Kurzurlaub ...

Als ich aufwachte lag ich noch eine Weile im Bett und sinnierte über die Wohnung nach. Ich würde ja gerne sofort anfangen dort etwas zu werkeln und überlegte, was ich bräuchte um loszulegen. Ich gebe zu, es passte mir in meiner Ungeduld nicht so ganz, dass ich die nächste Woche nach Karlsruhe fahren wollte, aber ich dachte andererseits ist es ganz gut. Nicht nur soll das Wetter schön werden und ich habe es versprochen, aber hauptsächlich weil ich mir sagte, dass ich gut ein paar Tage 'Urlaub' brauchen kann. Die letzten Wochen waren doch eher geprägt von hektischer Betriebsamkeit. Und wenn ich weg bin, bin ich weg ...


Doch erstmal hatten wir noch einen ruhigen Sonntag. Mami ging morgens in die Kirche und ich habe am Laptop gesessen und Bewerbungen geschrieben.
Ich dachte ernsthaft darüber nach später noch mal in die Wohnung zu gehen und irgendwas zu tun, entschied mich dann aber dagegen. Bin lieber mit meinen Eltern eine Runde in der Gegend rumgefahren, anschließend essen gegangen und dann mit Mami und Clyde spazieren. Ruhiger netter Tag.

Den brauchte ich dann auch, denn am Montagvormittag stand mein erstes Vorstellungsgespräch an. Dies zwar 'nur' bei einer Arbeitsvermittlung, aber zum Training bestens geeignet. Da die Firma in der Stuttgarter Innenstadt liegt, bin ich mit der S-Bahn gefahren. Die ist hier fast vor der Tür und so müsste ich nicht erst großartig einen Parkplatz suchen. Ich mag Stuttgart. Trotzdem die Stadt natürlich auch wächst und moderner wird, so gibt es doch immer noch viele ältere Gebäude und die Königstraße hat - so finde ich zumindest - einen ganz besonderen Flair. So eine Mischung aus kleinbürgerlich schwäbisch und internationaler Großstadt ...
Wieder zurück in Leinfelden packte ich meine Tasche und den Laptop - und vergaß auch nicht genug Futter und ein Stofftier und ein extra Handtuch für Clyde. Dieser wurde dann auf den Rücksitz verfrachtet und nachdem der KIA noch seinen Durst gelöscht hatte fuhr ich los auf die A8 in Richtung Karlruhe ... und kam dort ohne Stau an. Daddy hatte mir ein schönes Bild gemalt, wie ich von der Ausfahrt zum Haus meines Bruders finde. Prinzipiell wäre das auch recht einfach gewesen, aber gerade in dem Moment als ich von der Autobahn abbog, klingelt mein Handy. Eine Dame von einer Personalvermittlung rief an und wollte mich zu einem Gespräch einladen. Ich sagte ihr, dass ich gerade im Auto sitze und ob wir später noch mal telefonieren könnten. Kein Problem ... ich hatte aber jetzt eines, denn ich war während der halben Minute telefonieren falsch abgebogen. Mist. Technisch war ich schon immer ein bisschen unterentwickelt und er Zeit hinterher, also kein Navi, kein Handy mit GPS oder ähnliches. Konnte mich nur auf meinen Orientierungssinn verlassen - und der verließ mich nicht, zum Glück. Instinktiv war ich gleich dreimal richtig abgebogen und fuhr kurze Zeit später wieder auf die Autobahn, eine Ausfahrt bevor ich raus musste. Diesmal blieb das Handy still und kurze Zeit später kam ich an.

Luise nahm Clyde sofort in Beschlag, der allerdings war noch etwas skeptisch oder besser gesagt schüchtern. Manchmal denke ich das ist nur ein Trick von ihm, weil dann finden ihn alle noch süßer und haben Mitleid ... beim Spaziergang durch den nahegelegenen kleinen Park etwas später ließ er sich aber widerstandslos von Luise an der Leine führen.

Also ich laufe gerne über Felder und durch den Wald, bin in der Natur. Fast überall hat man die Möglichkeit spazieren zu gehen, ist sozusagen gleich draussen. Aber ich gebe auch zu, dass ich die doch eher 'engen' Städte in Deutschland auch mag. Für mich haben die aneinander gereihten Häuser etwas Beschützendes ...



Obwohl ich ein herrlich großes und sehr bequemes Bett im Gästezimmer hatte, schlief ich in dieser ersten Nacht nicht so gut. Ich träumte irgendwelche wirren Dinge, konnte mich aber beim Aufwachen nicht mehr erinnern. Etwas gerädert stand ich gegen 6 auf, schlich mich leise ins Bad (das ich im 2. Stock des Hauses nur mit Luise zu teilen brauchte - die, nach Angaben ihrer Mutter, dieses nur selten und wenn unbedingt nötig benutzte ... nun, sie ist erst 8, in ein paar Jahren wird sich das sicher ändern), ging hinunter in die Küche und machte mir einen Kaffee. Dann Clyde füttern und dann mit ihm nach draußen. Mein kleiner Feigling hatte aber Angst im Dunkeln und so war der Spaziergang kurz.

Inzwischen waren Jens, Sanni und Luise auch aufgestanden und nach einem gemeinsamen Frühstück gingen die drei ihrem Alltag nach (Arbeit / Schule). Ich genoss es, das Haus dann für mich zu haben; duschte ausgiebig, saß eine Weile am Laptop und habe lange mit meiner Freundin Lina telefoniert. Richtig schön und erholsam.
Ich hatte Luise versprochen, sie von der Schule abzuholen. Wobei ich als Person total unwichtig war, im Gegensatz zu Clyde. Den wollte sie ihren Freundinnen vorführen und natürlich fanden die Mädchen in alle total niedlich. Auf dem Nachhauseweg durfte jeden ihn dann auch mal an der Leine führen (Luise teilte es genau ein, nach dem Motto: jetzt darfst Du ihn mal kurz halten .. und jetzt Du, aber Du musst die Leine wegen der Straße kurz lassen ... und jetzt Du ...). Interessant war, das Clyde das Gezerre ganz gelassen hinnahm und sich von den Mädels auch das 'herumkommandieren' gefallen ließ.
Bis Sanni von der Arbeit kam, haben Luise und ich auf dem Sofa gesessen, sie hat mir stolz ihren neuen Laptop vorgeführt und mit Clyde gespielt. Später, als Sanni am Kochen war und Luise mit Ihren Freundinnen auf dem Spielplatz, bin ich nochmal alleine mit dem Hund los. Doch kaum war ich eine viertel Stunde unterwegs rief meine Schwägerin mich an, sie hätte ein paar aufgeregte Mädchen im Wohnzimmer stehen, die den Hund sehen wollten ... Ich sagte ihr wo ich gerade war und die vier kamen mir dann entgegen und wir wiederholten das Spiel vom Mittag.

Zum Abendessen gab es leckeres Hühnerfrikassee und gegen später sind Sanni und Jens zu einem Elternabend - froh einen 'Babysitter' zu haben und zusammen gehen zu können. Luise bleibt zwar inzwischen auch mal alleine zuhause, aber eher ungern. Wir haben ein bisschen ferngesehen bis sie ins Bett musste. Dorthin ging ich dann auch bald, nachdem ich mit Clyde auf der Terrasse war, damit er nochmal sein Beinchen heben konnte.

Diese Nacht schlief ich sehr gut und wachte ausgeruht auf. Den Morgen verbrachte ich wie am gestrigen Tag. Eigentlich hätte ich ein paar Bewerbungen schreiben sollen, aber ich war zu faul. Nahm mir aber vor, mich ab der nächsten Woche intensiver darum zu kümmern. So surfte ich nur ein bisschen im Internet auf der Suche nach Möbeln für die neue Wohnung. Typischer Weise war das was mir gefiel auch das Teuerste ....
Der Rest des Tages verlief ruhig. Wieder holte ich Luise von der Schule ab und machte anschließend mit ihr Hausaufgaben. Das heißt, beim Aufsatz konnte ich helfen, bei den Matheaufgaben hing sie mich ab. War eben noch nie mein Lieblingsfach ...

Ein Kurzurlaub hat vor allem eine Eigenschaft - er ist kurz. Und so hieß es am nächsten Morgen schon Abschied nehmen. Luise war natürlich supertraurig, dass ich sie heute nicht von der Schule abholen würde, aber ich versprach aber bald mal wieder zu kommen.
Doch für den Moment wurde ich einfach zu ungeduldig. Ich wollte anfangen die Wohnung zu renovieren und bezugsfertig zu machen. Ich freute mich nämlich auf meine eigenen vier Wände.
Durch etwas stockenden Verkehr um Karlsruhe herum, dann aber in freier Fahrt nach Leinfelden zurück. Dort stürzte ich mich gleich in Geschäftigkeit. Das heißt so ganz stimmt das nicht, denn als aller erstes stand ein Friseurbesuch auf dem Programm. Ich brauchte unbedingt ein professionelles Bewerbungsfoto. Zwar hatten Sanni und ich gestern versucht eines zu machen, aber das gelang nur mäßig. Und vor dem Foto stand ein Haarschnitt.
Nachmittags bin ich dann zu Obi und habe den Laden geplündert. Okay nicht ganz, aber ich ließ doch einige Euros dort.


Und auch am Freitagmorgen konnte ich noch nicht gleich handwerklich loslegen, denn erstmal hieß es Pflichterfüllung und nix mehr mit Urlaub. Ein Gang zum Arbeitsamt stand an. Hier hat man mich erstmal registriert, aber einen Beratungstermin bekam ich erst in vier Wochen. Nun so lange stehe ich nicht in deren Statistik vermute ich. Ich glaube eh nicht, das ich Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung habe, weil ich ja doch 6 Jahre aus dem System bin. Viel wichtiger wäre mir aber, dass ich - wenn ich erstmal arbeitslos gemeldet bin - wieder krankenversichert wäre. Ah well, ich werde einfach nicht krank - war ich in den letzten Jahren auch nicht.
Nachmittags hatte ich dann einen Termin beim Fotografen. Zum Glück war dieser sehr nett und hilfsbereit, denn ich fand es etwas anstrengend. Ist ja auch schon gute 15 Jahre her, dass ich ein Bewerbungsfoto brauchte. Der Fotograf war ziemlich erstaunt, als ich ihm erzählte, dass man in den USA kein solches benötigt. Bewerbungen werden so 'anonym' wie möglich gehalten. Also kein Geburtsdatum, kein Geschlecht, Foto oder andere persönliche Angaben. Was damit zu tun hat, dass so keiner einer Firma den Vorwurf der Diskriminierung machen könnte (nach dem Motto: ihr habt mich nicht zum Interview eingeladen, weil ich eine Frau bin oder so). 


Beim Einschlafen an diesem Abend, malte ich im Geiste schon fleissig Wände an ....

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