Wer lebt, ist Grenzgänger/in.
Als
ich an diesem Morgen aufwachte kommt mir noch ein Gedanke zu meinen
gestrigen Überlegungen warum es mir vorkommt als wäre ich schon
viel länger hier ... Zum Einen beschäftigte ich mich schon seit
Monaten mit meiner Rückkehr und habe durch die online Wohnungs- und
Jobsuche schon lange innerlich Abschied von Livingston genommen.
Und
- was vielleicht noch wichtiger ist - es fühlt sich richtig an. Noch
keinen Moment habe ich bereut den Schritt getan zu haben und weiss
einfach, dass Alles gut wird!
Der
morgendliche Spaziergang mit Clyde dagegen warf wieder einmal den
Gedanken auf, dass das mit dem Hund wohl doch alles etwas
komplizierter wird. Oder mache ich mir den Stress selbst? Ich nahm
mir vor später ein wenig im Internet surfen um eventuelle
Möglichkeiten der Betreuung zu recherchieren. Ich will nicht den
Mut verlieren!
Später
am Tag, ich saß an meinem Schleppi und habe Bewerbungen geschrieben,
saß Dad auch an seinem Computer und scrollte durch irgendwelche
alten Fotos, die er eingescannt hatte. Diese waren so um die 40 Jahre
alt und ich fand es spannend sie anzuschauen. Wir als Kinder, der VW
Bus ... als wir auf dem Weg nach Marseille waren um mit einem Schiff
nach Dakar in den Senegal zu schippern. Ich sagte ihm, dass ich die
unbedingt haben möchte! Faszinieren - gerade auch weil mein
Gedächtnis immer noch nur wenig Zeit abspeichert.
An
diesem Samstag stand mal wieder eine Wohnungsbesichtigung an, diesmal
in Nellingen. Dad, Clyde und ich zogen los, Mami blieb zuhause. Wir
waren wie immer zeitig, aber letztlich nutzte es nichts, denn wir
konnten das Haus nicht finden. Wir fuhren die Straße auf und ab und
um den Block. Nichts. Wie kann das sein? Langsam zweifelten wir an
unserem Verstand - oder war das Alles eine Täuschung? Ich hatte
schon von Betrügern auf dem Immobilienmarkt gelesen, aber ich hatte
niemandem irgendwelches Geld überwiesen?
Wir
wollten schon fast aufgeben, da sah ich eine Briefträgerin. Die frag
ich jetzt mal, denn die wird es wohl wissen. Gesagt, getan - mit dem
Ergebnis, die Hausnummer 9 gibt es hier tatsächlich nicht. Hm. Just
in dem Moment sahen wir vor der 12 einen Smart stehen, der das Logo
eines Immobilienbüros auf der Seite hatte. Das konnte kein Zufall
sein. Und als ich auf das Haus zuging kam auch schon ein zweiter
Interessent und dann auch der Makler. Dieser hatte sich schon
gewundert, das alle unpünktlich waren, bis wir ihm das mit der
Hausnummer sagten. Die hatte tatsächlich falsch in der Anzeige
gestanden. Ts ts ... Wenigstens kam ich so doch noch dazu die Wohnung
anzuschauen. Hübsch, aber sehr klein. Und - großer Nachteil, viel
Schräge da unterm Dach, d.h. kein Platz für Bücherregale. Dennoch,
will ich mir alle Optionen offen lassen und füllte den
Selbstauskunftsfragebogen aus.
Wieder
in Leinfelden schaute ich mir noch mal das Exposé der
3-Zimmer-Wohnung in der Silcherstrasse an. Die ist zwar definitiv
nicht so modern, aber ich hätte mehr Platz für weniger Miete ....
Ich
bin eine richtige Kaffeetante und liebe das schwarze Gebräu in fast
jeder Form - am liebsten stark und schwarz. So machte ich mir selbst
ein vorzeitiges Geschenk zum Einzug in die noch nicht vorhandene
Wohnung: eine Nespresso-Kaffeemaschine. So eine wollte ich schon
immer haben. Okay, ich könnte mit meinem Geld sparsamer umgehen,
weil ich ja noch keine neue Einnahmequelle habe. Aber ich denke mir,
was soll's, ich lebe schließlich nur einmal! Und ich gebe zu, ich
geniesse diese Freiheit. Als ich mir dann am Morgen, nachdem das
Paket gekommen war, einen wunderbar frisch aufgebrühten Kaffee
machte, bereute ich die Ausgabe nicht. Lecker - diese war jeden Cent
wert. Jetzt stehe ich noch lieber auf ...
Es
schneite mal wieder leicht - okay ist ja auch erst Ende Februar - und
die Buchenwaldstraße ist schneebedeckt. Ich hoffte das würde später
besser, wenn ich fahren musste. Ich hatte mich an diesem
Sonntagvormittag mit meine lieben Freundin Heike in unserem
'Stammcafé' zum Brunchen verabredet. Das Wetter hat ein Einsehen, es
wird etwas milder und die Strassen schneefrei. Und es ist mal wieder
richtig schön. Immer wieder staune ich, wie gut unsere Freundschaft
gehalten hat, trotzdem ich nun doch einige Jahre nur sehr selten in
Deutschland war. Aber ich merke auch, ich bin nicht hundert Prozent
bei der Sache. Scheine wohl doch noch nicht so richtig hier zu sein.
Irgendwie ist auch schon so viel passiert in der kurzen Zeit und ich
habe das Gefühl ich überhole mich selbst ...
Der
Eindruck verstärkt sich noch, als ich am nächsten Abend einen Anruf
von einem Herrn Sauter bekomme. Das ist der Besitzer des Hauses in
der Silcherstraße und er wollte mir mitteilen, dass ich die Wohnung
bekomme. Wow und Juhuu gleichzeitig. Ich kann es gar nicht fassen.
Vor allem kann ich sie schon ab dem 1. März anmieten. So kann ich
mich gleich am Rathaus anmelden und dann ein paar andere Dinge in die
Wege leiten ... Wir verabreden uns für Donnerstag um den Mietvertrag
zu unterschreiben.
Nachdem
ich mich ein wenig von dem 'Schreck' erholt habe, rufe ich in
Karlsruhe an. Eigentlich wollte ich diese Woche der Familie meines
Bruders einen Besuch abstatten, aber das muss ich nun verschieben.
Sonst wird Alles zu hektisch ...
Die
Entscheidung, nicht nach Karlsruhe zu fahren, war klug, denn am
Dienstag schneite es den ganzen Tag ununterbrochen. Mit meinen
Sommerreifen wäre ich da nicht weit gekommen.Dennoch wagten Mami und ich uns später in das Schneegestöber und liefen zu Fuß zum Marktkauf ein paar Kleinigkeiten einkaufen. Clyde blieb bei meinem Dad. Das klappt inzwischen schon ziemlich gut. Ist auch echt süß, wie sich meine Eltern an den Lütten gewöhnt haben.
Und
um genau dies Training weiterzuführen beschliesse ich am nächsten
Tag alleine aus dem Haus zu gehen. Ich habe in ein paar Tagen ein
Vorstellungsgespräch und will mir dafür noch was Hübsches zum
Anziehen kaufen. Bin dann auch fündig geworden: Schuhe mit hohem
Absatz, habe ich seit Jahren nicht getragen. Nachdem ich noch ein
paar weitere Geschäfte abgeklappert und ziemlich viele Klamotten
anprobiert hatte, komme ich mit vollen Tüten nach Hause. Es hat mir
richtig gut getan, nach Herzenslust zu shoppen. Ohne auf jeden Cent
zu achten und ohne mich später rechtfertigen zu müssen.
Donnerstagabend ziehe ich dann los um pünktlich in der Silcherstraße zu sein. Meine Mutter ist mitgelaufen, sie wollte zu einem Vortragsabend über ihre Manosque-Reise. Als ich ankam, waren die Sauters noch nicht da, aber die Tür angelehnt. Bin einmal kurz hoch, da ich dachte, die sind vielleicht schon in der Wohnung, war aber nicht so. Kurz später kamen sie dann gleich geballt (sie hatten einen Hänger und ihre Söhne mitgebracht, da sie noch alte Elektrogeräte im Haus abgeholt haben). Supernette Leute, die mir gleich sympathisch waren. Ein bisschen Smalltalk, Mietvertrag unterschreiben und noch ein paar Erklärungen zur Heizung etc. und dann war es schon passiert. Ich habe eine Wohnung - und bin noch nicht mal 2 Wochen wieder in Deutschland. Ein gutes Gefühl.
An
diesem Abend bewahrheitete sich auch der Spruch: wenn es erstmal
anläuft, kommt alles auf einmal. Denn gerade als ich mitten im
Gespräch mit den Sauters war, rief ein anderer Makler an und wollte
mir eine Wohnung in Bonlanden anbieten. Ich sagte ich rufe zurück,
konnte ihn dann aber nicht mehr erreichen.
Heute
sind es 14 Tage. Ich habe so langsam eine schöne morgendliche
Routine. Aufstehen, Kaffee trinken und Clyde füttern, kurzer
Spaziergang und dann an Laptop.
Später,
nach dem Frühstück habe ich für meine Mutter 'Mousse au Chocolat'
gemacht, dass sie für Abends mitnehmen wollte (Weltfrauengebetstag).
Anschließend bin ich ins Städtle. Erstmal aufs Amt, mich und Clyde
ganz offiziell in Leinfelden anmelden. Ein gutes Gefühl - und ich
bin auch ein bisschen stolz auf das schon Erreichte. Dann zum
Briefkasten für Daddy einen Brief einwerfen, dann zu meiner neuen
Wohnung. Habe mich nochmal im Hellen umgesehen - und hell ist die
Wohnung, jedes Zimmer hat Fenster und sie ist Südseite - und finde
sie immer noch schön. Etwas verwinkelt und sehr individuell, nicht
08/15 - na, das passt dann ja zu mir. Allerdings stellte ich fest,
dass ich definitiv alles streichen muss. Aber das ist auch ok, ich
habe ja Zeit.
Vormittags
rief mich der Makler noch mal an (1-Zi-Wohnung in Bonlanden). Er
konnte gar nicht aufhören, mich für meine tolle "Bewerbungs-Mail"
zu loben und im Prinzip sagte er, ich kriege die Wohnung und
Besichtigung usw. wäre nur eine Formalität. Ich fühlte mich sehr
geehrt. Aber auch hier wäre es weniger Zimmer und Quadratmeter für
mehr Miete gewesen und ich sagte dankend ab.
Gegen
drei sind Mami, Clyde und ich dann losgelaufen, spazieren gehen. Und
wieder einmal staunte ich darüber, wie viele Menschen hier spazieren
gehen. Zu jeder Zeit, bei jedem Wetter. Und es sind nicht nur die
Hundebesitzer und Rentner ... Inzwischen hat sich Clyde auch daran
gewöhnt, das und hin und wieder Leute entgegenkommen. Er kannte das
ja aus Livingston nicht und am Anfang hat ihn das sehr irritiert. Er
hat jeden angebellt. Jetzt tut er das nur noch wenn er andere Hunde
sieht (wobei er sich, wenn sie dann näher kommen, schnell hinter
meinen Beinen versteckt).
Am
vereinbarten Parkplatz traffen wir meinen Dad und wir sind dann noch
eine Runde gefahren. Mein Vater raucht Pfeife, aber tut dies nicht im
Haus - nur im Auto; und da dies - Pfeife rauchen - immer etwas länger
dauert, macht er eben einen Ausflug. Diesmal auf die Alb. Es war
ziemlich neblig, aber es lag auch noch richtig viel Schnee. Schön
anzuschauen.
Später,
gerade als ich wir mit dem Abendessen fertig war, klingelt mein Handy
und Frau Sauter fragte ob sie kurz vorbei kommen könne. Sie brauchte
noch eine Unterschrift und wäre gerade in Leinfelden. Ich dachte,
auch gut so lernt sie gleich Clyde kennen. Denn das war erst noch ein
Knackpunkt für das Vermieten der Wohnung. Aber ich hatte den Sauters
versichert, er ist klein und pflegeleicht ... und er schaffte es auch
hier wieder mit seinem 'Hundeblick' davon zu überzeugen.
...
Fortsetzung folgt ....
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