...
oder die beste Stunde des Tages.
Ich
bin – wie immer – als erste aufgewacht. Es ist 6 Uhr früh am Sonntagmorgen.
Solange ich mich erinnern kann, bin ich ein Frühaufsteher. Bin es gewohnt, dass
alle anderen noch schlafen, wurde so zum Leisetreter. Ich ziehe mir einen
Pullover über und vorsichtig - wie ein indianischer Späher - schleiche ich aus
dem Schlafzimmer ins Bad und dann in die Küche. Ein Lächeln und ein tiefes
Gefühl des ‚bei mir sein‘. Ich gönne mir ‚meine Stunde‘…
Im
Vorbeigehen streichle ich meinem Hund über den Kopf. Er schaut mich an, wedelt mit der Rute und
ich versichere ihm dass er später ganz sicher seinen Spaziergang bekommt. Er
scheint zu verstehen und schließt beruhigt wieder die Augen.
Dann
der erste Kaffee. Der aromatische Duft alleine belebt meine Sinne. Der erste
Schluck kribbelt ein bisschen heiß auf der Zunge, der leicht bittere Geschmack klingt
positiv nach. Dieser erste Kaffee gehört mir alleine. Ich kann ihn genießen,
ohne die Hektik des schnell trinken und nebenher noch dies und jenes erledigen,
da der Tag (noch) nicht auf mich wartet. Das Büro ist geschlossen, keine
Besuche angekündigt und kein Plan der mir vorschreiben mag, was zu tun sei.
Sonntagmorgen.
Warum ich diese Zeit so liebe? Weil, noch möchte keiner etwas von mir, im
Alltag der Geschäftigkeit. Keine Ansprüche werden gestellt, keine Pflichten
rufen. Eine Zeit am Rand der Dinge. Zeit in Reinform ist das, die ich dem Tag
stibitze, während alle anderen noch schlafen.
Und
dann die Stille. Noch keiner redet auf mich ein, überflutet mich mit
Informationen. Seien sie nun wertvoll – oder eben auch nicht. Keine Menschen
draußen, kein Lärm von hin und her geschobenen Mülltonnen, keine Türen klappern.
Keine Autos auf der Straße, die dieser heilsamen Stille etwas anhaben können.
In der lärmenden Welt, in der ich lebe, eine Lücke im Gefüge, wie ein
Versprechen. Eine Oase der Ruhe. Ich mag es, wenn um mich keine Geräusche sind
– außer das beruhigende Klappern der Tasten auf meinem Laptop, wenn ich ein
paar Gedanken aufschreiben.
Bald
schon holt mich der Tag sicher ein. Doch für eine kleine Weile möchte ich sie
noch genießen, diese beste Zeit. Diese Stunde, wenn der Tag erwacht. Der Morgen
wie eine kleine Welturaufführung … Es hat etwas von neu geboren werden. Immer
wieder. Der Tag liegt vor mir und es scheint mir stehen noch alle Möglichkeiten
offen. Es ist an mir wie ich ihn fülle, mit positiver oder negativer Energie;
an mir was ich daraus mache, meine Entscheidung ‚ja’ dazu zu sagen. Ein Hauch
von grenzenloser Freiheit erfasst mich. Irgendwie wünschte ich der Morgen würde
den ganzen Tag anhalten. Obwohl, wäre sie dann noch besonders, diese Stunde
bevor mich der Tag einfängt in Stunden des Beschäftigseins? Hier und jetzt darf
ich einfach sein. Keine Verpflichtung kein Muss ... sie gehört mir allein,
diese beste Stunde. Ein Versprechen, dem ich schwer wiederstehen kann.
Alles
scheint weit weg, wenn ich hier sitze und jede Faser meines Ichs spüre, das
Nichts-tun lebe als sei es das einzig wichtige auf der Welt. Und wieder einmal
bin ich dankbar für den Sonntagmorgen.
Dann
höre ich wie um mich herum langsam das Leben erwacht. Ich höre wie mein Freund
aufsteht und ins Bad geht und der Hund möchte nun wirklich raus. Ich seufze ein
wenig. Der Tag beginnt, aber das Beste habe ich schon gehabt … (© wiebkebeyer)
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