Von offiziellen Zeremonien und ganz inoffiziellem Pastis, Teil I


»Die Sprache ist ein unvollkommenes Werkzeug. Die Ereignisse des Lebens sprengen alle Formulierungen.« (Antoine de Saint-Exupéry, frz. Flieger u. Schriftsteller, geboren in Lyon)

Vorwort: Vor etwas mehr als einer Woche schlurfte jemand mit einer Erkältung an mir vorbei. Der 'Täter' ist weg, die Erkältung geblieben. Diese beeinträchtigt nun nicht nur meine Atemwege, sondern hat irgendwie auch meine Wörter-Denkzellen lahm gelegt. Da der nachfolgende Bericht aber irgendwann schlicht absolut unaktuell würde, habe ich versucht aus den noch nicht angegriffenen Ecken meines Gehirns ein paar Buchstaben zusammen zu setzten und mal losgeschrieben. Als verkappte Perfektionistin bin ich selten mit dem zufrieden, was ich so zu Papier (okay auf den Bildschirm) bringe - so auch dieses Mal. Aber ich kann es wenigstens auf die Bazillen schieben, die meinen in meinem Körper eine Party feiern zu müssen (vielleicht mit Pastis, von dem ich allerdings gar nichts habe). Was ich sagen will, ich bitte einfach den geneigten Leser, meine etwas unrunde Darstellung des Kurztrips nach Frankreich zu verzeihen ... Wer es dennoch wagt, viel Spaß ;-)

Vorbemerkung: Der Einfachheit halber bezeichne ich hier die mit mir Reisenden als ‚Jungs‘ – auch wenn die Meisten eher zur reiferen Jugend gehören. Doch die Formulierung ist umständlich und irgendwie – so unter Einbeziehung sämtlicher Faktoren - trifft es ‚Jungs‘ doch einfach besser.
Also los … 

Es begab sich aber zu der Zeit … nein, nein, nein, so kann ich diesem Blogbeitrag wirklich nicht anfangen, gleichwohl Weihnachten ja noch nicht lange her ist. Aber mit den Heiligen Drei Königen war ich sicher nicht unterwegs ...
Wer meinen Blog verfolgt, weiß, dass ich hin und wieder mit der Freiwilligen Feuerwehr Laupheim unterwegs bin. Und nachdem ich an der 150-Jahr Feier wohl einen ganz guten Job bei der Betreuung der französischen Delegation gemacht habe, fragte mich Andreas (okay, es war eine nachdrückliche Bitte), ob ich nicht die Feuerwehr-Männer beim Gegenbesuch in Feyzin begleiten möchte – als Dolmetscherin. Auch wenn mir das ein paar etwas unruhige Nächte einbrachte (von wegen ob mein Französisch wohl ausreicht), ließ ich mich nur allzu gerne überreden. Ganz uneigennützig natürlich, ich als alter Frankreichfan. Die Aussicht die netten Menschen aus Feyzin wieder zu treffen und ein paar Tage in Frankreich waren zu verlockend. Ich sag nur ‚frische Croissants‘. Davon gab es dann nicht so viele aber eine Menge anderer spannender, lustiger und interessanter Erlebnisse … Und wir sind sicher alle mal wieder um ein paar Erfahrung reicher. So kann ein neues Jahr doch anfangen …

Doch beginnen wir am Anfang. Am Anfang stand einen Städtepartnerschaft…. Nee, so weit vorne müssen wir nicht anfangen. Also, wie erwähnt, angefangen hat unser kleines Abenteuer eine Weile bevor wir losgefahren sind. Als nämlich die FFW Laupheim ihre 150-Jahr-Feier hatte. Hier war eine Delegation aus der Partnerstadt Feyzin zu Gast (mein Blogbeitrag hierzu ist HIER zu finden). Die Franzosen hatten bei ihrem Besuch eine Einladung für einen Gegenbesucht ausgesprochen. Im Januar soll eine Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Brandkatastrophe in der Raffinerie von Feyzin stattfinden. Hierbei waren unter anderem 11 Feuerwehrleute ums Leben gekommen … Der Kommandant der FFW Laupheim, Andreas, zögerte nicht lange und fing gleich mal an zu organisieren. Erstmal galt es zu klären, wer geht mit? Spontan meldeten sich ziemlich viele, die gerne mit nach Frankreich wollten. Aber wie das dann immer so ist, im ersten Eifer sind alle dabei, aber letztlich springen sie dann doch wieder ab, wenn es gilt Nägel mit Köpfen zu machen. Zunächst wollten sogar der Bürgermeister von Laupheim und ein Vertreter der lokalen Zeitung mitkommen. Aber die mussten aus Termingründen dann doch absagen. Letztlich blieben der Kommandant nebst 14 Floriansjüngern … und eben ich.
Ich wurde gleich am Anfang mehr oder weniger eingeteilt. Gleichwohl ich durchaus Bedenken hatte. Zum einen bin ich kein Mitglied der FFW und zum anderen wohne ich nicht mal in Laupheim. Ich wollte wirklich niemandem den Platz wegnehmen. Doch Andreas bestand darauf, dass ich gebraucht werde. Na dann, überredet … Die Folgen hätte ich wissen müssen. Oder nicht? Nein, nicht im Ansatz hatte ich eine Ahnung, als ich mich darauf eingelassen habe. Aber ganz ehrlich, ich möchte es um nichts verpasst haben … 

Dienstag. 29.12.15. 15.00 Uhr Gerätehaus (Feuerwache Laupheim), ein Treffen zur Vorbesprechung ist anberaumt. Es geht um ein paar letzte organisatorische Details. Die meisten treffen pünktlich in der Floriansstube ein. Andreas, zählt nochmal durch. Es werden tatsächlich insgesamt fünfzehn Feuerwehrmänner und ich nach Feyzin fahren. Eine doch recht große Delegation. 

Wir sprechen über die Geschenke, die wir mitnehmen, unter anderem eine gravierte Metall-Platte (über 1 x 1 m, darauf ist der Feuerwehrhahn und eine Widmung eingraviert), Schokolade aus Laupheim, Anhänger mit dem Stadtwappen für die Uniformen der franz. Kameraden. Außerdem natürlich Bier von der lokalen Kronenbrauerei. Es muss auch noch die Verpflegung für unterwegs besorgt werden. Die Aufgaben werden verteilt. »Ach ja und wenn ihr schon an die Brauerei fahrt, dann nehmt für uns für unterwegs doch auch, neben Wasser und Spezi, ein paar Kästen Pils mit.« … na, das kann ja lustig werden!

Andreas zeigt mir noch den Mailverkehr mit Gilles (stellv. des Kommandanten der Feuerwache von Feyzin), von wegen ob er auch alles richtig verstanden hat. Und er gibt mir das Programm das dieser ihm zugeschickt hat. Ich überfliege es grob und übersetzte für die anwesenden Herren. Voll gepackt, aber sehr interessant gestaltet. Doch in mir steigt Panik auf. Es gibt zwei Abendveranstaltungen, die – so interpretiere ich das Programm – durchaus etwas offizieller sein könnten. Und ich habe natürlich überhaupt nichts Passendes zum Anziehen dabei! Ich überlege fieberhaft, ob ich nochmal nach Leinfelden fahren muss um etwas Entsprechendes zu holen oder ob ich lieber shoppen gehe …

Die nächsten Nächte schlafe ich schlecht. Normalerweise bin ich ja ziemlich routiniert und Reisen ist etwas, das mich in keinster Weise nervös macht. Auch nicht die Tatsache, dass ich allein mit 15 Männern unterwegs bin. Das finde ich eher beruhigend. Aber mir fallen dauernd irgendwelche Wörter ein, die möglicherweise übersetzt werden müssen und in meinem Kopf herrscht sozusagen französisch gähnende Leere. Zur Beruhigung formuliere ich mir ein paar Sätze vor und übersetze diese mit Hilfe des Internets. Den Zettel werde ich auf jeden Fall mitnehmen. Aber wahrscheinlich kommt es dann letztlich doch ganz anders …

Neujahr 2016. Treffpunkt 17 Uhr am Gerätehaus. Die Autos sollen für morgen beladen werden.
Wir bringen Clyde vorher in die Ferienpension. Er war schon den ganzen Nachmittag nervös, weil wir am Packen waren. Und auch als wir bei Tatjana ankommen ist er unruhig. Ihm schwant wohl schon, was passiert. Wobei er sicher nicht weiß, dass es sich nicht nur um eine Abendveranstaltung handelt. Er hat sein Bettchen mitgekriegt, das ist verdächtig ... Nun, ich habe keine Bedenken. Er ist hier super gut aufgehoben und alle freuen sich auf ihn; und nicht zuletzt, so ganz generell ist er ja ziemlich pflegeleicht  
 
Wir sind dann pünktlich am Feuerwehrhaus. Die Meisten andere so langsam auch. Koffer und Taschen werden angeschleppt. Hm, ich dachte ja, ich hätte viel Gepäck mit meiner nicht ganz kleinen Reisetasche. Nun stelle ich fest, ich bewege mich da eher im unteren Segment. Auch gut, so wirke ich gleich mal eventuellen Vorurteilen bezüglich Mädchen haben zuviele Klamotten und so, entgegen.
Zunächst müssen noch zwei Fahrzeuge aus den Nachbarorten geholt werden. Es herrscht geordnetes Chaos. Wer fährt wo mit (wir beschließen, es gibt ein ‚Raucher-Auto‘), wie werden all die Bierkisten verladen und wohin mit den Uniformen und dazugehörigen Mützen, das diese nicht verknittern? Irgendwie funktioniert es dann doch. Auch das Vesper für unterwegs wird aufgeteilt. Okay, und wer will all das Obst essen, wenn es Alternativ Bier, Brezel und Landjäger gibt? Aber vielleicht schätze ich die Jungs auch ganz falsch ein …

Herr Ray von der Schwäbischen Zeitung schaut noch vorbei. Er bringt CDs mit Fotos, die wir mitnehmen sollen. Ursprünglich wollte er ja auch mitkommen, kann nun aber aus Zeitgründen nicht. Nachdem Andreas ihm erzählt hat, dass ich wohl einen Bericht schreiben werde, bittet er mich, wenn ich über die offizielle Zeremonie schreibe, ihm dies zukommen zu lassen. Na klasse, jetzt muss ich mich beim Schreiben auch noch anstrengen. Naja, wird schon …

Eine Stunde später ist alles erledigt. Dann bis morgen früh um viertel vor sechs – punkt sechs Uhr ist Abfahrt! Ich bin ja mal gespannt ob das klappt …

2.1.16. Samstag.

»Das, worauf es im Leben ankommt, können wir nicht vorausberechnen. Die schönste Freude erlebt man immer da, wo man sie am wenigsten erwartet hat.« (Antoine de Saint-Exupéry)

4.15 Uhr aufstehen. Will ja schließlich noch einen Kaffee trinken. Ich habe schlecht geschlafen. Klaus war ziemlich unruhig, was meinem Schlaf nicht sehr förderlich ist. Vielleicht hat mir auch nur mein Clyde gefehlt. Mensch und Hund sind eben doch Gewohnheitstiere. Klaus ist so früh am Morgen immer noch nervös wie ein kleines Kind und macht mich ganz kirre. Ich will meine Ruhe … und bin viel zu müde für irgendwas anderes.
Um kurz vor halb sechs kommt Matthias. Er nimmt uns mit zum Gerätehaus, wo wir die ersten sind. Nach und nach trudeln dann auch die Anderen ein. Die sind auch alle aufgeregt wie kleine Kinder. Muss ne Männersache sein…

Wir schaffen es tatsächlich ziemlich pünktlich um 6 Uhr loszufahren. Noch ein kurzer Stopp an der Tanke (die Suchties unter uns brauchen noch Zigaretten und die Müden Red Bull) und ab auf die B30 Richtung Bodensee. Wir sind mit drei MTWs (Mannschaftstransportwagen) unterwegs, jeweils mit 5 bzw. 6 Personen besetzt. Kolonne fahren ist gar nicht so einfach … zumindest für manche. Florian der das Führungsfahrzeug steuert, ist ziemlich flott unterwegs. Wozu das, wir haben es doch nicht eilig, oder? Nun, die Rechnung dafür wird er bekommen – wenn nämlich der Strafzettel eintrudeln. Er wird geblitzt. Das sorgt erstmal für ziemliches Gelächter. Wie heißt es so schön: wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung... Ich bin sicher er wird sich dies noch eine ganze Weile anhören müssen. Andreas, meint lapidar: »Wenn das das Schlimmste ist, was auf dieser Reise passiert, ist es halb so schlimm … «. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass es nicht ganz so sein wird. Aber auch hier: ich könnte mich täuschen.

Nach einer knappen halben Stunde unterwegs müssen die Jungs bei mir im Auto schon mal was frühstücken, natürlich inklusive Klaus, der fährt und immer hungrig ist. Mir ist das definitiv zu früh und ich passe.

In Meersburg geht es dann auf die Fähre, die netterweise gerade angelegt hat. Eine gute Gelegenheit auf die Toilette zu gehen und einen Kaffee zu trinken. Bei ersterem wird mir das erste Mal klar, wie toll es ist als Frau alleine mit 15 Männern unterwegs zu sein: ich muss nicht anstehen …

Wir erreichen die Schweiz und ich lerne etwas Neues. Im deutschsprachigen Raum (also Schweiz und Österreich) müssen Einsatzfahrzeuge grundsätzlich keine Autobahn-Mautgebühren zahlen. Wie praktisch! Überhaupt, hat es was, mit diesen roten Autos en Route zu sein und das noch im Pulk. Ich meine für die Jungs ist das wahrscheinlich schon gar nicht mehr so augenscheinlich wie für mich, die sind ja öfter mal so unterwegs. Aber mir fällt doch auf, dass sie ein gewisses Aufsehen erregen und im ganz positiven Sinn ‚bestaunt‘ werden.

Im hinteren Teil des Busses wird es etwas ruhiger, die Jungs ratzen eine Runde. Aber nur eine, denn bald schon beschließen sie, jetzt ist genau die richtige Zeit (immerhin schon nach elf) für ein ‚Tunnelbier‘ … hier wird der Straßentunnel an sich unschuldigerweise als Vorwand völlig missbräuchlich ausgenutzt um eben ein Bier zu trinken. In der Schweiz könnte das schnell verhängnisvoll werden, da ein Tunnel dem anderen folgt. Aber sie sind dann doch so vernünftig dies nicht ausarten zu lassen.
Bier hat bekanntlich zwei unmittelbare Auswirkungen: der Kopf wird leicht, die Blase schwer. So lässt die nächste nötige PP (Pinkel-Pause) nicht lange auf sich warten. Ich trinke kein Bier und war somit zum Glück nicht die erste die mal musste, sonst hieße es gleich wieder ‚Mädchen müssen immer‘! Aber natürlich nutze ich die Gelegenheit auch aus.
Danach wird es wieder ruhig und wir fahren so gemütlich vor uns hin. Auch Florian, der Fahrer des ersten Wagens, hat inzwischen beschlossen, dass es wohl besser ist, sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Ist auch den Witterungsverhältnissen angemessen. Es regnet, mal mehr, mal weniger, aber dafür ununterbrochen – außer in den vielen Tunnel, die es auf der Schweizer Autobahn gibt. Auch als wir etwas später nochmal eine PP an einer Raststätte machen. Sehr ungemütlich. Na hoffentlich wird das in Feyzin besser (wobei erste Schwarzmaler das Gegenteil behaupten).
Die Grenzen nach Frankreich passieren wir ohne Kontrolle. Dafür müssen wir hier Maut bezahlen. Die Autobahnen in Frankreich sind sozusagen ‚privat‘ und somit sind offizielle – wie auch Einsatzfahrzeuge - nicht umsonst. Später erfahre ich, dass sogar die französischen Feuerwehrautos zahlen müssen, außer sie fahren zu einem Unfall auf der Autobahn. Die Franzosen sind da eben konsequent. Und in Deutschland schaffen sie es nicht mal eine grundsätzliche Maut für PKWs einzuführen… hm.

Etwa 60 km vor Feyzin. Entweder bin ich durch die viele Reisererfahrung gut geeicht oder das Bier (inzwischen sind es zwei oder drei) drückt den Jungs kräftiger auf die Blase, als mein Mineralwasser mir. Jedenfalls brauchen sie nochmal eine PP. Was ganz gut ist, denn schon eine Weile hatten wir bemerkt, dass an dem MTW vor uns irgendwas komisch aussieht; ein Teil hängt unter dem Wagen zu weit runter. Die Pause auf dem Parkplatz wird genutzt um da mal nachzuschauen. Fachmännisch wird festgestellt, es ist der Auspuff, der dann auch bei leichter Berührung sofort komplett abfällt. Naja, Schwund muss wohl auch hier sein … Allerdings ist gerade dieses Fahrzeug schon etwas geplagt, denn seit geraumer Zeit regnet es rein… da bedarf es wohl mal einer Generalüberholung.

Als wir gerade wieder abfahren wollen, spricht uns ein Franzose an. Als ich dann dazu geholt werde und übersetzte wird klar, dass er um medizinische Hilfe bittet. Dazu muss erwähnt werden, dass in Frankreich die Feuerwehrleute immer auch gleichzeitig Sanitäter sind und bei entsprechenden Einsätze Hilfe leisten (was wir später erfahren und uns dann über dieses Ereignis nicht mehr so wundern). Jedenfalls, dieser junge Mann hat ein Hörgerät, das kaputt gegangen ist und ein Teil davon (kleines Stück Silikon) ist im Ohr stecken geblieben. Brr, da schüttelt es mich schon bei dem Gedanken. Er sucht nun jemanden, der dies ‚rausholt‘. Andreas ist ausgebildet als Rettungssanitäter und bemüht sich redlich. Mit Pinzette und Taschenlampe – und 14 Zuschauer. Doch letztlich muss er aufgeben, das Teil sitzt zu tief. Wir bedauern, aber der junge Mann ist dankbar, dass wir es zumindest versucht haben. Er wird nun doch einen entsprechenden Arzt aufsuchen müssen. 

Um eine Erfahrung reicher und einen Auspuff ärmer setzten wir zum Endspurt an. Irgendwie scheint sich das Navi des Führungsfahrzeuges nicht so recht auszukennen. Jedenfalls umkreisen wir Feyzin erstmal großzügig. Dies, bis es Klaus zu blöd wird und er bzw. seine Katrin (so heißt sein TomTom) die Führung übernehmen. Doch auch sie ist nicht ganz up to date und so stehen wir plötzlich vor einer Einbahnstraße. Nun, es ist Samstag, im Industriegebiet nicht viel los und wir haben rote große Autos, da kann man schon mal entgegen der Fahrtrichtung fahren. Letztlich sind wir gegen vier dannendlich am Ziel.
Wir nächtigen im Hotel Campanile. Ich habe schon oft in Motels dieser Kette übernachtet und es ist fast wie nach Hause kommen (die sehen alle so ziemlich gleich aus). Nun, mit der Reservierung hat alles gut funktioniert und jeder bekommt ein Zimmer – das heißt immer zwei zusammen, was im weiteren Verlauf des Aufenthalts noch eine nicht ganz unerhebliche Rolle spielen wird. Aber erstmal erwartet uns im Zimmer eine nette
Überraschung der Stadt Feyzin, bzw. von Gérard (Stadtrat, Zuständig für Partnerstadtangelegenheiten): eine 0,7 l Flasche Bier einer lokalen Brauerei aus Lyon und nochmal das Programm für die nächsten Tage auf Deutsch (ich schaue gleich mal nach, ob ich alles richtig übersetzt hatte).

Wir haben ein Programm, aber ich kann nicht so richtig abschätzen, was uns wirklich erwartet … On va voir, wir werden sehen … Heute sollen wir uns erstmal um 17.30 Uhr mit den Verantwortlichen der Stadt treffen. Nun Pünktlichkeit ist eine Zier doch lockerer lebt sich ohne ihr … zumindest in Frankreich. Gérard kommt um 17.45. Und mit ihm zwei Feuerwehrmannschaftswagen. Ich freue mich ihn, Gilles und Robert wiederzusehen. Auch lernen wir den Kommandanten der hiesigen Feuerwache, Rémi kennen. Ach ja und endlich hat es auch aufgehört zu regnen! 


Also auf zum ersten Programmpunkt: der offizielle Empfang im Rathaus der Stadt Feyzin. Ich bin erstaunt über das große Empfangskomitee: Stadträte und Mitarbeiter der Stadt, Mitglieder des Partnerschaftsvereins und der Feuerwehr sind da. Bis jeder jeden begrüßt hat, gibt es erstmal ein kleines Durcheinander und es dauert eine Weile. Ich nutze die Gelegenheit, dass hübsche ‚alte‘ Rathaus zu bewundern. Große Räume mit Parkettboden, der heimelig quietscht. 

Zu Beginn sagt Gérard ein paar Worte, heißt uns willkommen. Der Bürgermeister selbst ist leider verhindert, aber Madame Murielle Laurent (die 1. Stadträtin), übernimmt die Begrüßung an seiner Stelle. Natürlich kommen auch Rémi, der Kommandant der FW Feyzin und Andreas, Kommandant der FFW Laupheim zu Wort. Ich walte meines Amtes und übersetze. Noch ist mein Französisch etwas holperig und ich denke, das wird in den nächsten Tagen hoffentlich noch besser …

Wir bekommen jeder eine Tüte mit einer guten Flasche Wein und Schokolade aus Lyon geschenkt. Nach dem Willkommensgeschenk, dann der Willkommenstrunk. 
Dazu werden äußerst appetitliche salzige und süße Häppchen gereicht und die Jungs langen kräftig zu, zumindest fast alle; ein besonders ‚wählerischer‘ unter den FW-Kameraden hat hier wohl nicht zum letzten Mal eine kleine kulinarische Herausforderung (Leibspeise: Schnitzel mit Pommes). Alles ist sehr locker und leger, aber mit Stil. Wie ich es hier auch erwarten würde. Fast überall wird geredet, trotz der teilweisen Sprachdifferenzen.
Ich lerne unter anderem Walter kennen, ein Geschichtslehrer, der deutsch spricht und früher immer den Schüleraustausch zwischen Feyzin und Laupheim organisiert hat. Er wird uns wohl auch morgen in die Altstadt von Lyon begleiten.  Außerdem Jutta, die schon seit 27 Jahren in Frankreich lebt und Mitglied der Association Amitie Feyzin Laupheim (Partnerstadtverein) ist. Sie erzählt mir, dass sie froh ist nicht dolmetschen zu müssen … hm, ich fühle mich in der Rolle auch noch nicht ganz wohl, aber tue mein Bestes.

Später werden wir zurück zum Hotel gefahren. Macht Sinn, so kann jeder das Geschenk aufs Zimmer und in Sicherheit bringen (zur späteren Vernichtung?). Und schon geht es weiter zum Restaurant „La Cuisine de Valerie“. 
Von außen eher unscheinbar, aber innen sehr gemütlich. Es ist ein kleines Restaurant, aber wie mir erzählt wird mit guter regionaler Küche. Na dann, hoffe ich einfach mal, dass nicht alle Speisen mit Wein zubereitet sind, wie es die Franzosen gerne tun. Die Wirtin ist sehr nett und hilfsbereit und macht sogar für Anton – der eine Weizenallergie hat – ein Extraessen. Super. Und auch für mich ist etwas dabei das nicht kontaminiert ist: Gâteau de foie de volaille avec quenelle (Geflügelleberpastete mit Lyoner Knödel). Sehr lecker.

Wie in Frankreich üblich gibt es vorab einen Aperitif: vorzugweise Pastis. Ein Franzose sagte einmal über diese Spirituose aus Anis: „Sein Geschmack ist Geschmackssache, sein Duft unverwechselbar und seine appetitanregende Wirkung unbestritten, aber was ihn über alle anderen Spirituosen stellt, das ist sein enormer Unterhaltungswert.“  … und das ist heute nicht der letzte Abend an dem wir genau dies sozusagen life herausfinden. Manche der ‚Jungs‘ sprechen dem guten Pastis so sehr zu, dass es den Franzosen graut. Gérards persönlicher Tipp (den wohl aber nur ich zur Kenntnis nehme): Pastis ist eher ein Solitär – er kann (in Maßen konsumiert) belebend wirken und einen heiteren Abend mit bemerkenswert frischem Kopf verschaffen. Besser allerdings nicht am gleichen Abend auch größere Mengen Wein oder andere alkoholische Getränke trinken – es könnte sich mit reichlichem Kater rächen … Davor bin ich sicher, aber ob das die Anderen auch wissen? Und wenn sie es wüssten, ob sie das davon abhalten würde mehr zu trinken? Ich bezweifle es …

Ich sitze am Tisch u.a. mit den ‚Offiziellen‘ der Stadt Feyzin, des Partnervereins und Andreas und übersetzte so gut es eben geht. Wieder einmal habe ich das Gefühl, ich kann überhaupt kein Französisch. Aber es scheint zu reichen. Schwierig wird es, wenn z.B. Witze gemacht werden. Wortspiele sind einfach manchmal nicht zu übersetzten und Situationskomik schon gar nicht. Aber mir scheint, alle nehmen es gelassen und die Stimmung ist entsprechend gut.

Das Essen schmeckt und ist reichlich. Auch der Wein fließt in Strömen. Sven scheint seine wahre Berufung zu erkennen und unterstützt die Gastgeberin indem er sich eine Schürze umbindet und serviert. Macht er ziemlich gut, wie ich finde. Es geht lustig zu und am Schluss geben die Laupheimer Feuerwehrmänner noch das Feuerwehrlied zum Besten. Ich habe es inzwischen so oft gehört, dass ich bald mitsingen kann … was ich natürlich nicht tue. Bin schließlich kein FWler.

Das Restaurant ist nur etwas 200 m vom Hotel entfernt. Und nachdem dann auch die Letzten es geschafft haben, sich von der hübschen Wirtin zu verabschieden, laufen wir zurück. Der Fußmarsch tut glaube ich allen ganz gut. Ich gehe ins Zimmer und mache mir noch ein paar Notizen. Aber ich kann die Jungs hören, die noch ein wenig weiter ‚feiern‘ (schätze von den Willkommensgeschenken werden es nur meine und die von Klaus zurück nach Hause schaffen).

Fortsetzung folgt ...


Anmerkung: die in Teil I und II veröffentlichten Fotos wurden mir fast ausschließlich von Sven Rust zur Verfügung gestellt und unterliegen - wie meine Texte - dem Urheberrecht!

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