, aber ich kann mein eigenes schreiben.“ sagte einst Sir Walter Raleigh. Und Recht hat er damit. Nein, nicht jeder kann oder sollte gar ein Shakespeare sein, wie eintönig wäre dann die literarische Welt, aber vom Schreiben abhalten sollte uns der Respekt vor dem großen Dichter auch nicht.

Schreiben heißt Notiz nehmen, sich ein bisschen genauer mit etwas auseinandersetzen. Wenn man etwas in einen Satz formuliert, kann es an negativem Kopfkarussell verlieren und dafür eine positive Macht entwickeln. Dinge werden klarer durch das Aufschreiben, transparent. Der Schreiber an sich,  rekapituliert, was es denn ist, was ihn da so beschäftigt und auch was er erlebt hat.

Ich bin in keinster Weise der Auffassung, dass nun jeder der den Jakobsweg gelaufen ist, ein Buch schreiben soll. Weit entfernt. Zwar halte ich es durchaus mit Tiger Woods, der sagte ‚je mehr ich trainiere, je mehr Glück habe ich’ – sprich: je öfter ich schreibe, je einfacher fließen die Worte. Aber es macht einfach auch nicht jedem solchen Spaß, Worte aus der Luft zu pflücken, sie vielleicht noch zerlegen und sie dann auf ein Papier zu pflanzen. Dennoch möchte ich gerne jeden dazu ermutigen, zumindest ein – wenn vielleicht auch nur in Stichworten geführtes - Tagebuch zu pflegen. Ein Tagebuch schreiben ist fotografieren mit einem Bleistift. Es ist eine Ergänzung zu dem, was wir heute so schnell und einfach mit der Digitalkamera festhalten. Einfach draufdrücken, was nichts wird, kann man später immer noch löschen. Aber sind nicht oft genau die unscharfen Fotos die, die einen an etwas Besonderes erinnern? Stichworte ähneln diesen ‚Schnappschüssen’.

meine Pilgerunterkunft in Domrémy-la-Pucelle

Für mich persönlich ist Schreiben ein Hobby, das aus einer Not geboren wurde – ich habe ein äußerst schlechtes Langzeitgedächtnis. Es ist in etwa so brauchbar wie mein erster Amiga Heimcomputer mit einer 20 MB Festplatte ... Es gibt Zeiten in meinem Leben da ist nur ein großes schwarzes Loch! Doch wenn ich mal wieder damit hadere, dann greife ich zu meinen alten Aufschrieben .. mit fürchterlicher Wortwahl und kaum zu glauben, dass ein Mensch überhaupt die Qualen einer solchen Teenagerzeit übersteht – denn wie Viele musste ich erst lernen auch Gutes aufzuschreiben ... doch ich schweife ab. Also ich schreibe schon viele Jahre und für mich war es daher selbstverständlich, dies auch auf meiner Pilgerreise zu tun. Und es später Familie und Freunden – vielleicht sogar Fremden - in einer irgendeiner Form zur Verfügung zu stellen war nicht abwegig.

„Fängt man erst mal an, ist das Schreiben und Dichten ganz leicht, weil das Hirn oft beim Schreiben erst das Herz erreicht.“ So ist denn meine weitere Empfehlung, nach der Reise das Heftlein mit all den Notizen, die man sich unterwegs machte, nicht einfach auf den Stapel mit all den anderen Erinnerungsstücken zu legen. Okay, der eine oder andere blättert vielleicht sogar nochmal darin. Ah, hier war dies .. und ja, da war das ... kurze Eindrücke aus dem Zusammenhang genommen. Das ist als wenn man hungrig vor einem gefüllten Teller sitzt und nur zwei Gabeln voll davon isst. Als lese man in einem spannenden Buch nur 2 Seiten. Darum nun finde ich, ein Schritt weiter gehen ist das Geheimnis. Will sagen, man sollte das Ganze noch mal abzuschreiben! Ja, sich das Vergnügen bereiten, den Weg noch einmal zu gehen. Denn genau so ist es mir ergangen, während ich an meinem Buch ("Manchmal muss man einfach weiterlaufen" - www.wiebkebeyer.jimdo.de) gearbeitet habe. Womit ich nicht sagen will, jeder soll einen Buch schreiben – das war „nur“ meine ganz persönliche Herausforderung ...

Es gibt Menschen, denen fällt es leichter, wenn sie sich beim Schreiben einen Gegenüber vorstellen. Gut, ein Dialog über eine Pilgerreise - spannend. Anderen wäre es ein Graus, wenn sie sich vorstellen das irgendjemand anderes liest was sie verfassen. Auch gut. Gleichwohl – nur so als Anmerkung – oftmals ist es so, dass sie mehr für andere schreiben, wenn sie mehr für sich schreiben. Doch ich verstehe, dass manch einer eher die Öffentlichkeit scheut. Worte zu schreiben heißt die Seele zu zeigen. Und nicht jeder möchte, dass andere dieses Stück Seele sehen. Darum geht es auch gar nicht.


Und es ist auch egal, ob man nun den guten alte Geha-Füller herausholt und alles in ein handgebundenes Tagebuch mit Goldrand schreibt oder ganz profan in den Laptop hämmert; es kommt nicht darauf an welche Form man wählt ob nun reimend oder leidend – wichtig ist, überhaupt zu schreiben. So kann man nämlich das, was man erlebt hat vertiefen, erweitern, erfühlen. Sich die Erinnerungen konservieren. Wie viel mir alleine eingefallen ist, was zwischen den Zeilen stand – nicht mit Geld zu bezahlen.

Noch eines zur Wirkung des Schreibens: für mich hat es meine persönliche Reise erst wirklich „rund“ gemacht, dass ich sie sozusagen noch mal gegangen bin. Dann erst konnte ich manche meiner Pakete endgültig ablegen, Dämonen besiegen, Fragen beantworten, ....

Ich wünsche jedem den Mut, zu schreiben – und sei es nur im stillen Kämmerlein.

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